Elektro

„Wir sind der Armani der Automobilindustrie“

Der Battista von Pininfarina hat 1900 PS. Foto: Viktor Strasse

Automobili Pininfarina will Ende 2020 einen 1900 PS starken Elektroboliden auf den Markt bringen. Gut die Hälfte der auf 150 Einheiten limitierten Auflage sind schon vorbestellt. Kostenpunkt für einen Battista: Mehr als zwei Millionen Euro.

Emotionen treten in der Elektromobilität recht selten auf. Sicher, die Beschleunigung nicht nur beim Ampelstart begeistert den jeweiligen Fahrer immer wieder aufs Neue. Auch die Performance der Rennautos in der Formel E ist recht beeindruckend. Doch ansonsten geht es überwiegend rational zu im Bereich E-Mobility, da auch Tesla mittlerweile im Alltag angekommen ist.


Automobili Pininfarina setzt sich nun daran, der Emotion in einem elektrischen Automobil die oberste Priorität zu verleihen. „Unsere Story läuft unabhängig von der reinen Elektroauto-Firma-Geschichte“, sagt Michael Perschke, Geschäftsführer des Unternehmens, das eine hundertprozentige Tochter der indischen Mahindra Group ist, die 2015 auch die italienische Designschmiede Pininfarina erworben hatte.

E-Mobilität emotionalisieren

„Unser Anspruch ist es, Elektromobilität super zu emotionalisieren. Wir wollen, dass sich Leute in ein Elektroauto verlieben. Ein höchster Grad an Emotionalität. Das hat noch keiner geschafft. Aber da gehören wir hin“, sagt der ehemalige Audi-Manager im Gespräch mit electrified.
Das Unternehmen mit Sitz in München und dem klangvollen Namen hatte im vergangenen Jahr den Bau eines elektrischen Hypercars für Ende 2020 angekündigt und einen Prototypen auf dem Autosalon in Genf in diesem Jahr vorgestellt. Die reinen Daten verraten schnell, dass sich das auf 150 Einheiten limitierte Modell unabhängig von sonstigen Elektroauto-Firmen unterscheidet. 1900 PS sowie 2300 Newtonmeter Drehmoment leisten die vier Motoren, die der kroatische Elektroautospezialist Rimac stellt.

Auf 21 Zöllern fällt die 100 km/h-Marke des nach dem Pininfarina-Firmengründer Battista benannten Hypercars bereits unter zwei Sekunden, nach zwölf Sekunden ist Tempo 300 erreicht. Über 400 km/h soll der Battista schaffen. Die 120 kWh starke Batterie könnte eine Reichweite von bis zu 450 Kilometern garantieren, wenn nicht stetig die enorme Beschleunigung getestet wird.

Heidfeld als Testfahrer

Ein Liebhaberstück: der Battista von Pininfarina. Foto: Viktor Strasse

Der erste Fahrer, der diese gewaltige Kraft testen wird, ist Nick Heidfeld. Der frühere Formel 1-Vizeweltmeister profitiert von seinem Engagement bei Mahindra und Mahindra, für die der heute 43-Jährige vier Jahre in der Formel E verbrachte. „1900 PS bin ich auch noch nicht gefahren, entsprechend freue ich mich. Die 1900 PS sind eine Herausforderung“, so Heidfeld. Die Simulation beginnt im Juli, „erste Testfahrten kommen dann Anfang 2020.“

Heidfeld, der privat einen Nissan Leaf fährt, hat Freude an dem alternativen Antrieb gefunden: „Am meisten hat mich die Fahrbarkeit von Elektrofahrzeugen beeindruckt – generell. Selbst der beste Verbrennungsmotor hat immer ein Delay oder ein Missfire. Je nach Drehzahl erhältst Du immer etwas anderes angeliefert. Bei Elektrofahrzeugen bekommst Du exakt das geliefert, was Du willst. Das macht mir extrem Spaß.“

Kraft, die beherrscht sein will

Nun wird der Spaß potenziert – mit 1900 PS, die nicht auf der Rennstrecke, sondern im Alltagsverkehr kontrolliert werden müssen. „Aber genau das ist mein Job: Das Auto fahrbar zu machen, und auch Spaß zu haben. Aber auch, dass es in der Stadt gesteuert werden kann“, sagt Heidfeld am Rande des Formel E-Rennens in Berlin. Wehmut, nicht mehr selbst über den Kurs des Flughafengeländes in Tempelhof zu fahren, verspürt Heidfeld dabei nicht. Er konzentriert sich auf seine neuen Aufgaben. „Ich bin sehr zufrieden mit den Jobs bei Mahindra als Berater und bei Automobili Pininfarina, das Auto mit zu entwickeln. Für mich eine optimale Situation“, so Heidfeld, „es reizt mich, Autos zu entwickeln und verbessern.“

Die Verbesserungen liegen natürlich vor allem darin, die enorme Kraft verantwortlich auf die Straße zu bringen. Dafür müssen Optimierungen im elektronischen Bereich oder im Fahrwerksbereich vorgenommen werden, damit auch Unerfahrene 1900 PS bändigen können. „Wir werden die Topspeed-Variante den Kunden nicht zur Verfügung stellen. Wer es möchte, erhält vom Nick Instruktionen.

