Die deutsche Alpenstraße soll Vorreiter in Sachen nachhaltigem Alpen-Tourismus werden. Wir haben auf ihr einen Roadtrip mit dem Renault Megane E-Tech unternommen.
Von Andreas Haslauer
„Nicht! Mit! Mir!“, dachte sich Johannes Lichtmannegger, als er das Hoteliers-Treffen in München im November 2012 verließ. Damals, so erinnert sich der Chef des Berg-Hotels „Rehlegg“ in Berchtesgaden, gab es einen Vortrag über die „Turbo-Schweinemast“. Ein Bauer rühmte sich damit, dass mit seiner Züchtungsart die Tiere binnen 20 Wochen vom süßen Ferkelchen bis hin zum 100-Kilo- Monstrum explodierten.
Lichtmannegger ist ein Bayer, der nicht zaudert, sondern handelt. „Ich habe allen Zulieferern gesagt, dass die Zeiten, in denen Tiere noch leben mussten und sterben durften, vorbei sind“, so der Rehlegg-Chef. Er kaufe künftig nur noch Tiere, die „leben dürfen und sterben müssen“.
Lichtmannegger reichte die Umstellung nicht aus, ließ in seinem Berg-Hotel keinen Stein auf dem anderen. Der Nachhaltigkeits-Fanatiker baute Photovoltaik-Anlagen auf sein Dach, investierte in Block-Heizkraftwerke. „86 Prozent unserer elektrischen Energie erzeugen wir selbst“, sagt Lichtmannegger.
Ambitionierte Ziele für die Alpenstraße
Ähnlich ambitionierte Ziele hat auch die Deutsche Alpenstraße, die von Lindau am Bodensee, dem schwäbischen Meer, bis hin zum Königsee in Berchtesgaden, dem bayerischen Fjord, geht. „Unser Ziel ist klar“, sagt Oswald Pehel, Vorstand des „Bayerischen Fernwege e.V.“, die Alpenstraße soll „zu einem der zehn schönsten Straßen auf der Welt werden.“ Pehel setzt voll auf die Karte E-Mobilität, damit die Alpenstraße ein Vorreiter in Sachen zukunftsfähiger und nachhaltiger Alpen-Tourismus wird. „Ich bin fest davon überzeugt, dass wir mit der E-Alpenstraße als das ‚Best Practice-Beispiel‘ schlechthin für Elektromobilität in Urlaubsregionen in Europa werden“, sagt Pehel.
Pehel hat die (klimatechnischen) Zeichen der Zeit erkannt. Der Normalweg auf den Mont Blanc ist faktisch gesperrt, der Weg auf die Jungfrau unbezwingbar – und auf dem Marmolata-Gletscher sind im Sommer elf Menschen gestorben. Eine Lösung hat Pehel: 400 Ladestationen entlang der Alpenstraße und noch mehr Leih-Stationen für E-Autos. Pehels Ziel: sowohl der Schadstoff- als auch Geräusche-Lärm soll massiv reduziert werden. Das Besondere an der Alpenstraße, die einst vom Bayerischen König Maximilian II. entdeckt wurde, ist, dass sich diese nachhaltigen Ziele nahtlos in die Region durch die sie führt einfügen: viele Restaurants, Hotels, Unternehmen setzten hier nämlich traditionell auf
Nachhaltigkeit und Entschleunigung
Ob das wirklich alles so stimmt? Das wollen wir auf einem vollelektrischen Roadtrip auf dem oberbayrischen Streckenabschnitt der Alpenstraße selbst überprüfen. Wir fahren die Strecke von Garmisch-Patenkirchen nach Berchtesgaden mit dem Renault Megane E-Tech Electric ab. Unser Fazit: Der König würde auf die Elektropower von Renault umsatteln!
Oder wie es Renault-Chef Luca de Meo sagt: „Wir wollen die Menschen im großen Stil zum Umsteigen bewegen.“ Zudem sind wir überrascht, was der Renault für einen Wumms hat. „Unser Konzept bestand darin, einen GTI unter den Elektroautos zu schaffen“, erklärt Chef-Ingenieur Oliver Brosse. Aha!
