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Porsche Digital Lab: Wo Zukunft gedacht wird

Porsche will zum führenden Anbieter von digitalen Mobilitätslösungen im Premiumsegment werden. Dazu treibt das Unternehmen die digitale Transformation voran. In Berlin leistet sich Porsche dafür ein Innovationslabor: das Porsche Digital Lab.

Die Räume sind offen und lichtdurchflutet. Einzelbüros sind Fehlanzeige – auch nicht für die Chefs. Wer Ruhe und Abgeschiedenheit braucht, zieht sich in die „Sauna“ zurück, einem mitten im Raum stehenden Holzverschlag. An den Wänden und Glasscheiben hängen Dutzende Post-its verschiedener Farben mit Ideen und zu erledigenden Aufgaben.


Direkt im Eingangsbereich, der in eine offene Küche mit einem großen Tisch führt, steht in der Ecke eine Holzpalette mit Nerf-Pistolen. Es ist ein Überbleibsel vom Geburtstag eines Mitarbeiters. Wer sich den ganzen Tag Gedanken über die digitale Transformation macht, der braucht auch einen körperlichen Ausgleich. Obwohl im Porsche Digital Lab, der digitalen Denkfabrik des Stuttgarter Autobauers, über die digitale Zukunft nachgedacht wird, mutet das meiste hier ziemlich analog an.

Sitz im hippen Friedrichshain

Das Lab hat seinen Sitz in der Stralauer Allee 12 im hippen Berliner Szeneviertel Friedrichshain-Kreuzberg. Von der Dachterrasse und den Büros hat man einen Blick auf den „Molecule Man“ des Bildhauers Jonathan Borofsky. Die Drei-Personen-Skulptur steht mitten in der Spree zwischen Oberbaum- und Elsenbrücke.

Der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg ist bundesweit nicht nur durch seine Kneipen- und Clubdichte bekannt, sondern hat sich mittlerweile auch durch seine Start-Up-Szene einen Namen gemacht. Auch der Internet-Gigant Google wollte in Kreuzberg seinen Innovationscampus errichten: Nach Protesten von Nachbarschaftsaktivisten hat man sich von diesem Plan indes verabschiedet.

25 Mitarbeiter in Berlin

Doch auch ohne Google gibt es genug kreative Köpfe im Bezirk, ein Umstand, der für die Standortwahl des Porsche Labs wichtig war. „Für uns ist dieser Austausch mit anderen Innovatoren und unserem Ökosystem enorm wichtig“, sagt Patricia Rennert, Senior Managerin für den Bereich Internet der Dinge (IOT). Mit ihrem beruflichen Hintergrund gehört Rennert zu den Mitarbeiterinnen, die als „Übersetzerin für On-Going-Projekte“ fungiert, wie die studierte Wirtschafts-Ingenieurin sagt. So ist Rennert eine Frau der Praxis, sie kennt die Produktionsabläufe nicht nur als ehemalige Assistentin des Produktionsvorstandes, sondern auch als Mitarbeiterin im Porsche-Werk Leipzig. Dort hat sie die Montagelinie verantwortet.

In Berlin beschäftigt sich derzeit ein internationales Team von 25 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern neben IOT auch mit Industrie 4.0, Blockchain, Quantum Computing und Künstlicher Intelligenz (KI). „Auch wenn wir sämtliche genannten Technologien betrachten, steht die künstliche Intelligenz bei uns derzeit im Fokus der Arbeit“, berichtet Rennert.

Unternehmensprozesse effizienter gestalten

Visionen: Im Porsche Digi Lab soll die Zukunft gedacht werden. Foto: Markus Altmann

Warum gerade KI? „Weil momentan in diesem Bereich Fragestellungen in der Porsche AG und ihren Tochtergesellschaften bestehen. Wir versuchen, darauf eine technologiebasierte Antwort zu geben“, erklärt Rennert. Bei diesen Fragestellungen gehe es zumeist darum, Unternehmensprozesse durch die Möglichkeiten der Digitalisierung effizienter, ergonomischer und nachhaltiger zu gestalten.

