Interviews

Rosberg: Ich hoffe auf einen Boost für die Elektromobilität

Nico Rosberg ist nach seiner Formel 1-Karriere mittlerweile erfolgreich als Unternehmer. Foto: Tom Ziora

Das Thema Nachhaltigkeit treibt Nico Rosberg um. Seit dem Gewinn der Formel 1-Weltmeisterschaft im Jahr 2016 und seinem kurz darauf erfolgten Rücktritt ist der 35-Jährige als Unternehmer tätig und investiert in grüne Technologien.

So ist Rosberg unter anderem Anteilseigner an der Formel E und an zahlreichen Start-ups wie dem Mobilitätsanbieter Tier beteiligt und gehört zu den Initiatoren des GREENTECH FESTIVALS in Berlin. Ursprünglich sollte es vom 19. bis 21. Juni stattfinden. Wegen der Corona-Krise musste es aber auf einen späteren Zeitpunkt verschoben werden. Im Interview mit electrified spricht Rosberg unter anderem über das Konjunkturpaket der Bundesregierung und darüber, was die Corona-Krise für das Festival und ihn persönlich bedeutet und weshalb es wichtig ist, in grüne Technologien zu investieren.


electrified: Herr Rosberg, wo erreiche ich Sie gerade?

Nico Rosberg: Ich bin in unserem Haus auf Ibiza. Wir hatten das Riesenglück, als Familie den Lockdown während der Coronakrise hier zu verbringen. Das ist eine sehr privilegierte Situation, dessen bin ich mir bewusst.

electrified: Ist es Ihnen und Ihrer Familie schwer gefallen, sich an die Beschränkungen des Lockdowns zu halten?

Rosberg: Im Großen und Ganzen war es eine schöne Zeit, auch wenn wir aufgrund der Beschränkungen in Spanien sechs Wochen das Grundstück nicht verlassen konnten.

electrified: Gibt es etwas Positives, was Sie aus dieser Zeit der Pandemie ziehen?

Rosberg: Ja, dass ich viel Zeit mit der Familie verbringen konnte. Die Bindung mit meinen beiden Töchtern ist noch einmal enger geworden. In diesen extremen Wochen wurde einem noch einmal klar, was in unserem Leben wirklich wichtig ist. Meine ältere Tochter geht in Monaco von morgens 8 Uhr bis nachmittags 15 Uhr in die Schule. Entsprechend sehen wir uns unter normalen Umständen wenig. In den zurückliegenden Wochen war das anders. Gestern waren wir zusammen im Garten campen, haben gemeinsam ein Zelt aufgebaut. Entsprechend fühle ich mich heute nicht so fit (lacht).

„Man muss sich nicht persönlich gegenübersitzen“

Fliegen wir bald alle nur noch? Auf dem Greentech Festival geht es auch um die Mobilität der Zukunft. Foto: Greentech Festival

electrified: Glauben Sie, dass Sie von dieser Erkenntnis und dieser Entschleunigung etwas in die Nach-Corona-Zeit hinüberretten können?

Rosberg: Es liegt an uns, diese Chance zu nutzen und von dieser Entschleunigung etwas in die Zeit nach dieser Krise mitzunehmen. Ich werde mir Mühe geben, weniger zu reisen. Gerade dieses Interview mit Ihnen zeigt doch, dass man sich nicht persönlich gegenübersitzen muss, sondern es auch per Video-Call führen kann.

electrified: Die Erkenntnis, dass man für ein geschäftliches Meeting nicht extra von Monaco nach Paris fliegen muss, sondern es auch per Videokonferenz führen kann, hatten Sie vor Corona nicht?

Rosberg: Nein, so bewusst war mir das nicht. Vor Corona war es auch nicht so akzeptiert, dass es auch ein Video-Call tut. Ich hoffe, dass man daraus lernt und diese Art der Kommunikation beibehält. Die Vorteile auch für die Umwelt liegen auf der Hand.

electrified: Hat uns die Coronakrise vor Augen geführt, dass Deutschland im Bereich der Digitalisierung großen Nachholbedarf hat?

Rosberg: Dass wir ein bisschen spät dran sind, ist richtig, auch in der Elektromobilität. Aber wir sind so eine Power-Wirtschaft und so kompetent in unseren Engineering Skills, dass wir das schnell aufholen können. Da mache ich mir keine Sorgen. Ich glaube an Deutschland.

electrified: Das von Ihnen initiierte GREENTECH FESTIVAL musste wegen der Corona-Krise auf einen späteren Termin verschoben werden. Hat das Einfluss auf die inhaltliche Gestaltung?

