Lifestyle

Stefan Bogner über seine Liebe zu Kurven

Der Fotograf Stefan Bogner ist ein Phänomen. Mit „Curves“ hat er ein Automobilmagazin erschaffen, das gänzlich ohne Automobilfotografie auskommt. Für electrified schreibt er über seine Liebe zu Kurven.

Von Stefan Bogner


Ein Automagazin ohne Autos. Das wäre doch was. Also fuhr ich nach Stuttgart. Zu Porsche. Der Sportwagenbauer war am Anfang jedoch skeptisch. Bis sie meine Idee erst verstanden: Bücher von Kurven und Pässen zu machen. Ich liebe Kurven einfach. Jede – wirklich jede – Kurve ist anders, auf ihre Art und Weise besonders. Jede Straße ist anders, jede Kurve ist anders, jede Landschaft ist anders. Das fasziniert mich bis heute jeden Tag.

Warum? Mich spricht so eine Kurve einfach mit allen Sinnen an. Und dieses Gefühl versuche ich in meinen Büchern weiterzugeben. So ging schon vor etlichen Jahren ein Traum in Erfüllung, als die Partnerschaft mit dem Stuttgarter Sportwagenbauer begann. Seitdem habe ich ca. 1 Million Bilder von Pässen und Kurven aufgenommen. Besonders beeindruckt hat mich Patagonien. Überall krächzt und ächzt der Gletscher neben der Straße. In diesem Moment wird mir immer bewusst, wie wir Menschen doch so unterlegen gegenüber der Natur sind. Und: Hinter jeder Kurve sieht man auch etwas Neues – im Leben geht‘s ja auch nie wirklich geradeaus. Der Bergsteiger Hans Kammerlander hat mal auf die Frage, was er von den Bergen gelernt hat, geantwortet: „Demut, Demut, Demut“.

„In dem Moment war ich Captain Kirk“

1000 PS – und damit unterwegs in den Bergen. Der Concept One von Rimac. Foto: Stefan Bogner

Da Reisen bekanntlich klimaschädlich sind, versuche ich so oft es geht mit E-Autos unterwegs zu sein. Mit ihnen erlebt man die Ruhe und Erhabenheit der Berge noch intensiver. An mein erstes Mal kann ich mich noch gut erinnern. Das muss so 2016 gewesen sein. Ich war bei einem Sportwagen-Treffen in der Schweiz. Und was steht da vor mir? Ein „Rimac Concept One“, den viele als den „schnellsten Sportwagen der Welt“ bezeichnen. 1.000 PS. So groß wie eine Seifenkiste. Gefühlt so schnell wie Lichtgeschwindigkeit. Als ich in das kleine Raumschiff zu dem Besitzer (es gibt nur sieben weltweit) eingestiegen bin, war mir klar, dass die Karre in Sachen Gewicht und Power überragend ist. Wir haben mit ihm die Pässe aber so dermaßen was von unsicher gemacht. Noch heute träume ich davon, wie ich im E-Geschoss den Grimselpass hochgeflogen bin. In dem Moment war ich Captain Kirk von Star Trek.

Und dann ist da noch die Sache mit der Rekuperation. Es grenzt an Zauberei, wenn beim Runterdüsen vom Gotthard oder Glockner ein großer Teil der Bremsenergie in die Batterie wieder zurückgespeist wird, ist jedoch reine Physik. Die kinetische Bremsenergie, so haben es mir mal die cleveren Ingenieure in Zuffenhausen erklärt, steigt quadratisch zur Geschwindigkeit. Heißt: Doppeltes Tempo, vierfache Rekuperation.

Stelvio, die Königin aller Passstraßen

Nehmen wir nur den Stelvio, die Königin aller Passstraßen. Wenn ich mit meinem Taycan auf das Stilfser Joch von allen drei Seiten hochfahre, kommen 120 Kilometer zusammen. Mehr noch: 4.300 Höhenmeter rauf, 4.300 Höhenmeter runter. Man könnte fast schon annehmen, dass diejenigen, die einst den Stelvio bauten, ihn nur für mich und meinen energierückgewinnenden Porsche gebaut hätten. Bei geschicktem Ausnutzen des Gefälles gelingt es so, einen Großteil der beim Hochfahren verbrauchten Energie wieder zurückzugewinnen.

Viele denken ja immer, dass es gar keinen Spaß macht, mit einem E-Auto die Pässe hochzufahren. Ich finde: Das! Gegenteil! Ist! Der! Fall! Was passiert denn, wenn mal nichts aus dem Auspuff röhrt? Ich sage es Ihnen: Es passiert der „Sound of Silence“, zu Deutsch: das Geräusch der absoluten Stille. Und um das soll es einem ja gehen. Die Wahrnehmung der Natur, der Schönheit – und vor allem der Ruhe. Denn wenn ich mit einem Elektroauto den Großglockner oder das Timmelsjoch hochfahre, dann kann ich das noch mehr sinnlich wahrnehmen als mit einem Benziner.

