Es gibt Architekten. Und es gibt Stefan Schramm. Der Baumeister plant Lofts in Kitzbühel und Bahnhöfe in Potsdam. Eines ist dem Mann wichtig: Nachhaltigkeit.
Von Andreas Haslauer
Stefan Schramm ist ein Mensch, der nicht so viel redet. Sondern handelt. Und zwar schon als Achtjähriger. „Mama, mach mal bitte ein Bild von mir und dem alten Porsche 356“, sagte der kleine Knirps zu seiner Mutter. Das war im Jahr 1979 bei einer Oldtimer-Show am Nürburgring.
Fortan nervte der gebürtige Rheinländer seine Eltern, dass er doch endlich auch mal „so ein altes Auto“ zum Restaurieren haben möchte. „Stefan, was willst Du mit einem Auto? Du hast ja nicht mal einen Führerschein“, antwortete Papa Werner, ein Werkzeugmacher. Irgendwann waren seine Eltern mürbe und kauften der Nervensäge mit 15 einen schrottreifen VW-Käfer aus dem Jahr 1954 mit Faltdach. Die Motortechnik, das Schweißen, Bleche biegen, Lackieren und Polstern brachte er sich selbst bei – und das in einem Zeitalter ganz ohne YouTube-Videos.
„PS waren wir schon immer egal“
„Im Vergleich zu anderen Jungs“, sagt Stefan Schramm heute, „waren mir die PS schon immer egal“. Ihn interessierte nur das „Formschöne“ der historischen Autos, deren Eleganz, das Puristische und die Liebe zum Detail. Daher war es nur logisch, dass Schramm nach dem Abitur erst einmal mit dem Auto durch Amerika reiste und dann eine Ausbildung zum Oldtimer-Restaurator machte.
Schramm wollte jedoch mehr. Und was passt zu einem Menschen, der schnörkellose Projekte, schöne Details und puristische Formen liebt? Natürlich Architektur! Dies studierte der Rheinländer in Köln und in Barcelona an der „Universitat Politècnica de Catalunya“. Schramm wäre aber nicht Schramm, wenn er während des Studiums so wie andere gewesen wäre. Bereits im zweiten Semester machte er sich mit seiner eigenen Beratungsfirma selbständig, drei Semester später hatte er bereits fünf Festangestellte. Darunter waren ein fertiger Ingenieur und ein Architekt. Die waren erforderlich um die nötige offizielle Unterschrift auf Schramms Entwürfe zu setzen, bis er selbst in der Architektenkammer eingetragen wurde.
Jedes Gebäude im Blick
Einziger Haken: die Menschen, die für Schramm arbeiteten, gingen ihrem Job nach, machten Dienst nach Vorschrift. „Ich kann das bis heute nicht“, gesteht Schramm. „Architektur lebt man. Und ich lebe Architektur jeden Tag.“ Wann immer er auf Reisen ist, kann Schramm seinen Kopf nicht ausschalten. Er screent jedes Gebäude, jede Kaffeetasse. Eigentlich alles und überlegt dabei, wie man es verbessern und optimieren kann.
Nach dem Umzug nach München lernte Schramm seine Frau Kati kennen. Als sich dann vor sechs Jahren das dritte Kind ankündigte, beschlossen die beiden mit der Familie und der Arbeit ins Voralpenland zu ziehen. „So sind wir näher an der Natur, haben mehr Lebensqualität und ich kann dort meine Passion an der Architektur am besten leben und mein Denken anderen erklären“. Erst meldeten sie ihre Kinder von der Schule und Kindergarten ab, dann reduzierten sie Hab und Gut und zogen in ein möbliertes Haus nach Eglfing bei Murnau. Ihr Ziel: ein Grundstück finden und auf dem Land bauen. Fündig wurden sie in Aidling, das zu Garmisch-Partenkirchen gehört.
