Der Zulieferer ZF hat eine E-Achse für Lkw entwickelt. Bis auf den Akku sind dort alle Komponenten verbaut.
Einen Pkw auf E-Antrieb umzustellen ist vergleichsweise einfach. Zumindest wenn man den Vergleich zum Lkw zieht. Denn allein wegen des sehr viel höheren Gewichts benötigen elektrifizierte Lastwagen größere Speicher und Motoren mit deutlich mehr Drehmoment. Doch die Politik hat die Richtung vorgegeben und die ersten Elektro-Lkw sind auch schon unterwegs.
Ein Markt, den sich ZF nicht entgehen lassen möchte. E-Antriebe für Pkw bietet der Zulieferer schon länger an. Jetzt wird er verstärkt im Nutzfahrzeugbereich aktiv. Erst kürzlich präsentierte ZF eine leistungsstarke Antriebsachse für Baufahrzeuge. „Tatsächlich ist der Elektroantrieb im Off-Highway-Bereich ein wichtiges Thema“, sagt Bernd Kownatzki, der für Sonderfahrzeug-Antriebssysteme zuständige Vertriebsleiter. „Gerade auf Baustellen herrscht großer Bedarf an nachhaltigen, leistungsstarken und robusten Lösungen.“ Außerdem gelten für innerstädtische Baugruben mittlerweile strenge Emissions- und Lärmvorschriften – ebenso im Bergbau.
Das Besondere am ZF-Zentralantrieb ist sein integriertes Dreiganggetriebe. Während elektrische Pkw in der Regel keine Schaltung benötigen, ist ein Getriebe im Schwerlastverkehr sinnvoll. Im kurzen ersten Gang und dank der hohen Dauerleistung von 360 kW (490 PS) sowie bis zu 24.700 Nm Drehmoment lassen sich so steilste Hügel erklimmen. Die ZF-Lösung wiegt nur verhältnismäßig leichte 255 Kilo.
Spannungen von 450 bis 850 Volt
Jetzt ergänzt ZF das Portfolio um angetriebene Achsen für Straßen-Lkw und Busse. Als sogenannte One-Box-Lösung ersetzen sie Motor, Getriebe und konventionelle Achse in einem modularen, skalierbaren System. Das braucht nicht mehr Platz als eine konventionelle Achse, hat aber deutlich mehr Leistung und Drehmoment. Mithilfe eines Silizium-Karbid-Wechselrichters lassen sich Spannungen von 450 bis 850 Volt und bei Gleichstrom bis 520A realisieren. Der ölgekühlte Permanentmagnet-Synchronmotor bietet in der einfachen Stufe 210 kW (285 PS) Dauerleistung. Die Version AxTrax 2 Dual für schwere Nutzfahrzeuge mit zwei integrierten 800 Volt Siliziumkarbid-Wechselrichtern und zwei E-Motoren kommt dauerhaft auf 380 kW (517 PS) und fast 55.000 Nm Drehmoment.
Wie im Pkw führen solche Antriebe dazu, dass Hersteller das Design von Fahrzeugplattformen neu denken und etwa mehr Platz für die Batterien schaffen. Die ersten Achsen werden allerdings noch in herkömmlichen Lkw montiert und ersetzen deren Dieselmotoren. Während europäische und asiatische Hersteller in der Regel auf nur eine angetriebene Achse setzen, schwört der US-Markt auf den doppelten Achsantrieb. Der 6×4 hat durchaus Vorteile: Denn obwohl sich das Getriebe sehr geschmeidig durch die drei Gänge schaltet, sind in der Single-Achse die Schaltvorgänge ganz kurz spürbar. Anders im klassischen US-Fronthauber von Peterbilt, den ZF als Versuchsobjekt mit zwei Antriebsachsen ausrüstete: Das mächtige Gefährt beschleunigt kraftvoll und schaltet ohne jegliches Ruckeln. Wenn sich das erste Getriebe kurz ausklinkt, um den nächsten Gang einzulegen, übernimmt das zweite Getriebe – und umgekehrt.
Doch alle Antriebssysteme haben eines gemeinsam: Sie benötigen leistungsstarke Halbleiter. Um hier unabhängiger von Marktschwankungen und Krisen zu werden, will ZF zusammen mit dem US-Hersteller Wolfspeed in Franken eine Fabrik aufbauen. „Chips werden die neuen Zahnräder für ZF“, sagt CEO Holger Klein. „Jeder Fortschritt bei den Halbleitern bringt stärkere, effizientere Wechselrichter. Davon profitieren nicht nur Pkw, sondern auch die Nutzfahrzeuge.“ (SP-X)