Der Battista von Pininfarina Foto: Viktor Strasse

Bei der Fahrt ist auch die Eigenverantwortung gefragt“, ergänzt Perschke, der aber auch nicht glaubt, dass viel Unfug mit dem mindestens zwei Millionen Euro teuren Modell passieren wird. Zwar werde der Battista über Assistenzsysteme verfügen, die den Fahrern die Aufgaben erleichtern, aber die Verantwortung nicht abnehmen. „Aber in der Preisklasse steht auch genügend Grips zur Verfügung“, so Perschke. Dass auf den Grips der Kunden trotzdem viel Arbeit zukommt, unterstreicht Heidfeld, für den diese extreme Kraft schon Neuland ist.

Pininfarina will Leuchtturm sein

Aber das ist laut Perschke auch genau so gewollt: „Automobili Pininfarina hat den Anspruch, ein Leuchtturm in der Automobilbranche zu sein und der Elektromobilität Faszination zu geben.“ Während sich Daimler „mit dem Besten oder nichts“ zufriedengibt, sieht Perschke in seinem Unternehmen ein Alleinstellungsmerkmal mit einem extrem hohen Wiedererkennungswert, das keine andere Firma so schnell erreichen kann.

Als Beispiel zählt Perschke um die 50 Ferrari auf, die von Pininfarina designt wurden und zu den teuersten Automobilen auf den diversen Auktionen zählen: „Die Intention von Pininfarina war Ästhetik, Design, zeitloses Design, klassisches-italienisches Automobil-Design.“

Diese Tradition soll nun fortgesetzt werden – nur in eine neue Antriebsära übertragen. Perschke sieht Automobili Pininfarina dabei als „Gamechanger, der als erster ein elektrisches Luxus-Hypercar auf den Markt bringt. Ein neuer Player mit sehr traditionellen Werten.“ Und ein Player, der von der Spitze der Automobilindustrie grüßen möchte. Deshalb müsse der Battista „das beste Auto sein, dass es derzeit in der Branche gibt. Er muss Dinge können, dass kein anderes Auto kann.“

Zeigen, was ein E-Auto kann

Perschke sieht die Elektromobilität dabei als perfekte Voraussetzung: „Wir beweisen, was ein Elektroauto kann, was ein Verbrenner nicht kann: Power-Performance, Newtonmeter-Performance, Beschleunigungs-Performance. Es gibt kein Verbrennungsfahrzeug inklusive Formel 1-Autos, dass von 0 – 100 in weniger als zwei Sekunden beschleunigt. Die Technik, um diese Performance zu erreichen, gibt es im Verbrennungsmotor-Bereich nicht. Wir wollen unter Beweis stellen, was Elektro kann, was Verbrennung nicht kann.“

Und die Nachfrage nach dem Boliden, der Ende 2020 auf den Markt kommen soll, bestätigt den Automanager. Von den 150 vorgesehenen Einheiten sind jeweils 50 für die USA, Europa und den Mittleren Osten vorgesehen. Verschiebungen angesichts steigender regionaler Bedürfnisse kalkuliert Perschke ein. „In den USA haben wir bisher 60 Prozent Vorbestellungen, in Europa 40 Prozent, im mittleren Osten 50 Prozent, aber noch ohne Saudi-Arabien, Bahrain und Katar.“ Gerade in dieser Region werden wohl auch Modelle landen, die zunächst für Europa vorgesehen waren. „Für uns ist es wichtig, dass wir weniger Autos anbieten als die Nachfrage ist“, so Perschke.

Etliches in der Pipeline

Das Heck des Battista von Pininfarina. Foto: Viktor Strasse

Nach dem Battista hat Automobili Pininfarina weitere neue Fahrzeuge in der Pipeline. „Es folgt ein Luxury Activity Vehicle mit der Performance eines Supersportwagens“, sagt Perschke, „auch ein GT hat eine hohe Tradition bei Pininfarina. Das ist ein Segment, das wir uns anschauen.“
Ganz genau hinschauen wird Christian Jung. Der CTO war der Mastermind des Porsche Taycan und erfüllt nun die elektrischen Hypercar-Träume bei seinem neuen Arbeitgeber.

„Die Branche wartet darauf, dass jemand Innovationen bringt und nicht immer nur drei PS mehr. Was wir machen, ist nicht Evolution, sondern Revolution“, sagt der oberste Revolutionär von Automobili Pininfarina, der sein Unternehmen schon vor dem Produktionsstart weit mehr als nur adelt: „Wir sind der Chateau Laffite Rothschild oder der Armani der Automobilindustrie.“

Über den Autor

Thomas Flehmer

Der diplomierte Religionspädagoge arbeitete neben seiner Tätigkeit als Gemeindereferent einer katholischen Kirchengemeinde in Berlin in der Sportredaktion der dpa. Anfang des Jahrtausends wechselte er zur Netzeitung. Seine Spezialgebiete waren die Fußball-Nationalelf sowie der Wintersport. Ab 2004 kam noch das Autoressort hinzu, ehe er 2006 die Autogazette mitgründete. Seit Beginn 2018 ist er als freier Journalist unterwegs.

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