Lifestyle

Sebastian Steudtner: Surfsport ist Motorsport

Warten auf die Monsterwelle: Sebastian beim Test seines Surfbrettes. Foto: Jörg Mitter

Er ist der Bezwinger der Riesenwellen: Sebastian Steudtner. Der Surf-Profi will jedoch mehr. Dazu hat der gebürtige Schwabe mit Porsche und Schaeffler das Projekt „Mission Wave Alpha“ gegründet.

Von Andreas Haslauer


Absolut unsurfbar seien die Wellen von Nazaré, sagte Ross Clarke Jones. Die australische Surf-Legende konnte es sich einfach nicht vorstellen, dass irgendwann jemand diese riesigen Monster-Wellen an der portugiesischen Küste reiten könnte.

Dort, 120 Kilometer nördlich von Lissabon, zieht ein 5000 Meter langer und tiefer Canyon bis kurz vor „Praia do Norte“, dem Strand von Nazaré. Dann baut sich für die Riesen-Dinger, die bis zu 500.000 Tonnen wiegen, eine Steilwand auf. Dadurch schießt die Welle wie auf einem Katapult nach oben. Diese Meinung teilte die Surfwelt. Bis zum 29. Oktober 2020.

Porsche und Schaeffler als Partner gewonnen

An dem Tag surfte der Deutsche Sebastian Steudtner eine „Freak Wave“, also eine absolute Höllen-Welle. 26,21 Meter. Auf seinen Weltrekord ist der gebürtige Schwabe stolz. Er will jedoch noch höher hinaus.

Deshalb hat der Vorstandschef der Monsterwellen AG das Projekt „Mission Wave Alpha“ ins Leben gerufen. Steudtners Ziel: eine Welle jenseits der 50-Meter-Marke zu surfen. Mittlerweile sind fast 40 Leute an Bord: Ingenieure, Wissenschaftler, Jetski-Fahrer, Sicherheitsexperten, Ärzte und deutsche Vorzeige-Konzerne wie Porsche und Schaeffler. Porsche hat dem „Surf-Ingenieur“ ein Hochtechnologie-Surfbrett gebaut, Schaeffler optimierte die Oberfläche auf seinem Arbeitsgerät so, dass sein Brett deutlich weniger Widerstand auf dem Wasser haben wird.

„Zusammen heben wir das Big-Wave-Surfen auf eine ganz neue Stufe“, sagt Steudtner im Gespräch mit electrified. „Um diese Riesen-Wellen jenseits der bestehenden Weltrekord-Marke surfen zu können, brauche ich mehr Speed, mehr Kontrolle, mehr Stabilität. Und das habe ich nun“, so der Surf-Champ.

Drei Jetski im Einsatz

Sebastian Steudtner lässt sich mit Jetskis zur Welle bringen. Foto. Jörg Mitter

Mit bloßen Händen ist das alles nicht zu machen. Viele denken ja immer, dass die Jungs sich bei Sonnenuntergang romantisch in so eine Welle reinpaddeln. „Surfsport ist Motorsport“, so Steudtner. Um in die Alpen und in den Schnee zu kommen, braucht man ein Auto. Nicht anders sei es beim Surfen. Hä? Wieso das denn? Weil bei den Surfern jeder Tag anders ist.

Früher musste Steudtner jeden Tag aufs Neue seine Spots entlang der Küste mit seinem Porsche abfahren und schauen, wo er denn heute am besten surfen kann. Und wenn er dann endlich einen Spot gefunden hat, dann lässt er sich von den Jetskis in die Welle ziehen. Dafür braucht er aber nicht nur einen, sondern drei. Einer fährt ihn rein, zwei sichern ihn für den Ernstfall ab.

Porsche-Ingenieure waren begeistert

Und Porsche und Schaeffler? Mit der Vision, das Big-Wave-Surfen auf ein neues Level zu heben, kam der gebürtige Esslinger Ende 2020 auf den Zuffenhausener Autobauer zu. Die Ingenieure waren von seinem „Mission Wave Alpha Project“ sofort begeistert.
Gleich nach den ersten Meetings startete Marcus Schmelz, Projektleiter bei Porsche Engineering, mit der Arbeit. Zu Beginn untersuchte er, welche Voraussetzungen zum Surfen höherer Wellen gegeben sein müssen. Heraus kam: Das Surfbrett für Steudtner muss noch schneller, noch steifer und gleichzeitig gut manövrierbar sein.

