Reise

Im Porsche Cayenne e-Hybrid durch die Berge

Porsche und Nachhaltigkeit. Schließt sich das aus? Vor allem in einem SUV wie dem Cayenne e-Hybrid? electrified-Autor Axel Tischer ist bei einer Fahrt in die Berge dieser Frage nachgegangen und fühlte sich an seine Kindheit erinnert.

Ende der Achtziger wurde mein Vater jedes Jahr irgendwann im Februar von seinem Kumpel abgeholt, um in den Bergen Ski zu fahren. Der Freund kam, seitdem ich denken konnte, allen Ernstes mit dem jeweils aktuellen Modell des 911er Porsche. In Rot.


In einem umständlichen Prozedere wurden die für einen Winterurlaub naturgemäß voluminösen Gepäckstücke in die wenigen winzigen Staufächer gezwängt. Eingeklemmt zwischen Skistöcken und Reisetaschen winkte mein Vater uns zum Abschied zu, als der Wagen mit seinem fantastischen luftgekühlten Motorsound vom Hof rollte.

Eine gute Portion Fahrspaß

Als Auto- und damit natürlich Porschefan nahm ich das Ritual nicht als auf mehreren Ebenen sinnlos wahr (Platzmangel, hoher Verbrauch, extrabreite Sommerreifen im Schnee). Wenn zwei Erwachsene sich Jahr für Jahr in einigermaßen würdeloser Weise zwischen ihr Gepäck klemmen, muss auf der Haben-Seite eine gute Portion Fahrspaß stehen.

Der Porsche, vor dem wir jetzt in Stuttgart stehen, um ebenfalls in die Berge zu fahren, ist nicht rot sondern weiß. Außerdem gut 35 Zentimeter breiter, über 70 Zentimeter länger und über eine Tonne schwerer als der, mit dem damals die Herren fahren mussten beziehungsweise durften: Ein Cayenne e-Hybrid. Hybrid bedeutet grundsätzlich, dass zwei Antriebskonzepte zusammenarbeiten, nämlich ein Motor, der Benzin verbrennt kombiniert mit einem, der seine Energie über einen Akku bezieht.

Zeitgemäße Mobilität in einem SUV? Geht das?

Es kann wieder losgehen: Axel Tischer hinter dem Lenkrad des Porsche Cayenne. Foto: Lina Grün

Demnach lautet die Mission dieses Mal nicht Zero Emission. Es geht eher darum herauszufinden, ob Plug-in Hybrid Antriebstechnik verbaut im SUV eines Sportwagenherstellers irgendetwas mit zeitgemäßer Mobilität zu tun hat. Und und ob sich Luxus und Nachhaltigkeit irgendwie vereinen lassen.

Um diesen Fragen auf den Grund zu gehen, wollen wir von Stuttgart über den Bodensee nach Arosa in Graubünden. Dort verbringen wir zwei Tage im Bio-Hotel, um dann eine Tour über mehrere Pässe mit Zwischenstopp in der italienischen “CittaSlow” Chiavenna zu fahren. Der zweite Teil führt über den Splügenpass zurück in die Schweiz bis nach Zürich. Auf die 24 Stunden Stadtverkehr folgt die letzte Station am Schweizer Ufer des Bodensees, wieder in einem Hotel mit Nachhaltigkeits-Status – natürlich.

Über 1000 Kilometer in fünf Tagen also. Man muss kein Auto-Experte sein, damit einem auf den ersten Blick klar ist: Es gibt wenige Fahrzeuge, in denen man diese Strecke komfortabler, sicherer, schneller und damit lieber zurücklegen würde, als in diesem hier, das wir gerade beladen und starten. Ein Auto mit Dimensionen, dass alleine ein Außenspiegel groß genug wäre, um Säuglinge darin zu baden, ein wirklich schicker Innenraum, und genug Technik in Form von Assistenz- und Infotainment-Systemen, damit einem auch hier auf dem Parkplatz in 5 Tagen nicht langweilig würde. Also los.

Von Stuttgart nach Arosa

Der berüchtigte Verkehr im Stuttgarter Raum erlaubt es, weil bestenfalls “zähflüssig”, sich mit der versammelten Technik vertraut zu machen. Dazu reicht es mittlerweile, seine Erfahrungen von der Bedienung eines halbwegs aktuellen Smartphones oder Tablets anzuwenden. Es hat allerdings auch lange genug gedauert, bis die Hersteller die Funktionen der meisten ihrer Schalter, Knöpfe und Regler in übersichtliche und nachvollziehbare Menüs und Oberflächen an einer zentralen Stelle, nämlich einen amtlichen Touchscreen, transferiert haben.

