Benedikt Böhm gehört zu den sportlichsten und nachhaltigsten Managern in der Sportindustrie. Der Chef des Bergsportkonzerns Dynafit ist zugleich WWF-Botschafter und Gründer von Helping Band.
Von Andreas Haslauer
Benedikt Böhm ist ein Meister der Effizienz. „Einfach so“ fährt der Chef der angesagten Bergsportmarke Dynafit nicht in die Berge. Aus Zeit- und Klimagründen. Der 45 Jahre alte Speedbergsteiger rennt nur dann mit seinen Skiern auf die Berge zwischen München, dem Dynafit-Sitz, und Bozen, dem Headquarter des Mutterkonzerns Oberalp, wenn er zu einem Händler oder einem Business-Meeting fährt.
Auf bis zu 10.000 Höhenmeter kommt er die Woche. „Ich liebe und lebe meinen Beruf“, sagt der Mann, der im Winter gut 200.000 Höhenmeter absolviert, im Sommer nochmal 100.000 Höhenmeter.
Boomender Skitourenmarkt
Böhm ist zusammen mit seinen 300 Kollegen mitverantwortlich, dass der Skitourenmarkt boomt. So wie nie zuvor. Als er 2003 bei der kränkelnden Firma anfing, gab es defacto noch keinen Markt. „Es gab nur ein paar Rentner, die mit ihrem rot-weißen Karo-Hemd, Trachten und Kniebundhose durchs Oberammergau stapften“, erinnert sich Böhm. Nur 30 Millionen Euro setzte die Branche um. Heute kommt der Weltmarkt auf 1,3 Milliarden Euro – mit viel Potenzial nach oben. Denn Skibergsteigen wird ab 2026 bei den Olympischen Spielen in Cortina D’ Ampezzo vertreten sein.
Der Münchener sah schon vor knapp 20 Jahren als einer der wenigen in der Industrie den Skitouren-Markt und das Geschäft mit den Bindungen als Rohdiamant. Es hat sich damals nur keiner die Mühe gemacht, diesen riesigen Schatz zu heben. Also hat Böhm die Bindung als High-Tech-Gerät etabliert und den Leuten klargemacht was für ein Gamechanger-Produkt, das sei. Sein damaliger B Chef fragte ihn wie er sich das alles vorstellen würde. Böhm antwortete: „Ich fahre einfach zu allen Sportgeschäften und empfehle unsere neuen Produkte.“
Umsatz steigt
„Verkaufen“, das musste er gar nicht, weil dem ehemaligen Mitglied der Deutschen Skibergsteigen-Nationalmannschaft seine Leidenschaft nur so aus ihm raussprudelte. 2003, bei Böhms Amtsantritt, machte Dynafit zwei Millionen Euro Umsatz. Heute sind es 120 Millionen. Tendenz: steigend. Warum boomt das Skitourengehen so? „Weil es nicht nur ein Sport ist, sondern auch eine Lebenseinstellung“, erklärt Böhm. Hinzu komme, dass das Material leichter und komfortabler ist. Heute würde die Ausrüstung einen Bruchteil im Vergleich zu früher wiegen. „Aufitretln und obiwedln“, das würden nun auch die Menschen hinbekommen, die einst mit dem Equipment noch kämpften.
Um das zu überprüfen, fahren wir zusammen mit Deutschlands sportlichsten Manager (Focus) zum Skibergsteigen ins Kaunertal. Der Slogan vom dortigen Geschäftsführer Dietmar Walser: „Mit der Natur auf Du und Du!“ „Mit allen Entscheidungen, die wir hier treffen“, so Walser „sollten sich alle wohlfühlen“. Und zwar unter ökonomischen, sozialen und ökologischen Gesichtspunkten.
„Best Tourism Village“
Daher ist es kein Wunder, dass die Naturschutzregion die Auszeichnung „Best Tourism Village“ wegen der nachhaltigen Ausrichtung von der Welttourismusorganisation (UNWTO) erhielt. Weltweit hatten sich 170 Destinationen beworben, nur 44 bekamen das Sustainability-Siegel. Walser will jedoch noch mehr. Ab dem kommenden Frühjahr bieten die Kaunertaler Gletscherbahnen und Walser einen „E-Shuttle“ sowie vergünstigte Tarife für E-Autos an, unterstützen Mitfahrgelegenheiten über die klimafreundliche Plattform „ummadum“.