Also baute der Mann von Porsche Engineering, die schon Aufträge für Motorräder für Harley-Davidson und Unterwasser-Spielzeuge wie den Seabob entwickelte, mit einer CFD-Analyse, das ist so etwas wie eine Computer-Simulation zur Visualisierung von Strömungen, vier Prototypen. „Mein Ziel war es, unsere fast 100-jährige Erfahrung aus der Fahrzeugentwicklung auf den Surfsport zu übertragen“, referiert der sympathische Porsche-Mann Schmelz mit dem doch sehr staubigen Titel „Fachreferent Gesamtfahrzeugerprobungen“.

Testen, testen, testen

Warten auf die Monsterwelle: Sebastian beim Test seines Surfbrettes. Foto: Jörg Mitter

Was heißt das genau? Schmelz testete und testete, so lange, bis Pep Guardiola, der Trainer von Champions League-Sieger Manchester City, zu Steudtners neuer Wasser-Waffe „Top-Top-Top-Brett“ sagen würde. Im Unternehmens-Slang des BVB-Fans Schmelz heißt es dann offiziell, dass mithilfe „neuer Simulationsmethoden und moderner Messtechnik im Windkanal die Haltung des Surfers und das Surfboard als ein gesamtes System im Wasser (Hydrodynamik) und in der Luft (Aerodynamik) optimiert wurde“. Auf deutsch: Steudtner wird mit seinem Surf-Geschoss so schnell auf den Wellen reiten wie kein Mensch zuvor.

Ein Autobauer aus dem Schwabenland wäre aber nicht Autobauer aus dem Schwabenland, wenn er seinem schwarz-gelben Monster-Brett (natürlich von BVB-Mann Schmelz) einen heroischen Namen geben würde. Dieses Mal ist aber nicht die „Seele eines jungen Pferdes“ (Taycan) entstanden, sondern ein Jäger geboren.

Mit höherem Tempo durch die Wellen

So zumindest heißt Steudtners Brett: „Caçador RS“, übersetzt „Jäger“. Waren früher auf seinem alten Surfbrett nur rund 70 /80 Sachen drin, so sind zukünftig bis zu 100 km/h möglich. „Das höhere Tempo ist nötig, um noch größere Wellen reiten zu können“, erklärt Hobby-Surfer Schmelz, dessen höchste Welle mal 1,50 Meter bei Test-Messungen war. Schmelz Rechnung ist klar: Je höher die Welle ist, desto schneller muss Steudtner sein, damit sie ihn nicht frisst, ihn nicht verschlingt. Steudtner soll ja nicht als Jäger-Pfanne enden.

Natürlich ließen es sich die Stuttgarter Speed-Junkies nicht nehmen, das Jäger-Brettl noch mehr zu pimpen. Also schraubten sie „Aero Edges“ auf das 1,80 Meter lange Surfbrett. Warum? Um den Luftwiderstand noch mehr zu reduzieren, das Board noch mehr zu stabilisieren. Eingefleischte Porsche-Fans kennen diese Spoiler natürlich. Die Aero Edges sind dafür da, um die Luftströmungen um das Board herum zu optimieren. Dass die Rechnung aufgeht, belegen eindrucksvoll die Aerodynamik-Tests mit dem Surf-Hero Steudtner im Porsche-Windkanal in Weissach.

Wichtige Erkenntnisse im Windkanal

Bringen wichtige Erkenntnisse: die Tests im Windkanal. Foto: Jörg Mitter

Dort fand Steudtner auch heraus, dass wenn er seine Position auf dem Brett verändert, er eine Windwiderstand-Reduktion von fast 17 Prozent erzielen kann. Ist das viel? Im Fahrzeugbau sprechen sie in der Regel schon bei drei oder vier Prozent von einem Quantensprung.

