Mobilität

Roboterautos: Heilsbringer oder Chaosstifter?

Bosch und Daimler starten ein Pilotprojekt fürs autonome Fahren. Foto: Daimler

Roboterautos versprechen nicht nur mehr Verkehrssicherheit, sondern auch weniger Staus. Ob sie letzteres halten können, ist aber mehr als ungewiss.

Einige Experten befürchten sogar noch größeres Chaos auf den Straßen. Die Idee mit den Roboterautos klingt für Stadtplaner zunächst einmal attraktiv. Die vernetzten Pkw fahren enger gestaffelt als es Menschen könnten, trödeln nie, wählen automatisch und in Echtzeit die verkehrsgünstigste Route und müssen am Zielort nicht umständlich nach einem Parkplatz suchen.


Am Ende läuft das auf eine Vision hinaus, wie man sie aus optimistischeren Science-Fiction-Szenarien kennt: Automatisierte Transportkapseln befördern ihre Passagiere effizient, blitzschnell und ohne Kollisionen durch die Metropolen der Zukunft.

Langsamer Einstieg ins autonome Fahren

Soweit die Theorie. Abgesehen davon, dass die Technik für ein derartiges Verkehrssystem noch nicht bereit steht, käme das Roboterauto nicht von heute auf morgen, sondern langsam und über Jahre. In diesem Zeitraum würden sich autonome und menschlich gesteuerte Fahrzeuge den Straßenraum teilen. Die Roboter müssten Rücksicht auf unvorhersehbare Manöver nehmen und sich vor allem buchstabengetreu an die Verkehrsregeln halten.

Eine Studie der Unternehmensberatung Arthur D. Little hat die Effekte dieses sogenannten Mischverkehrs am Beispiel einer realen Ampel beobachtet. Aktuell – noch ganz ohne Roboterfahrzeuge – passieren die Lichtzeichenanlage an der B3 nahe Frankfurt 43 Autos pro Grünphase. Wären nur noch autonome Pkw unterwegs, würden es 500 über die Kreuzung schaffen, bevor die Ampel wieder Rot zeigt. Das klappt allerdings nur, wenn alle Pkw eine Standardlänge von drei Metern hätten und der Abstand zwischen ihnen elektronisch geregelt konstant einen Meter betrüge – dann könnte die Autoschlange wie ein Güterzug in einem Rutsch über die Kreuzung fahren.

Vielzahl von Problemen

Im Mischverkehr jedoch, wenn nur jedes zweite Fahrzeug automatisiert ist, sinkt die Zahl der möglichen Fahrzeuge auf 36 – unter den heutigen Wert. Das hat einen ganz einfachen Grund. Während menschliche Fahrer Vorschriften zu Geschwindigkeiten und Sicherheitsabständen ausreizen und auch überschreiten, halten sich Computer strikt an die Regeln und würden so in der Koexistenz mit menschlichen Fahrern den Verkehr aufhalten. Die Analysten sehen in der Folge einen deutlich besseren Verkehrsfluss erst dann, wenn Städte ganze Bereiche nur für autonom gelenkte Fahrzeuge öffneten.

Neben den menschlich-maschinellen Schwierigkeiten im gemeinsamen Straßenverkehr gibt es aber möglicherweise weitere Probleme. Vor allem ganz menschliche: Bequemlichkeit und Geiz. Gerade die Kombination beider Schwächen könnte für verstopfte Straßen sorgen, prognostiziert eine Studie der Boston Consulting Group. Weil das Roboterauto bequemer und zumindest für die individuelle Fahrt günstiger ist als die Fahrt mit Bus und Bahn, dürften zahlreiche ÖPNV-Nutzer auf den Pkw wechseln. Gerade bei Distanzen unter 6,5 Kilometern erwartet die Untersuchung zahlreiche Umsteiger. Im Ergebnis erhöht sich die Fahrzeit in den Stadtzentren um 5,5 Prozent. Außerhalb der City, wo der Verkehr dünner wird, könnte die Dauer hingegen durchaus sinken.

Parkgebühren als Problem

Einen anderen Mechanismus der Verkehrssteigerung haben Forscher der University of California in Santa Cruz entdeckt. Sie befürchten, dass autonome Privatfahrzeuge nach dem Abladen ihrer Passagiere dauerhaft in der Umgebung kreuzen und auf die Rückfahrt warten, um die hohen innerstädtischen Parkgebühren zu sparen. Bereits 2.000 autonome Autos würden in San Francisco das mögliche Fahrttempo in der Innenstadt von San Francisco auf unter 2 Meilen pro Stunde drücken. Die Studie schlägt vor, mit speziellen Mautsystemen gegenzusteuern, die die Warte-Fahrt teurer machen als das Parken.

Auch andere Experten identifizieren private Roboterautos als künftige Stau-Ursachen. Einer Berechnung der ETH Zürich zufolge würde die Automatisierung nur einen positiven Effekt auf die Verkehrsdichte haben, wenn private Exemplare komplett verboten wären. Autonomes Fahren sollte stattdessen ausschließlich für Robotertaxis und im ÖPNV eingesetzt werden. Würden zehn Prozent der Züricher Autos durch automatisierte Taxis ersetzt, würde der motorisierte Individualverkehr von 44 auf 29 Prozent sinken. Mit steigender Zahl an privaten Fahrzeugen verschwindet der Effekt.

Stimmen die Analysen, müssen sich die Städte für die autonome Zukunft Regelungen einfallen lassen, die die Effekte von Roboterautos in die richtige Richtung lenken. Dazu könnten Vorschriften zu Energieverbrauch und Parkregeln genauso zählen wie die Beschränkung auf bestimmte Bereiche der Stadt. Aber auch umfassende Verkehrskonzepte mit einer Mischung aus Robotertaxis, Car-Sharing und intelligenter Verkehrsleitung könnte für Erleichterung sorgen. Und das durchaus schon lange bevor eine hundertprozentige Autonomie-Quote erreicht ist. (SP-X)

Über den Autor

Frank Mertens

Nach dem Sport- und Publizistikstudium hat er sein Handwerk in einer Nachrichtenagentur (ddp/ADN) gelernt. Danach war er jahrelang Sportjournalist und hat drei Olympische Spiele (Sydney, Salt Lake City, Athen) als Berichterstatter begleitet. Bereits damals interessierten ihn mehr die Hintergründe als das bloße Ergebnis. Seit 2005 berichtet er über die Autobranche. Neben der Autogazette verantwortet er auch den redaktionellen Teil des Magazins electrified.

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