Weil wir so lange nicht warten können, fahren wir schon heute zusammen mit Böhm und einem E-Auto auf den Gletscher. Es ist Mitte November, die Sonne scheint, der Neuschnee glitzert. Ausgesucht haben wir uns einen Aiways U5, das ist ein chinesisches Auto, welches gegen den ID.4 von Volkswagen antritt. Sein Vorteil: er ist 10.000 Euro günstiger als der Wolfsburger, überzeugt mit seiner Reichweite von 400 Kilometern.
Zwar spielten die chinesischen Hersteller auf dem deutschen Automarkt bis dato wegen der schlechten Verarbeitung keine Rolle. Doch das hat sich geändert. Die Chinesen haben dazugelernt – das sieht man auch am Aiways U5, dessen Verarbeitungsqualität keinen Anlass zu Beanstandungen gibt. Darüber hinaus, so scheint es, haben die Autobauer aus der Volksrepublik kein Problem bei der Halbleiter-Beschaffung. Ergo: Während die Deutschen lange Lieferzeiten quälen, liefern die Chinesen! Selbstbewusst sind sie: „Mit dem Aiways U5 verzichten Sie auf nichts, außer auf Kompromisse“, wirbt der Konzern. Denn wie kein anderer kombiniere der E-SUV eine hohe Reichweite mit großem Raumangebot, minimalistischer Designsprache mit umfangreicher Ausstattung. Oder wie der ADAC schreibt: „Viel Ausstattung für wenig Geld.“ Ergo: Aiways liefert.
„Made by athletes for athletes“
Auch Böhm. Und das seit knapp 20 Jahren. Wenn man sich ein Produkt von uns zulegt, dann kauft man damit auch Anerkennung und Zugehörigkeit“, erklärt der Mann. Das, wofür Dynafit stehe, sei Leistung und Schnelligkeit am Berg. „Made by athletes for athletes“, also gemacht von Athleten für Athleten.
Natürlich sei es ein Risiko gewesen einer Marke Werte wie „Forward, Fearless, Obsessed“ zu verpassen. Jede und jeder, der in seinen Klamotten auf den Berg geht, verkörpere schließlich: „Leute, ich bin mächtig schnell.“ Böhm hat mit seiner spitzen Marke aber auch lernen müssen „Nein“ zu sagen. Die Klamotten sind nicht überall im Einzelhandel und im Internet erhältlich, gibt es nicht in allen Größen. „Das soll nicht arrogant klingen, aber unsere Marke muss man sich auch ein bisschen verdienen“, so der Manager. Sein Antrieb sind effizienteste Systeme für Bergausdauer-Athleten zu produzieren. Das heißt, dass er als einzige Marke alles von Kopf bis Fuß für den Skitourensport herstellt.
Und das passt frühmorgens alles in den Aiways U5 rein. Von den Skiklamotten, Stöcken, Skiern, Bindungen bis hin zum Helm und der gesamten Sicherheitsausrüstung. Dabei – und da sind solche Autoexperten sicher – liege der Chinese auch bei dem 26 Kilometer langen Anstieg zum Kaunertaler Gletscher wie eine Eins in der Kurve. Böhm gefällt das. Ihm gefällt aber vor allem, dass die Outdoor-Freaks immer mehr mit E-Autos und dem Zug in die Skigebiete fahren. Bisher war es immer so, dass „Bergsport auch Motorsport“ sei.
Mit Dachzelt unterwegs
Dass mittlerweile Hersteller wie Aiways ihre Fahrzeuge auch mit Dachzelten ausrüsten, erhöht das Einsatzgebiet von Fahrzeugen wie dem U5 deutlich. Böhm will wie Walser mehr. Und deswegen hat Dynafit eine lebenslange Garantie eingeführt. Ein Beispiel: Die eine Hose (Böhm zeigt auf ein Handy-Bild) hatte er bei seiner Speed-Begehung auf den Dhaulagiri XII in Nepal vor drei Jahren an.