Wenn ich Berge sehe, löst das bei mir ein wohliges, angenehmes Gefühl aus“, sagte einmal Alpenrocker Hubert von Goisern. So ist es auch bei mir. Für mich sind die Berge wie ein Kaminfeuer. Ich kann stundenlang auf einen Berg schauen, es wird mir nie langweilig. Nie! Der Geruch, die Farben, die ständigen Wetter- und Witterungs-Änderungen begeistern mich. Sei es auf einem Berg hier irgendwo in unseren Alpen oder auch in Island und Patagonien. Sie ziehen mich, wenn Sie so wollen, magisch an. Strände hingegen langweilen mich maximal. Da passiert ja nix. Goisern, so sagt er es immer, fehlt bei Ländern wie Holland die dritte Dimension. „Ich habe gemerkt, dass mich eine vollkommen flache Landschaft depressiv macht. Ohne Berge werde ich auf Dauer schwermütig“, sagt er. Das verstehe ich. Wenn ich oben auf einem Pass stehe, kann ich mich um 360 Grad drehen, sehe immer etwas anders. Ich kann mich an diesen Dingern einfach nicht satt sehen. Das kann mir kein flaches Land bieten, weswegen ich die Goisern-Aussage genauso fühle, genauso spüre.

Nahezu Verzicht auf Drohnen

Kurven. Sie üben nicht nur auf Stefan Bogner eine Faszination aus. Foto: Stefan Bogner

Ich weiß leider nur gar nicht, auf wie vielen Pässen ich schon stand. Hunderte? Tausende? Ich weiß es nicht. Das Einzige, was ich weiß, ist, wie viele Bilder ich in den vergangenen elf Jahren für meine 20 Magazine und 19 Bücher gemacht habe. Es sind mehr als eine Million Bilder und vier Dutzend Helikopter-Flüge. Und wissen Sie, was dabei immer das mit Abstand schlimmste ist? Fünf Prozent der Bilder schaffen es in die Bücher, 95 Prozent muss ich aussortieren. Das tut mir jedes Mal im Herzen weh. Mein Verlag steigt mir immer aufs Dach, weil ich in jedes Buch noch mehr Bilder packen will, die Versandkosten dann in die Höhe schnellen würden, weil das Buch schwerer wird.

Eine Drohne wie andere verwende ich so gut wie nie. Denn: Drohnenbilder sind bis 100 Meter Höhe ganz okay, aber nicht perfekt. Das, was ich will, sind perfekte Bilder. Außerdem mache ich Aufnahmen, wie die vom Gotthardpass, da bin ich im Hubschrauber auf 3.000/4.000 Meter. Da bekomme ich auf einem Bild den ganzen Gotthard drauf, also von Airolo bis Andermatt. Mit einer Drohne kann ich hingegen nur einen Ausschnitt fotografieren, nie das Große und Ganze.

Pässen eine Plattform geben

Idylle in Winter: eine Straße schlängelt sich dem Berg hinauf. Foto: Stefan Bogner

Dabei erzähle ich immer Geschichten, mache nicht nur ein Bild. Wenn ich ein Buch über den Großglockner gestalte, dann wissen meine Leser danach alles über den jeweiligen Pass. Wirklich alles. Ich will den Pässen eine wunderschöne Plattform geben, nicht nur irgendwelche Klicks im Netz generieren. „Soulful driving“, nenne ich meine Philosophie. Jede und jeder sollte sich auf den Straßen in meinen Büchern wiederfinden, jede und jeder sollte das Gefühl bekommen, wenn er mein Magazin in den Händen hält: Da möchte ich hin! Die Bilder wecken Sehnsüchte. Der Mittlere Ring in München nicht.

Anders ist es, wenn die Menschen danach beispielsweise das Stilfser Joch – die Königin der Passstraßen – hochgefahren sind. Und dann gibt es noch die, die von der Architektur begeistert sind. So wie ich. Ich verneige mich voller Hochachtung und Respekt vor den Baumeistern, die uns diese Monumente in den Alpen geschenkt haben. Die haben das ja nicht gerade erst gebaut, sondern teilweise vor hunderten von Jahren. Das ist eine unglaubliche Meisterleistung, die man gar nicht genug einschätzen kann. Die Pässe sind für mich deshalb die „Pyramiden der Alpen“. Nur noch viel schöner und beeindruckender. Außerdem ist es mir in Ägypten sowieso immer viel zu heiß. Schrecklich. Ein Münchner wie ich bevorzugt gscheide Berge und eine Wohlfühl-Temperatur von geschmeidigen vier Grad. Und: Was ich meinen Bildern wie der Teufel das Weihwasser meide? Es gibt nichts Schlimmeres als Sonnenschein und blauer Himmel. Warum? So sind die Berge nicht. Sie sind wild, unberechenbar. Blauer Himmel ist für mich Worst-Case, der Supergau.

Im Porsche Tyacan über zugeschneite Pässe. Foto: Stefan Bogner

In München bin ich hingegen nur mit meinem E-Bike von Riese & Müller unterwegs. Mit dem Radl fahre ich in mein Design-Büro und zu Kundenterminen. Dafür habe ich extra so eine stylische Kiste an das Rad geschraubt. Dort kommen morgens Laptop und Handy rein, dann wird los geflitzt. Im Jahr komme ich so auf 2.000 Kilometer. Schließlich müssen wir uns alle um das Wohl und Wehe unseres Planeten kümmern. Allzu lange halte ich es in München jedoch nicht aus. Dann muss ich wieder raus. Raus zu meinen Pyramiden in den Alpen. Zu meinen Pässen. Und ich weiß auch schon wie. Vor der Türe wartet ein Porsche Taycan Turbo S. Das wird wie beim ersten Mal…

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