Rosberg: Inhaltlich wird sich nicht viel ändern. Wir haben als GREENTECH FESTIVAL das große Glück, dass wir thematisch so aufgestellt sind, dass wir wichtige Bereiche wie die Digitalisierung bereits abdecken. Viele denken in dieser Zeit, dass Umweltfragen nicht mehr so wichtig sind und deren Bedeutung nach hinten geschoben werden kann. Doch dem ist nicht so – das sehen auch unsere Partner so, die jetzt mit uns durch diese herausfordernde Zeit gehen. Das zu sehen ist wundervoll. Wir werden die Corona-Krise aber zum Anlass nehmen, ein Hybrid-Event zu veranstalten, wo es noch stärker um die Digitalisierung gehen wird. Ich denke, dass wir mit unseren Themen zu grünen Technologien jetzt noch mehr Menschen erreichen.

„Ich plädiere für einen grünen Marshallplan“

Nico Rosberg (l.) macht zusammen mit Deutsche Bahn-Chef Richard Lutz (2.v.l.) Werbung für das Greentech Festival. Foto: Ulf Büschleb

electrified: Mit Blick auf das Erreichen der Klimaschutzziele fordert die EU einen „Green Deal“, also einen Fahrplan für eine nachhaltige EU-Wirtschaft. Braucht es nach einer solchen Krise grüne Investitionen?

Rosberg: Absolut. Es ist wichtig, dass wir uns als Gesellschaft dessen noch bewusster werden. Corona hat uns da schon sensibilisiert. So hat die Koalition gerade entschieden, einen großen Anteil des Konjunkturpakets in Zukunftsbereiche wie Digitalisierung, Künstliche Intelligenz und Klimaschutz zu investieren. Der britische Finanzminister hat eine „grüne industrielle Revolution“ gefordert, um Jobs nach der Krise zu schaffen. Und wenn wir nach Frankreich schauen, sehen wir, dass die Regierung Air France zwar unterstützt, dies aber an Bedingungen geknüpft hat. So muss die Airline nicht nur in die neusten Technologien investieren, sondern Kurzstrecken auch der Bahn überlassen. Ich plädiere für einen grünen Marshallplan, wie das auch Nicholas Stern beim Petersberger Klimadialog gefordert hat.

electrified: Sie sind Nachhaltigkeitsbotschafter für die Deutsche Bahn. Wie oft nutzen Sie selbst die Bahn?

Rosberg: Die Strecke von Berlin nach München bin ich schon öfter gefahren. Ich nutze die Bahn immer dann, wenn ich die Gelegenheit dazu habe. Zuletzt war ich Ende des vergangenen Jahres von Köln nach Berlin unterwegs. Innerdeutsch macht es ohnehin zumeist mehr Sinn, die Bahn zu nehmen als zu fliegen.

electrified: Sehen Sie mit Blick auf das Erreichen der Klimaschutzziele einen Widerstreit in der Wirtschaft mit Blick auf einen „Green Deal“?

Rosberg: Hier muss es die richtige Balance geben. Die deutsche Autoindustrie ist mit über 800.000 Mitarbeitern ein Rückgrat der deutschen Wirtschaft. An diese Mitarbeiter muss gedacht werden, wenn Maßnahmenpakete geschnürt werden. Das Konjunkturpaket ist ein ganz guter Kompromiss, finde ich. Man hat die Kaufprämien für Elektroautos und Hybride verdoppelt – ein klarer Stimulus für die Mobilitätswende – und durch die Mehrwertsteuersenkung wird indirekt auch der Verkauf von Verbrennern angekurbelt. Immerhin wird der meiste Umsatz in der Autoindustrie noch mit Verbrennern gemacht. Hier alle Interessen zu berücksichtigen, ist ein schwieriger Balanceakt.

„Wir planen mit allen Szenarien“

Lucas di Grassi beim Formel E-Rennen im Vorjahr auf dem Tempelhofer Feld.  Foto: Audi/Kunkel

electrified: Falls es zu einem Worst Case kommt und es zu einem zweiten Lockdown kommt, könnten Sie das GREENTECH FESTIVAL auch komplett digital durchführen?

