Mobilität

„Ohne Verantwortung gibt es keine Freiheit“

Schränken neue Mobilitätsformen unsere Freiheit ein? Illustration Adrian Bauer

Der Klimawandel schreitet unverändert voran. Dem entgegen zu wirken, fällt auch in die Verantwortung jedes Einzelnen Doch allein die Diskussion um ein Tempolimit zeigt, wie sehr ein solches Thema die Gemüter erhitzt.

Verantwortung beispielsweise durch ein verändertes Mobilitätsverhalten für die Umwelt zu übernehmen, wird von vielen als Einschränkung ihrer mobilen Freiheit angesehen. Doch ist dem so? Schließen sich Verantwortung und Freiheit aus?


Ein Gastbeitrag von Alexander Mankowsky*

Verantwortung versus Freiheit? Die einfachste (und richtige) Antwort ist: ohne Verantwortung gibt es keine Freiheit. Gegenseite Achtung des Lebens, der Menschenwürde und der Entfaltung der Persönlichkeit bieten den Rahmen für Freiheit der Einzelnen.

Im Straßenverkehr wird dies besonders deutlich: Planung von Verkehrswegen, öffentlicher Straßenbau, Versorgung mit Treibstoffen, sichere Fahrzeuge, Regelungen, Notfallvorsorge und zuletzt natürlich das Verhalten der Verkehrsteilnehmer zeugt von Verantwortung. Wir alle verhalten uns von Natur aus gerne ‘richtig’ – Das ‘Ziehen an einem Strang’ gilt als ein wesentlicher Grund für den Erfolg unserer Gattung.

Die kleine Schwester der Verantwortung ist die Rücksichtnahme, diese ist sogar in den Verkehrsregeln gefordert. Was jedoch ‘Verantwortung’ heißt, unterliegt Änderungen über die Zeit.

„Selbst DDT war ein Signum des Fortschritts“

Zukunftsforscher Alexander Mankowsky. Illustration: Adrian Bauer

Vor 50 Jahren war beispielsweise die Verklappung von Müll, sogar Giftmüll in den Ozeanen akzeptiert, es war markwirtschaftlich verantwortliches Verhalten. Die Kosten waren niedrig. Selbst der Zürichsee war in dieser Zeit vom Umkippen bedroht. Altöl wurde ohne schlechtes Gewissen im Garten oder über dem Straßengulli abgelassen. Vor knapp 100 Jahren wurde verbleites Benzin erfunden und wurde – da im Gegensatz zu Ethanol patentierbar – bis in die 1990er Jahre eingesetzt. Selbst DDT waren ein Signum des Fortschritts, die Zukunft gehörte dem Plastik. Damals waren diese Maßnahmen technisch innovativ, wirtschaftlich erfolgreich und damit „verantwortungsvoll“. Sich entsprechend zu verhalten war „richtig“.

Das entstehende Wirtschaftswunder schuf die Voraussetzungen automobiler Freiheit für den Einzelnen: Die Straßen waren neu, ordentlich in Spuren eingeteilt und Benzin reichlich vorhanden. Rimini lockte.

„Das planetare Thermostat steht auf Maximum“

Glücklicherweise konnten die ethischen Grundlagen für ein gedeihliches Zusammenleben weiterentwickelt und angewendet werden. Die Umweltverschmutzung wurde recht erfolgreich bekämpft, selbst verbleites Benzin wurde nach Auslaufen der Patente allmählich abgeschafft: der Bleigehalt im Blutkreislauf der Kinder sank.**

Es war eine kollektive Anstrengung, bei der auch der Einzelne sein Verhalten änderte. Wer heute Müll in den Garten wirft, empfindet es nicht als Freiheit, sondern spürt den Stich des schlechten Gewissens. Sein Auto vor dem Haus im Winter „warm laufen zu lassen“ ist rücksichtslos gegenüber den Nachbarn, das ist bekannt.

Mercedes-Benz ersetzte Lösungsmittel im Lack durch Wasser, verbaute Katalysatoren in der S-Klasse. Sogar die Motorleistung durfte fallen. Der Auspuff wurde dezent verborgen – Autofahren sollte Freude machen, ohne die Umwelt zu belasten. Klimawandel ist jedoch anders als es Umweltverschmutzung und -vergiftung war. CO2 ist unsichtbar, stinkt nicht und ist nicht giftig. Es regelt einfach unauffällig die Temperatur unseres Planeten. Viel CO2 hält Sonnenwärme drinnen, wenig CO2 lässt sie heraus.

Das planetare Thermostat steht nun auf Maximum, wie inzwischen jeder wissen sollte. Das Thermostat muss wieder in die Normalstellung gebracht werden. Die Lösung dieser Aufgabe liegt in der Verantwortung der Weltgesellschaft sich selbst und der ganzen Biosphäre gegenüber.

Für den Straßenverkehr bedeutet dies eine Wende hin zu elektrifizierten Fahrzeugen. Öffentliche Güter – wie etwa die Infrastruktur zum Laden – muss in der richtigen Kapazität geplant und aufgebaut, die Stromerzeugung umgestellt werden. Kommunen müssen Raum zum „Ladeparken“ schaffen, Architekten einladende Baulichkeiten entwerfen. Die beliebten Garagen der Einfamilienhäuser befreien vom wöchentlichen Besuch der Pendler-Tankstelle. Manche werden lade-autark werden, die eigenen Solarzellen zur Energieerzeugung nutzen. Selbst kürzeste Kurzfahrten, beispielsweise bei Einschränkung der Bewegungsfähigkeit, sind technisch problemlos möglich. Der Bus vor der Tür wird sehr viel leiser, wie auch der Lieferdienst der Post.

Allein die Umstellung auf elektrifizierte Antriebe und die Umstellung auf CO2-neutrale Produktion – wie bei Daimler bis 2022 in Europa bereits vorgesehen – kann die individuelle Freiheit, die das Automobil bietet, in die Zukunft hinein sichern.

Verantwortung und Freiheit widersprechen sich auch in diesem Falle nicht.

*Alexander Mankowsky, Futurist, Mercedes-Benz AG, Geboren 1957 in Berlin, hat an der FU Berlin Soziologie, Philosophie und Psychologie studiert. Er war Einzelfallhelfer für benachteiligte Kinder und Jugendliche, Knowledge Engineer für Expertensysteme in Lisp und Prolog, Trendforscher und ist aktuell Futurist – manche sagen auch Mobilitäts-Philosoph – in der Mercedes-Benz Forschung. Für Alexander Mankowsky steht die Entwicklung von wünsch- und machbaren Zukunftsentwürfen im Zentrum seiner Arbeit

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