Optimale Planung
Mit der Routenberechnung, welche in die Navigation des Fahrzeuges integriert ist, gelingt es uns optimal zu planen, wo wir unseren schicken roten Renault wieder mit Strom versorgen können. Hierbei wird sowohl Akkustand als auch Fahrverhalten mühelos vom Fahrzeug mit einkalkuliert. Die Zeit, in denen er an der Ladesäule hängt, nutzen wir, indem wir uns Sehenswürdigkeiten ansehen. Laden „on the go“ ist hier wirklich Realität.
Mit seinem 22-kW-Bordlader ist bei dem Modell mit der großen Batterie eine Vollladung in gut drei Stunden realistisch. Am DC-Kabel saugt der Renault mit mindestens 85 kW, optional mit 130 kW, so dass im Idealfall nach 42 Minuten wieder 80 Prozent der Nennkapazität im Speicher sind.
Entspannt durch die oberbayerischen Alpen
Reichweitenangst ist dank der flächendeckenden Ladeinfrastruktur entlang der deutschen Alpenstraße und den Fähigkeiten des Fahrzeuges also nicht vorhanden. Entspanntes Reisen auf der wunderschönen Strecke durch die oberbayrischen Alpen dafür um so mehr.
Der erste Tag unseres Roadtrips führt uns von Oberammergau nach Garmisch, dann zum Walchensee, Tegernsee und vor dem Schliersee halten wir an. Der Halt soll hochprozentig sein, schließlich begutachten wir die Erlebnis-Destillerie Lantenhammer in Hausham. Knapp acht Millionen Euro setzt Lantenhammer-Chef Tobias Maier mit seinen Bränden und Gins um. Das Ziel, die Zehn-Prozent-Schwelle mit Bio-Obst umzusetzen, hat Maier früher als avisiert erreicht. Damit gibt sich Maier, der seit 2019 die Bio-Zertifizierung in der Tasche hat, nicht zufrieden.
Am nächsten Tag geht es weiter Richtung Chiemsee. In Riederingen, Kreis Rosenheim, treffen wir Veronika „Vroni“ Siflinger-Lutz, die das Restaurant Stuerzer betreibt. Früher war die 39-jährige Profi-Schwimmerin, heute kocht sie unter anderem im Fernsehen. Zwei Staffeln von „Vronis Lieblingsschmankerl“ hat sie bereits abgedreht, nun kommt ihr neues Buch „Kochen mit Vroni“ heraus.
Treffen am Chiemsee
Wir treffen die Dreifach-Mutter um fünf in der Früh zusammen mit Thomas Lex, dem Vorsitzenden der Fischereivereinigung, am Chiemsee. Der 66-jährige Fischereimeister betreibt seinen Beruf in der fünften Generation, die sechste ist mit an Bord: die 30-jährigen Zwillinge Florian und Tassilo. Die drei Insulaner zeigen der Vroni wie man richtig viel fischt. „Uns ist bei allem, was wir hier machen, die Nachhaltigkeit am wichtigsten“, erklärt Tassilo.
Mit Nachhaltigkeit meint der Fischwirt Netze mit maximal 37 Millimeter breiten Maschen. Darin verfangen sich die Renken. „Es gehen aber nur diejenigen ins Netz, die mindestens vier, fünf Jahre alt sind.“ Das bedeutet: Die Renken haben bereits mindestens zweimal gelaicht und dabei jeweils rund 8.000 Eier abgeworfen. Damit gewährleistet ist, dass weiterhin noch genügend Renken im Chiemsee siedeln, setzt die Gemeinschaft Baby-Renken im Wert von einer halben Million Euro im See aus. Somit haben es die Renken, die am Nachmittag bei Vroni als „Backfisch“ auf dem Teller landen, nur zehn Kilometer weit.