Rosberg: Wir planen mit allen verschiedenen Szenarien. Als Unternehmen müssen wir uns selbstverständlich auch auf ein Worst-Case-Szenario vorbereiten. Deshalb ist es so wichtig, dass wir diese digitale Komponente eben schon jetzt stark bespielen.

electrified: Welche Vision haben Sie für das GREENTECH FESTIVAL?

Rosberg: Es kommt ganz entscheidend auf den Impact der Veranstaltung an: Wenn beispielsweise die Idee zu einer großen Windturbinenfarm auf dem GREENTECH FESTIVAL entstand und diese Farm ein Werk von Daimler mit Strom beliefert, sodass dieses CO2-frei produzieren kann, dann wäre ich stolz darauf.

electrified: Glauben Sie, dass sich durch die Coronakrise unser Mobilitätsverhalten nachhaltig ändern wird?

Rosberg: Es gibt ja das Szenario, dass das Auto und damit der Individualverkehr einen Boom erlebt. Aber ich hoffe, dass es nicht dazu kommt. Vielmehr hoffe ich, dass aufgrund des zunehmenden Umweltbewusstseins der Öffentliche Personennahverkehr zunimmt und die Bahn mehr zur Geltung kommt und durch entsprechende Investitionen noch mehr Menschen transportieren kann. Daneben hoffe ich auf einen Boost für die Elektromobilität.

electrified: Sie sind auch am Mobilitätsanbieter Tier beteiligt. Wird die Sharing Economy durch dies Krise einen Rückschritt erleben?

Rosberg: Es kommt auf das Sharingmodell an. Ich denke, dass E-Scooter jetzt eine Riesenchance haben. Sie sind das perfekte Fortbewegungsmittel für innerstädtische Distanzen. Wir sind stolz darauf, dass Tier als einer der ersten Anbieter wieder unterwegs ist und wir bereits wieder gute Umsätze machen.

electrified: Städte wie Paris und Brüssel haben Corona zum Anlass genommen, immer mehr Tempo 30- Zonen auszuweisen. Sehen Sie das als ein Weg hin zu einer lebenswerteren Stadt?

Rosberg: Ja, wir sehen derzeit auch, dass viele Städte jetzt auch mehr auf Radwege setzen. Das ist mit Sicherheit alles der richtige Weg. Hoffentlich bleiben von diesen Dingen längerfristig auch einige erhalten.

electrified: Wie halten Sie es persönlich mit der Nachhaltigkeit?

Rosberg: In Monaco nutze ich Carsharing und bekomme mit einem Renault Twizzy immer einen Parkplatz. So komme ich ins Büro und zurück. Wenn wir in Ibiza sind, liefert uns unser Nachbarbauer das Gemüse. Zudem haben wir gerade einen eigenen Gemüsegarten angelegt. Meine Frau nutzt beim Kochen nur Bio-Produkte. Neuerdings nutzen wir zu Hause auch nur noch Metallstrohhalme statt welche aus Plastik. Nachhaltigkeit im Alltag ist mir wichtig und ich hoffe, damit meine Kinder zu inspirieren.

electrified: Sie sind an über 20 Start-ups beteiligt. Gibt es darunter ein Engagement, was Ihnen besonders am Herzen liegt?

Rosberg: Ohne Frage das an der Formel E. Es schlägt eine Brücke von meiner Vergangenheit zu meiner Zukunft.

Das Interview mit Nico Rosberg führte Frank Mertens

*electrified ist Medienpartner des GREENTECH FESTIVALS

Über den Autor

Frank Mertens

Nach dem Sport- und Publizistikstudium hat er sein Handwerk in einer Nachrichtenagentur (ddp/ADN) gelernt. Danach war er jahrelang Sportjournalist und hat drei Olympische Spiele (Sydney, Salt Lake City, Athen) als Berichterstatter begleitet. Bereits damals interessierten ihn mehr die Hintergründe als das bloße Ergebnis. Seit 2005 berichtet er über die Autobranche. Neben der Autogazette verantwortet er auch den redaktionellen Teil des Magazins electrified.

Hinterlassen Sie einen Kommentar

Durch die weitere Nutzung der Seite stimmen Sie der Verwendung von Cookies zu. Weitere Informationen

Die Cookie-Einstellungen auf dieser Website sind auf "Cookies zulassen" eingestellt, um das beste Surferlebnis zu ermöglichen. Wenn Sie diese Website ohne Änderung der Cookie-Einstellungen verwenden oder auf "Akzeptieren" klicken, erklärst Sie sich damit einverstanden.

Schließen