Tagelang streunte Stefan Schramm auf dem Grundstück herum, kletterte auf Dächer und umliegende Hügel. Der Kölner kam zu jeder Tages- und Nachtzeit vorbei, ließ Drohnen steigen. Ein Jahr später rollten die Bagger auf dem 1300 Quadratmeter großen Torf-Grundstück – das so fluffig wie Blumenerde ist – an und rammten 45 gut 10 m lange Stahlrohre in den Boden. „Wenn Sie so wollen“, sagt Schramm, „steht unser Arbeits- und Wohnhaus auf Stelzen“. Freunde und Kunden, bei denen Schramm nicht groß unterscheidet, sind von seinem Haus ganz begeistert.
Nachhaltigkeit auf der Agenda ganz oben
Nachhaltigkeit stand bei dem Bau ganz oben auf Schramms Agenda. Das Dach ist mit hunderten von alten, zu Fasern recycelten Kaffeesäcken gedämmt. Geheizt wird die Bude durch Erdwärme, die aus mehr als 100 Meter unter der Erde kommt. Und der Kalkstein, aus dem die Kochinsel und die Dusche sind, wurde nicht über hunderte von Kilometern aus Italien importiert, sondern stammt aus Bavaria.
Und was ist mit der Energie, die für den Bio-Pool verschwendet wird? „Es geht keine Energie verloren“, sagt Schramm, weil der Pool keine Heizung hat. Das, was bei Instagram der Hit ist, Eisbaden, ist bei Familie Schramm Alltag. Neben der Energie aus dem Boden wird Schramm auch die Energie von der Sonne einsetzen. Die Fensterläden werden Photovoltaik als Oberfläche haben. Last but not least ziert das Haus 80 Jahre altes Fichtenholz. Dieses stammt aus dem über 150 Jahre alten Stadl, der in Teilen auf dem Grundstück stand. Der Stadl wurde wie sein VW-Käfer zerlegt, das Holz getrocknet, gebürstet und schmückt nun die Hausfassade. Somit ist Schramms Haus nicht nur ein Wohnhaus, sondern Büro und Showroom zugleich.
Tätig in ganz Deutschland
Gut ein Dutzend freiberufliche Mitarbeiter beschäftigt Schramm im Schnitt für seine Projekte. Das geht von Lofts in Deutschlands Hauptstadt, Chalets in Kitzbühel, Gründerzeit-Villen in Berlin oder Köln bis hin zu einem Bahnhof aus der Kaiserzeit in der Nähe von Potsdam, der zu einem Coworking-Space umgebaut wird. In vielen Fällen ist Schramm für seine Kunden die erste Adresse in Deutschland.
Als einer der wenigen Architekten hat er den Vorteil, dass er weiß, wie Handwerker ticken und wie geschraubt, gehämmert und gesägt wird. Die Schalter bei seinem Herd hat der Hobby-Segler beispielsweise, der auch ein Haus in Kroatien besitzt, aus dem Schiffbau eingesetzt. „Das sind eigentlich Lichtschalter“, erklärt Schramm. Diese hat er zu Mengenreglern umgebaut und in den 3,50 Meter X 1,60 Meter riesigen Küchenblock eingebaut.
Vertrauen der Kunden
Und ist er mal seiner Espressosiebträgermaschine nicht so zufrieden, bestellt er irgendwelche Ersatzteile. Diese werden dann, nachdem Schramm die Maschine mal wieder komplett zerlegt hat, auf den neuesten Stand gebracht. Made in Aidling halt! Kein Wunder, dass die Kunden Schramm vertrauen. Einmal, so erinnert er sich, habe er eine Villa umbauen dürfen. „Hier ist der Schlüssel“, sagte die Hausherrin zu Schramm. „In 18 Monaten sind wir wieder da, Sie machen das ja!“. Really? Die Hausherrin wollte nur grob über die einzelnen Schritte informiert werden. „Das einzige, was sie interessierte, war das Ergebnis“.
Und was interessiert Schramm neben seiner Architektur? Oldtimer. Jahrelang war er auf der Suche nach dem Porsche, den er als kleiner Knirps auf dem Nürburgring sah. Diesen Wunsch hat er sich erfüllt, steht als Wertanlage in einer Scheune. Wasser predigen und Wein trinken gehe nicht, erklärt er seinen Kindern immer. Und deswegen steht ein E-Auto vor der Türe, Mercedes EQC 400.