Nachdem alles optimal eingestellt und personalisiert ist, lichtet sich der Verkehr etwas und ich wittere die Chance zu testen, wie denn die Abteilung Fahrperformance ihren Job gemacht hat. Ich versuche möglichst unschuldig auszusehen, während ich das kleine geriffelte Rädchen am Lenkrad von “E” auf “S+” drehe, und auch das Fahrwerk per Touchscreen von “Normal” auf “Sport Plus” verstelle. Denn ich ahne, dass das, was folgen soll, Unmut an Bord hervorruft.

Wer bis jetzt am Sinn des Elektromotors in einem Cayenne gezweifelt hat, der versteht nach dem Durchdrücken des Gaspedals mehr: Die Motivation für die Einführung der Hybridmodelle ist nicht Spritersparnis allein, sondern verbesserte Beschleunigungswerte. Daraus macht Porsche übrigens auch gar keinen Hehl.

Mit einer Ausnahme moderat nach Chur

Kurze Pause im Bergdorf. Foto: Lina Grün

Die Strategie geht jedenfalls auf. Der E-Motor schiebt ohne Verzögerung mit 700 Newtonmetern los. bis der V6 Benzinmotor mit seinen 3 Litern und 340 PS übernimmt. Das ganze Spektakel geht so schnell vonstatten und ist dabei so gut beherrschbar, dass ich die lauter werdenden Proteste von rechts und hinten ein paar Sekunden ignoriere. Meine Frau Lina protestiert wegen erhöhter Unfallgefahr und offensichtlicher Sinnlosigkeit der Beschleunigungsaktion, Tochter Golda, weil sie unsanft aus der Welt gerissen wurde, in die sie ihr Hörspiel entführt hat. Jedenfalls ist jetzt klar, zu was unser Vehikel zur Not in der Lage ist. Oder zum Spaß.

Bis Chur ging es dann aber moderat und im Fahrmodus “Hybrid” weiter. In diesem Modus wählt das System automatisch auf Grundlage von Fahrprofil, Ladezustand, Topologie und Tempo die bestmögliche Kombination aus E- und Benzinantrieb. Ab Chur nimmt die Zielführungs-Linie auf unserem Navi mehr und mehr Bandwurmform an. Die Strecke wird einerseits landschaftlich reizvoller, andererseits auch anstrengender für Fahrer und Beifahrer.

Die Tochter muss sich übergeben

Ankunft gegen 18 Uhr abends im Hotel Valsana, wo die freundliche Begrüßung nicht weiter durch die Information gestört wird, dass sich Golda gleich nach der Ankunft in der Tiefgarage übergeben hat. Weil es bei unserer Abfahrt im Flachland noch so heiß war, wie es in diesem Sommer 2018 seit Monaten ist, erfreuen wir uns an der wunderbar kühlen und frischen Luft auf 1800 Metern im Luftkurort Arosa.

Der Ort gehört zum erweiterten Skigebiet Arosa-Lenzerheide und der erste Eindruck, den wir uns vom Balkon unseres Zimmers machen deutet darauf hin, dass man bei der touristischen Nutzung und Eventisierung der Gegend recht weit fortgeschritten ist. Auf zahlreich ausliegenden Flyern und Broschüren werden Aktivitäten für den Sommer angeboten, die Zielgruppen von ambitionierten Bergsportlern bis Familien und Rentner sauber abgedeckt. Es gibt E-Bikes, Kletterkurse, ein Bärengehege, einen Eichhörnchen-Weg, Oldtimer- Humor- und Jazzfestival und hundert andere Aktivitäten. Immerhin kann jeder Sommer-Gast in Arosa sämtliche Seilbahnen und Busse kostenlos nutzen. Wer schon mal in der Schweiz unterwegs war, weiß, dass sich so relevante Beträge einsparen lassen.

Abgeschiedenheit der Bergwelt gibt es woanders

Das Eichhörnchen wird von der Tochter mit Nüssen gefüttert. Foto: Lina Grün

Warum auch nicht? Wer seine Ruhe in der Abgeschiedenheit der Bergwelt sucht, geht woanders hin, wer Aktivität und Entertainment will, wird hier glücklich. Was uns betrifft, so haben wir nach einem Rundgang im Hotel und dem sehr guten Abendessen keinen Zweifel, dass uns hier drei Tage entspannter Luxus bevorstehen.