Fleisch aus der Region
Nicht weit haben es auch die Lebensmittel bei unserer nächsten Station: Das edle Naturhotel Gut Steinbach, in Reit im Winkl. 80:80 ist das Motto von Küchenchef Achim Hack. „Das bedeutet: das Fleisch und das Gemüse kommen zu 80 Prozent aus maximal 80 Kilometern Entfernung“, erklärt Hack. Einige Lebensmittel wie Kräuter und Blüten haben einen noch kürzeren Weg. Sie müssen nur vom Vorgarten bis in die Küche Hacks finden. Die Gaumen-Jurys sind von Hacks Speisen begeistert. Erneut wurde er mit dem „Grünen Stern“ von Michelin ausgezeichnet.
Hack ist nicht alleine. Rückendeckung erhält er von Klaus Graf von Moltke, dem Eigentümer des Relais & Château-Hotels. 2010 bekam er das Anwesen angeboten und baute es zu einem Nachhaltigkeits-Tempel um. Was ihm wichtig ist? Das steht in den Stuben auf den Borden: „Heimat, Brauchtum, Geborgenheit, Kindheitserinnerungen, Stabilität, Zusammenhalt“. Dem 67-jährigen Strategen, der in seiner grünen Jacke und seiner karierten Hose wie ein fesches Best Ager-Model aus einem Frankonia-Katalog aussieht, ist ein Verfechter der Bodenständigkeit. „In unserer stressigen Welt“, so der Graf, „bleibt die Gewöhnlichkeit auf der Strecke“. Er selbst nennt sich einen „Werteanbieter“.
Er liebt die Prozessoptimierung. Er möchte besser werden im besser werden. Und deshalb werden in den Landhaus-Chalets nur Hölzer aus der Umgebung verwendet, bei dem Teich verzichtete er bewusst auf eine Teichfolie und Beton, sondern setzt auf eine versiegelte Tonschicht. Das Wasser wiederum stamme aus einer Quelle, die nur ein paar Hundert Meter vom Gut Steinbach entfernt ist. Unweit steht auch das Biomasse-Heizkraftwerk. „Die Anlage versorgt unser Gut nicht nur mit regional erzeugter Energie, sondern spart uns auch mehr als drei Millionen Liter Heizöl im Jahr ein“, rechnet von Moltke vor. Dies besprechen Stefan und ich in der warmen Stube des Nachhaltigkeits-Tempels bei dem einen oder anderen guten Glas Muskateller aus der Steiermark.
Freuen auf die Weißwürste
Zugegeben: am nächsten Tag kommen wir ein wenig später aus den Federn, weswegen wir unseren Termin mit Johannes Lichtmannegger etwas nach hinten verschieben müssen. Wir stressen uns jedoch nicht, surren mit unserem E-Megane entspannt auf der ältesten Ferienstraße Deutschlands entlang. Als wir in Ramsau ankommen, stehen die Weißwürste und der Kaffee vom Dinzler (der bekannteste klimaneutrale Röster Deutschlands) auf dem Tisch.
Ähnlich wie der adelige Werteanbieter hat Hotel-Chef Lichtmannegger alles unternommen um seine ehrgeizigen Ziele zu verfolgen. 39 Prozent weniger Müll als durchschnittlich aller Hotels würde im „Rehlegg“ anfallen. Einen Gegenwert von 150.000 Liter Öl im Jahr hätte sich das Rehlegg durch Energie-Effizienz-Maßnahmen und den Einsatz von Photovoltaik- und Solarthermie-Anlagen gespart.
Kein Wunder, dass Lichtmannegger große Fans hat. Und kleine. Die sind zwischen drei und fünf und trudeln jeden Tag im Kindergarten Ramsau ein. Lichtmannegger beliefert jeden Mittwochvormittag bald wieder die Lenis und Emils. Sie kommen in den Genuss des Bio-Apfelsaftes von Stadler und der Brezn von der Bäckerei Niedermayer. Einziger Haken: es soll schon vorgekommen sein, dass sich einige Elternteile gestritten hätten, wer denn nun von den beiden am Mittwoch die Kids im Kindergarten abgibt. „Eines ist sicher“, sagt Lichtmannegger. „Die Kinder können niemals so viel essen wie wir jede Woche dorthin liefern“, sagt der Gutmensch. Und grinst zufrieden.