Der Preis eines gebrauchten Elektroautos hängt auch entscheidenden vom Zustand der Batterie ab. Zertifikate sollen beim Kunden Vertrauen schaffen.
Noch ist der Gebrauchtwagenmarkt für Elektroautos überschaubar. Doch das wird sich ändern. Der Preis wird dann entscheidend vom Zustand der Batterie bestimmt.
Ein Blick unter die Motorhaube und eine Fahrt auf die Hebebühne verrät Gebrauchtwageninteressenten schon einiges über einen möglichen Kaufkandidaten.
Bei einem Elektroauto kommen Augen und Schrauber-Erfahrung jedoch an ihre Grenzen. Denn die wohl wichtigste und teuerste Komponente ist nicht einsehbar: die Batterie. Verfügt sie noch über die versprochene Kapazität? Oder hat der Vorbesitzer sie über die Maßen verschlissen? Spezielle Akku-Zertifikate sollen Käufern gebrauchter E-Autos künftig die Unsicherheit nehmen. Hersteller wie beispielsweise Hyundai gewähren für Kona Elektro eine Garantie von acht Jahren, um so das Zutrauen in die Technologie zu stärken.
Restwertbestimmung bei E-Autos
Viele E-Autofahrer unterschätzten den Einfluss des Batteriebetriebs auf die Lebensdauer, sagt Jonas Keil vom Batterie-Bewerter Twaice. Das Münchner Start-up arbeitet seit Ende 2019 gemeinsam mit dem TÜV Rheinland und der Schwacke-Tochter Autovista an einem Konzept zur Restwertbestimmung von E-Autos.
Der Batterie-Zustand kann dabei mehrere Hundert Euro Unterschied ausmachen. Nach Berechnungen der Experten liefert eine schlecht genutzte Batterie bereits nach drei Jahren und 45.000 Kilometern Laufleistung fünf Prozent weniger Reichweite als ein schonend behandelter Akku. In Euro ausgedrückt wären das 450 Euro Unterschied beim Wert eines gebrauchten Stromers. Und die Differenz wächst mit der Zeit weiter. „Die einmal verlorene Batteriekapazität kann nicht wiederhergestellt werden“, so Keil.
Leistungsfähigkeit nimmt ab
Dass ein Lithium-Ionen-Akku über die Zeit an Leistungsfähigkeit verliert, liegt in der Zellchemie begründet und lässt sich aktuell nicht vermeiden. Der Nutzer kann jedoch darauf Einfluss nehmen, wie schnell und intensiv der Verschleiß vonstatten geht. Wir der Energiespeicher pfleglich behandelt, hält er locker zwölf Jahre. Positiv wirken sich unter anderem ein zurückhaltender und vorausschauender Fahrstil aus, ein Verzicht auf komplette Entladungen und die seltene Fahrt zum Schnelllader. Umgekehrt: Wer häufige Hochgeschwindigkeitsetappen absolviert, die Batterie oft mit hoher Ladeleistung betankt und sie bis zum letzten Ion leer fährt, muss damit rechnen, dass die Kapazität bereits nach 8,5 Jahren unter 80 Prozent des ursprünglichen Wertes fällt.
Das 80-Prozent-Limit hat sich branchenweit als Grenzwert eingebürgert – auch die Hersteller nutzen ihn bei der Formulierung ihrer Batterie-Garantien. Im engeren Sinne „kaputt“ ist ein Akku auch unterhalb dieses Wertes nicht. Er bietet zwar weniger Reichweite als bei einem fabrikneuen Modell, je nach Ausgangswert kann diese aber durchaus noch alltagstauglich sein.
Zertifikate schaffen Abhilfe
Den vollen Gebrauchtwagenpreis bezahlen will man für solch ein Auto aber wohl nicht. Ein Umstand, der auf dem Markt für E-Autos aus Vorbesitz zu Verunsicherung führt. Batterie-Zertifikate könnten in solchen Fällen Abhilfe schaffen. Da der finanzielle Vorteil für den Kunden auf der Hand liegt und er wohl bereit wäre, dafür zu zahlen, sind solche Atteste ein attraktives Geschäftsmodell für die nähere Zukunft. Bei Twaice hofft man, dass die Batteriedaten bald bei jedem Handel mit gebrauchten Batterie-Elektrofahrzeugen als Standarddaten genutzt werden, ähnlich wie Informationen über Alter, Kilometerstand und Ausstattung.
Ein Informationsbedürfnis in Sachen Batteriezustand haben aber nicht nur Gebrauchtwagenhändler und private Autokäufer, sondern auch Unternehmen mit Dienstwagenflotten oder große Mobilitätsdienstleister.
Der chinesische Fahrdienst Didi etwa nutzt seit kurzem eine cloud-basierte Batterieüberwachung des deutschen Zulieferer Bosch. Das System sammelt und analysiert die Akku-Daten, die in der E-Autoflotte anfallen, um auf dieser Basis präzise Vorhersagen zur Lebensdauer einzelner Batterien und letztlich auch zum Restwert des Fuhrparks zu machen. Die Stuttgarter wollen den Dienst künftig anderen Mobilitätsdienstleistern sowie Autoherstellern anbieten. Aber auch Leasingunternehmen dürften Interesse an derartigen Daten haben. (SP-X)
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