Während er uns einen der drei von Tesla montierten Supercharger zuweist, erfahren wir von Hotel-Chef Michael Lehnort, wie man sich diverse Bio-Siegel verdient hat. Durch eine verblüffend klingende Eisspeicher Technik zum Beispiel, mit der null Emissionen für Heizung und Kühlung des gesamten Gebäudes entstehen. Dabei wird mit der eigenen Abwärme und Erdsonden gearbeitet, jedenfalls kaufe man keinen Tropfen Öl oder andere fossile Energieträger, erklärt der Chef. Sowohl die verbauten Materialien als auch die Zutaten für die Küche sind konsequent regional, bio und nachhaltig.

Derart beruhigt nutzen wir in den folgenden Tagen die Angebote “Bärenland”, “Eichhörnchen-Weg”, besuchen die Sennerei, schwimmen in der tollen Badi am Untersee und verbringen vor Allem viel Zeit in SPA, Sauna und Pool des Hotels. Vor der nächsten Etappe wird diskutiert. Das Ziel heißt Chiavenna, in der Lombardei. Der geplante Weg über den Albulapass ist allerdings an diesem Tag gesperrt. Und wie reagiert Goldas Magen dieses Mal auf die vielen Haarnadelkurven?

Es geht von Arosa nach Chiavenna

Die neue Route lautet: Bis Bergün, in der italienischen Schweiz an die Sperrung ranfahren, dann über Lenzerheide und den Julierpass durch Silvaplana nach Chiavenna. Das Kind wird für den besseren Überblick in die Mitte der Rückbank gesetzt, bekommt Travel-Dragees gegen Reiseübelkeit und Hörspiele satt.

Sowohl diese Maßnahmen als auch die gute Planung und die Erholung der vorangegangenen Tage machen diesen Abschnitt der Reise dann viel weniger anstrengend als befürchtet. Ganz im Gegenteil. Auch wenn es beim Start nieselt und die Aussicht gelegentlich durch tief hängende Wolken eingeschränkt ist, so führt die Route doch durch die immer wieder beeindruckende Hochgebirgslandschaft der Schweiz mit ihren Schluchten, Wäldern, Wasserfällen und verschneiten Gipfeln. Schaut man sich an, wie diese unwirtlichen Gegenden hier seit Jahrhunderten mit Infrastruktur erschlossen werden, dann versteht man, warum Swiss Engineering erste Wahl ist, wenn irgendwo auf der Welt ein Berg zu untertunneln oder eine Schlucht zu überbrücken ist.

Pittoreske Dörfer – auf nach Italien

Abseits fester Pfade: der Porsche Cayenne e-Hybrid. Foto: Lina Grün

Wenn es allerdings um besonders liebliche Landschaft mit pittoresken Dörfern und Städten geht, dann führen alle Wege nach Italien. Soviel wird mit jedem Kilometer, den wir von den Passhöhen über die SS 37 talabwärts fahren klar. Das Thermometer steigt unaufhaltsam bis auf über 25 Grad, das warme Licht des frühen abends beleuchtet schiefergedeckte Dächer, unter die alpine Vegetation mischen sich immer häufiger Palmen, Oleander und andere mediterrane Pflanzen.

All das scheint nicht nur uns in Hochstimmung zu versetzen. Zahlreich sitzen die Anwohner in Restaurants, Bars und Gärten und lassen den Tag ausklingen. Aus Respekt nutzen wir die Energie, die auf dem Weg vom Berg per Rekuperation in die Akkus geflossen ist und surren geräusch- und emissionslos durch die kleinen Dörfer.

Unser Etappenziel Chiavenna ist ein Mitglied von Cittaslow, ein Netzwerk das aus der Slow-Food Bewegung hervorgegangen ist. Das Motto lautet: International Network of Cities where living is good. Wie sehr die Stadt diesem Anspruch gerecht wird, erleben wir bei dem köstlichen Abendessen in einem Restaurant oberhalb des Flusses Giavera, der mitten durch die Altstadt fließt.