Zig Mal habe er sie geflickt, sie ist nicht kaputt zu kriegen. Intern habe die „Lifetime Guarantee“ jedoch Diskussionen aus – gelöst, weil Dynafits Geschäftsmodell auf „Verkaufen“ und nicht „Reparieren“ ausgelegt ist. „Wir wissen, dass das nachhaltigste Produkt, das ist, das man bereits im Schrank hat.“, so Böhm. Deswegen hat er beschlossen auf fast alle Produkte die Garantie eines Produktionszyklus, also zehn Jahre, zu geben.
Damit nicht genug. Dynafit produziert mit umweltfreundlichen Materialien, arbeitet mit der „Fair Wear Foundation“ zusammen. Das Wichtigste für ihn ist das Konzept „Care & Repair“. In seiner neuen Zentrale in Kiefersfelden wird ein Stockwerk mit Menschen damit beschäftigt sein. Sie werden auch kaputte Schöffel-Jacke flicken, lädierte Scarpa-Schuhe neu besohlen.
Umweltschutz im Alltag
In seiner Freizeit macht Böhm weiter. Ein Beispiel: Bei der Vorbereitung zu einem Skitourenwettkampf war er im Monte-Rosa-Gebiet unterwegs, übernachtete auf einem Biwak auf 3.800 Metern. Als er dort reinkam, traf ihn der Schlag. Es sah aus wie auf einer Müllhalde: Plastikflaschen, Essensreste, Bierdosen. Zwei Tage hat er damit verbracht alles in Müllsäcke zu packen und zur Bergstation zu schleifen. Erst hat er alles aufgeräumt, dann seine negative Energie in positive umgewandelt.
Vor einigen Monaten hat ihn eine Müllreinigungsaktion während seiner letzten Himalaya Expedition dazu inspiriert die Initiative #cleanerthanbefore ins Leben zu rufen. Das bedeutet: dass man jeden Ort sauberer als vorher hinterlassen sollte. Unabhängig davon, ob es ein Biwak in Nepal ist oder eine Bushaltestelle in Dortmund. Und, er hat „Helping Band“ gegründet. Dabei verkauft er Armbänder mit Sprüchen wie „There is no planet b“.
Natur- und Artenschutz sichern
Mit dem Erlös will er den Natur- und Artenschutz sichern, gegen den Klimawandel angehen. Denn: wenn wir alle auf diesem Planeten überleben wollen, dann müssen wir intakte Lebensräume und die biologische Vielfalt auf der Erde erhalten, so Böhm. Natürlich kann er das nicht allein, weswegen er sich mit dem WWF zusammengetan hat. Zusammen sorgen sie sich um die Ozeane, den Schutz bedrohter Tierarten. Die Botschaft ist: „Alle für Eine“. Schließlich haben wir alle nur die eine Erde.
Gewinne will Böhm damit keine er zielen. „Von jedem Band gehen 50 Cent an den WWF. Darüber hinaus habe ich mich verpflichtet jedes Jahr 60.000 Euro an den WWF zu zahlen“, so Böhm. Für ihn ist das alles viel mehr als nur eine Herzensangelegenheit. Das erklärt er bei einem heißen Tee und Suppe im Dachzelt des Shanghaier Autokonzerns.
Benedikt hat für eine Einkehr schließlich keine Zeit. Er muss noch heute nach Bozen. Außerdem sei es seine Aufgabe sich darum zu kümmern, dass auch unsere Kinder und Enkelkinder unsere Welt so sehen können wie wir sie gesehen haben. Vorher – und das gehört auch zur Wahrheit – muss er noch im Tal an die Ladesäule beim ortsansässigen Energiekonzern. Dabei muss er noch telefonieren. Mit dem WWF. Böhm: „Man wirkt immer und man kann immer etwas bewirken. Dieser Satz hilft mir immer wieder, mich zu disziplinieren. Wir müssen heute handeln, damit unsere Welt nicht kaputt geht. Heute!“