Dem Nachhaltigkeitsaspekt komme eine besondere Bedeutung zu, wie Rennert betont. So mache man sich beispielsweise Gedanken darüber, woher das Leder für den Innenraum eines Porsche kommt. Zwar gebe es bereits formulierte Nachhaltigkeitskriterien für die Lieferanten, „doch wir wollen da größer denken, neue Ansätze verfolgen“, berichtet Rennert. „Dazu nutzen wir Blockchain, um festzustellen, wo die Kuh tatsächlich herkommt. Stand sie beengt im Stall oder lief sie frei auf der Weide herum?“

Durch die Nutzung der Blockchain-Technologie sei es möglich, einen lückenlosen Herkunftsnachweis des Leders zu dokumentieren. „So können wir eine lückenlose und unverfälschbare Verknüpfung mit den Farmern, den Schlachthöfen oder den Gerbern herstellen. Dadurch sei es möglich zu überprüfen, ob sich der Lieferant an alle von uns geforderten Regularien hält.“ Wie Rennert berichtet, befasse man sich mit diesem Thema bereits seit mehreren Monaten. Das Projekt habe zwar noch keine Marktreife, ist dem Konzeptstatus aber längst entwachsen.

Kunden unabhängiger machen

Wie die Ingenieurin berichtet, mache eine solche Blockchain-Technologie gerade auch mit Blick auf Ressourcen für Elektroautos wie beispielsweise Kobalt oder Lithium Sinn. Ein Aspekt, bei dem es auch um die Einhaltung von Menschrechten und Arbeitsbedingungen gehe. „Das ist ein Anwendungsfall, mit dem wir uns ebenfalls auseinandersetzen.“ Ein simpler Anwendungsfall seien aber auch Probe- und Testfahrten oder das Öffnen oder Schließen des Fahrzeuges für die Zustellung von Paketen in den Kofferraum. „Wir machen den Kunden so unabhängig von Öffnungszeiten der Händler“, erklärt Claudio Weck, der an diesem Projekt arbeitet.

„Wir haben nach Wegen gesucht, wie wir über eine digitale Struktur Rechte an dem Fahrzeug an Dritte vergeben können. Das kann beispielsweise über ein Smartphone oder eine Smartwatch geschehen. Im konkreten Fall könnte man so einem Paketdienstleister Zugang zum Fahrzeug gewähren. Ebenso sei damit auch Sharing möglich, wie Weck berichtet.

Blockchain mit hohem Energiebedarf

Claudio Weck und Patrica Rennert im Gespräch mit electrified-Redakteur Frank Mertens. Foto: Markus Altmann

Was sich zunächst eher banal anhört, ist indes hochkomplex. Denn über die zu Grunde liegende Blockchain-Technologie lassen sich verschiedene Parameter wie beispielsweise die Fahrdynamik beeinflussen, sagt Weck, der Informatik und Psychologie studiert hat. Derzeit arbeite man nach wie vor daran, das System zu optimieren, „denn die Technologie ist noch nicht so weit vorangeschritten, als dass man sie ohne Weiteres auf den Markt bringen kann“.

So gebe es bei Blockchains nach wie vor das Problem eines hohen Energieverbrauchs wegen der hohen Rechenleistung und der IT-Sicherheit. „Doch hier zeichnen sich Lösungen ab.“ Eine der größten Herausforderungen sei, dass es ein Umdenken geben muss. „In dezentralen Modellen hilft es nicht, dass wir bestehende Geschäftsprozesse versuchen eins-zu-eins umzusetzen, sondern wir müssen sie in einer vernetzten Welt denken.“, so Weck. „Es reicht nicht aus, einen Prozess bloß zu digitalisieren und ihn in die Blockchain zu schreiben. Die ganzen Auswirkungen müssen durchdacht und in die Entscheidungen einbezogen werden“, ergänzt Rennert. Genau dafür hat Porsche sein Digital Lab in Berlin. Hier wird die digitale Zukunft gedacht.

Über den Autor

Frank Mertens

Nach dem Sport- und Publizistikstudium hat er sein Handwerk in einer Nachrichtenagentur (ddp/ADN) gelernt. Danach war er jahrelang Sportjournalist und hat drei Olympische Spiele (Sydney, Salt Lake City, Athen) als Berichterstatter begleitet. Bereits damals interessierten ihn mehr die Hintergründe als das bloße Ergebnis. Seit 2005 berichtet er über die Autobranche. Neben der Autogazette verantwortet er auch den redaktionellen Teil des Magazins electrified.

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