Auf von Chiavenna nach Zürich

Der nächste Tag ist Mariä Himmelfahrt. In Italien natürlich ein Feiertag. Was dazu führt, dass der Weg zurück in die Schweiz über den Montespluga und den dazugehörigen Splügenpass noch voller ist als sowieso schon. Die Strecke ist bei Motorradfahrern und anderen Menschen, deren Hobby es ist, mit einem Fahrzeug Haarnadelkurven zu fahren, offenbar sehr beliebt.

Im gesamten Alpenraum, vor allem aber in Italien, werden in den letzten Jahren Maßnahmen ergriffen, den Verkehr und die damit einhergehenden Unfälle, Lärm- und Abgasbelastungen zu bekämpfen. Das Sellajoch beispielsweise verhängt zwischen dem 23. Juli und dem 31. August von 9 bis 16 Uhr ein Durchfahrtsverbot für alle Motorfahrzeuge. Grund ist das Pilotprojekt Dolomitesvives zum umweltfreundlichen und nachhaltigen Erfahren der Dolomiten. Von dieser Regelung ausgenommen sind Fahrzeuge mit Pass Dolomitesvives, Fahrräder und: Elektrofahrzeuge.

Auch wir würden uns am Liebsten komplett ohne Motorengeräusch und Abgase durch diese besondere Gegend bewegen. Weil das in Anbetracht von knapp 45 rein elektrischen Kilometern unmöglich ist, müssen wir uns die Strecke gut einteilen. Und selbstherrlich entscheiden, wo wir Benzin verbrennen und wen wir komplett verschonen. Vielleicht sind die Geräusche und Gerüche am Straßenrand eher unerwartete Argumente für elektrisches Reisen und Entdecken der Alpenkurven entlang der Hochgebirgspässe.

Mit Plug-in-Hybriden von Fahrverboten verschont

Mit gutem Gewissen in die Stadt: der Porsche Cayenne e-Hybrid. Foto: Lina Grün

Ganz andere Motivation für elektrisches Fahren gibt es da in Zürich, wo wir am frühen Abend einrollen. Zwar gehört hier der Sound eines PS- und hubraumstarken Fahrzeugs zum guten Ton und man bewegt sich mit einem Auto vom Gegenwert eines Einfamilienhauses eher im Mittelfeld. Andererseits beweist die große Zahl der Teslas und anderer Premium-Elektrofahrzeuge den Wunsch des Schweizers nach Understatement und Fortschritt.

Und sollten auch in Schweizer Innenstädten demnächst mal Fahrverbote wegen zu hoher Abgasbelastung drohen, dann wären wir mit einem Plug-In Hybrid auf der sicheren Seite. Trotzdem entscheiden wir uns freiwillig schon jetzt, noch beeindruckt von der Stille und Schönheit der Berge für elektrischen Antrieb. Zumal die Stadt das Gebiert ist, wo man mit einem Plug-In Hybrid und entsprechendem Radius zwischen Ladesäulen theoretisch am wahrscheinlichsten elektrisch unterwegs ist.

Zürich – Bodensee

Zurück aus den Bergen heißt auch zurück in der Hitze. Daher halten wir den Aufenthalt in der Stadt am nächsten Tag so kurz wie möglich und steuern unseren nächsten See an, den Bodensee.

Als Unterkunft lockt wieder ein Mitglied der Green Pearls, Schloss-Hotel Wartegg bei Rohrschach. Was dann auch nicht nur nobel klingt sondern sich bei unserer Ankunft auch so darstellt. Das herrschaftliche Gebäude mit großem englischen Garten war unter anderem Rückzugsort der letzten Kaiserin von Österreich. Im Bio-zertifizierten Garten wachsen hunderte Kräuter, Obst und Gemüse die auch in der ausgezeichneten Küche verwendet werden. Größtes Plus für uns ist aufgrund der Hitze aber die Nähe zu einer Bucht mit glasklarem Wasser.

Während wir uns abkühlen und den Ball möglichst Flach halten, tankt sich unser Wagen an der e-Tankstelle, die eigentlich dem schlosseigenen BMW i3 gehört für die finale Etappe zurück nach Stuttgart auf.

Die Tour de Swiss beziehungsweise die Tour de Luxe endet mit der Erkenntnis, dass Luxus und Nachhaltigkeit für Hotels leichter vereinbar scheint als für Autobauer. Den nachhaltigeren Eindruck wird allerdings der Porsche hinterlassen. Zumindest beim Fahrer.

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