Stimmt es wirklich, dass Elektroautos nur etwas für die Stadt sind? Wir sind dann mal mit dem Nissan Leaf die Berge gefahren.
Von Axel Tischer und Lina Grün (Fotos)
Wir wollten ausprobieren, ob die Reichweite des Nissan Leaf größer ist als die Geduld unserer dreijährigen Tochter. Und wird sind dabei Strecke noch im alten Leaf gefahren, sein Nachfolger bietet ja bekanntlich so viel Reichweite, dass es kaum noch Reichweitensorgen gibt.
Vorher: Wir wussten, dass das Thema Elektromobilität gerade immer relevanter wird. Aber einen “Zero Emission” Trip mit einem Elektroauto zu planen, fühlt sich sogar noch ein bisschen aufregender und besser an, wenn die Reputation des Verbrennungsmotors, allen voran des Diesels, im Land seiner Erfinder einen Tiefstand erreicht hat.
Mit dem Leaf in die Berge
Für unseren Trip haben wir uns einen Nissan Leaf ausgesucht. Es ist das meistverkaufte E-Auto der Welt. Auch nach kurzer Recherche im fortschrittsaffinen Freundeskreis hört man nur Gutes. Die Eckdaten zu Reichweite (250 km), Dynamik (in 3,7 Sekunden auf 50 km/h), Höchstgeschwindigkeit (144 km/H), Drehmoment (254 Nm) und Ausstattung (voll) klingen bei einem Preis ab mindestens 23.365 Euro gut. Der Platz reicht locker für drei Personen plus Gepäck und Buggy.
Mit dem Start in den bayerischen Alpen über’s Timmelsjoch nach Meran, Bozen, Brixen und über den Brenner zurück haben wir uns für eine Route entschieden, wie sie reizvoller kaum sein könnte. Und zwar sowohl was die Landschaft als auch die Herausforderungen an ein Elektroauto angeht. Denn Berge und Täler bedeuten unberechenbarere Reichweiten. Soviel haben wir schon verstanden. Es muss also vor Aufbruch sorgfältig recherchiert und gerechnet werden. Denn erstens haben wir auch “Zero” Erfahrung mit Batterieantrieben und ihren Eigenheiten, und zweitens wollen wir gleich am ersten Tag über einen der höchsten Alpenpass-Strassen Europas fahren. Weil’s schöner ist. Und weil das ja wohl nicht so kompliziert sein kann.
Ladebalken-Krimi: Fehlanzeige
Ist es aber. Bisher bedeutete mobil sein, dösig eine Tankanzeige beobachten und bei Bedarf an jeder Kurve Sprit bekommen. Jetzt versuchen wir anhand von Parametern wie 30kW Leistung, 3 / 7 / 11 oder 22 kW Wechsel- Dreh- oder Gleichstrom, CHAdeMo, Vehicle2Grid Ready und anderen Unbekannten einzuschätzen, wann und wo wir wie lange Pause machen dürfen beziehungsweise müssen.
Zur Orientierung gibt es vielversprechende Apps und mehr oder weniger funktionierende online Verzeichnisse für Ladestationen. Schwer einzuschätzen, ob die in der Praxis wirklich weiterhelfen. Das einzige was vor der Abfahrt ganz sicher ist: Um ein Elektrofahrzeug durch die Alpen zu bringen braucht es zuerst mal einen vollen IPhone-Akku und genug Datenvolumen.
Nachher: “Es kann sein, dass Sie ihr Ziel nicht erreichen” warnte die sonst so freundliche Dame vom Bordcomputer zwar immer mal wieder, aber unterm Strich musste sie sich keine allzu großen Sorgen machen. Unser niedrigster Ladestand war elf Prozent- mit einer (Haushalts-) Steckdose und einer geplanten Übernachtung in sicherer Entfernung. Ladebalken-Krimi: Fehlanzeige.
Doppelter Fahrspaß in den Bergen
Dafür bringen die großen E-Auto Vorteile in den Bergen doppelten Fahrspaß: Mit dem Schub von jederzeit verfügbaren 254 Nm (sprich: es liegt vom ersten Meter an) konnten wir die zahlreichen heubeladenen Trecker nach Belieben hinter uns lassen. Und weil wir dabei weder Lärm noch Abgase produzierten, blickten die glücklichen Kühe am Strassenrand weiterhin so glücklich beziehungsweise desinteressiert drein, als wären wir nie da gewesen.
Die Mission “Zero Emission” mit einem Leaf von den bayrischen in die italienischen Alpen war also erfolgreich. Auch weil der Wagen mit seinen 250 Kilometern Reichweite zu den aktuell langstreckentauglichsten Exemplaren gehört.
Probleme beim Zahlen
Uns war rätselhaft, warum es Wagen auf dem Markt gibt, die nach um die 100 Kilometer an die Säule müssen. Schon unsere Tour erforderte einiges an Ausdauer, Improvisationstalent und Pioniergeist. Denn der Marktanteil der e-Autos von unter einem (1) Prozent spiegelt sich 2017 ziemlich deutlich in der vertrackten Lade-Infrastruktur wieder. So konnten wir zum Beispiel in Bozen nach einer guten Stunde online Recherche zwar die passenden Stecker am richtigen Ort finden, den Strom aber mit herkömmlichen Zahlungsmitteln nicht bezahlen. Andererseits waren wir im Urlaub.
Dann ist auch mal was egal und man verbucht einen Umweg oder einer Zwangspause unter Entschleunigung. Dann fällt einem unter anderem auf, dass wir bei allen acht Tankstopps für die gut 800 Kilometer Gesamtstrecke zusammen auch dank gelegentlich an der Unterkunft kostenlosen Stroms genau 4,50 Euro bezahlt haben. Da ist auf der anderen Seite auch mal einen Speckknödel mehr drin. Auch die vielen Interaktionen entlang der Strecke waren eine schöne Begleiterscheinung der unperfekten Umstände auf die man vielleicht irgendwann mit nostalgischem Blick zurückschauen wird.
Ins Gespräch kommen
Menschen zeigten, wo immer wir nach einer Steckdose fragten echte Neugier und vor allem andere Besitzer von E-Autos begegneten uns mit großer Solidarität und Wohlwollen, dass man sonst unter Eltern oder Hundebesitzern kennt.
Viel war dann davon die Rede, dass das Ganze mit der E-Mobilität ja noch in den Kinderschuhen stecke, komme aber auf jeden Fall, ganz sicher. Sehen wir nach den sechs Tagen auch so. Das Netz der Ladestationen wird dichter und die Akkus werden immer größere Reichweiten möglich machen. Doch mit Nachfolger Nissan Leaf sind nach dem WLTP 415 Kilometer Reichweite drin. Damit wird die Fahrt in die Berge noch erholsamer. Wir werden es bei nächster Gelegenheit mit dem neuen Leaf mal ausprobieren.
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