Sebastian Steudtner vor einem Porsche Taycan. Foto: Jörg Mitter

Insgesamt, so schätzt Porsche-Manager Schmelz, summiere sich das Reduktionspotenzial durch Steudtners neuer Standposition, den Spoilern als auch dem Brett selbst auf bis zu unglaubliche 25 Prozent. „Alles, was sich in der Luft befindet, untersuchten wir im Windkanal. Alles, was sich im Wasser befand, analysierten wir mit der CFD-Simulation“, ergänzt Dr. Jin Gong, Entwicklungsingenieurin bei Porsche Engineering. Bei den so genannten Computational Fluid Dynamics-Modellen hat sie alle Strömungsverläufe nachbilden und visualisieren können – und die Schlüsse daraus gezogen. Das Ergebnis: Dort, wo der meiste Energieverlust entsteht, besteht das größte Potenzial zur Optimierung. Basierend auf dieser Erkenntnis wurden die aero- und hydrodynamischen Anpassungen auf die Nase und das Heck des Surfbrettes fokussiert.

Nichts mit Hang Loose, stattdessen harte Arbeit

Und das ist der große Unterschied zwischen Steudtner und den Surfern, die auf Bali abhängen, jeden Abend sich ein paar Bier reinpfeifen. Während die meisten Surfer eher auf „Hang Loose“ eingestellt sind, sitzt Steudtner zusammen mit seinen Technologiepartnern in Videositzungen und bespricht, wie er dieses oder jenes optimieren kann. „Mir gefällt das Gefühl von Stillstand einfach nicht“, sagt der Super-Optimizer Steudtner. Er will einfach alles aus sich und seinem Material herausholen.

Unterstützung bekommt Steudtner von Professor Tim Hosenfeldt, Leiter Zentrale Technologien des Automobilzulieferers Schaeffler. Seine Aufgabenstellung war, eine Oberschicht zu finden, bei der Steudtners Surfbrett auf möglichst wenig Widerstand stößt und möglichst wenig Reibungsverluste erzeugt. Einfach ist das nicht. „Salzwasser ist ein anspruchsvoller Gegner“, so Hosenfeldt.

Oberflächenwiderstand des Brettes reduzieren

Also entwickelt er derzeit einen Lack, der extrem hydrophob (wassermeidend) ist. Das Ergebnis: „Wir haben ausgerechnet“, so der Experte, „dass wir den Oberflächen-Widerstand um bis zu 50 Prozent reduzieren können.“

Sebastian Steudtner kurz vor der Siegerehrung im vergangenen Jahr, als er in Nazaré einen neuen Weltrekord aufstellte. Foto. Jörg Mitter

Sollte die Riesen-Welle kommen, so stehen Steudtner und Porsche bereit. Eine Ewigkeit dauerte es, bis der Weltverband anhand von Videos und Bildern wie ein Viertklässler mit Geodreieck und Zirkel berechnete, wie hoch denn Steudtners Rekordwelle im Oktober 2020 wohl gewesen sei. Peinlich! Mit Porsche ist das nicht zu machen. Und deshalb arbeiten sie an einer 4,5 Kilo schweren und 80 Zentimeter großen Super-Drohne.

Porsche-Mann Schmelz: „Das Fluggerät ist mit einer Messtechnik bestückt, die jede seiner Wellen auf den Zentimeter erfassen soll.“ Habt ihr das gehört, lieber Weltsurfverband? Porsche kennt die Höhe von Steudtner in kurzer Zeit, braucht nicht wie ihr eineinhalb Jahre, um das auszurechnen! Die Sensoren der schwäbischen Super-Drohne kommen übrigens schon bei den Fahrerassistenzsystemen vom Cayenne, Panamera & Co. zum Einsatz. Was dazu wohl Ross Clarke Jones, die Surf-Legende, sagen wird?

Durch die weitere Nutzung der Seite stimmen Sie der Verwendung von Cookies zu. Weitere Informationen

Die Cookie-Einstellungen auf dieser Website sind auf "Cookies zulassen" eingestellt, um das beste Surferlebnis zu ermöglichen. Wenn Sie diese Website ohne Änderung der Cookie-Einstellungen verwenden oder auf "Akzeptieren" klicken, erklärst Sie sich damit einverstanden.

Schließen