Mit dem ID.3 hat VW im vergangenen Jahr das erste Modell auf Basis des Elektrifizierungsbaukastens auf den Markt gebracht. Im Test kann das elektrische Kompaktmodell überzeugen – mit kleinen Ausnahmen.
Gut zehn Jahre schon gibt es vollelektrische Autos auf dem deutschen Markt. Inzwischen mit durchaus bemerkenswerten Zulassungszahlen. Trotzdem löst das E-Auto vor der Tür bei den Nachbarn noch immer Neugierde aus. So auch bei unserem Testkandidaten, dem VW ID.3.
Um das nachbarliche Urteil nach einer kurzen Testrunde vorwegzunehmen: „Das ist bislang das beste E-Auto, das ihr hier hattet.“ Nun könnten wir uns dem Urteil von Otto-Normalfahrer anschließen, ganz so einfach ist die Sache dann aber doch nicht.
Vorreiter auf dem MEB
Der VW ID.3 gilt als Hoffnungsträger für den Volkswagenkonzern, ist er doch Vorreiter für den elektrischen Baukasten und trägt das Namenskürzel ID.3 als Zeichen der dritten großen VW-Idee nach Käfer und Golf. Das weckt hohe Ansprüche, denen der ID.3 nicht ganz, aber doch ziemlich gerecht wird. Zunächst einmal sieht er gut und etwas, aber nicht zu futuristisch aus, ist praktisch, hat mehr Platz als ein Golf und ist ziemlich einfach zu bedienen
Im Grunde muss man sich nur reinsetzen, den dezent neben dem Lenkraddisplay versteckten Drehschalter auf „D“ stellen und losfahren. Dankenswerterweise haben die VW-Designer auf den neuerdings scheinbar unvermeidlichen Display-Overkill verzichtet. Ein normal großer, leicht schräg gestellter Bildschirm mittig am Armaturenbrett dient der Steuerung von Infotainment, Navi, Telefon und den Fahreinstellungen. Hier kann man auch mittels unterschiedlicher Farben das Ambiente einstellen oder die Ladezeiten vorprogrammieren. Das geht tatsächlich intuitiv und zum Teil sogar während der Fahrt ganz gut. Ergänzend gibt es wie üblich eine Sprachsteuerung, die unsere Anruf- und Navigierwünsche meisten ordentlich verstand und umsetzte.
Kleines Display hinterm Lenkrad
Das kleine Display über dem Lenkrad dient der Information über Geschwindigkeit sowie Batteriestand und blendet auch die Verkehrszeichen ein. Die ließen sich auch im Head-Up-Display darstellen. Praktisch: Das Display ist an der Lenksäule fest und kommt entsprechend näher, wenn man das Lenkrad zu sich zieht.
Über die Bedingung von Heizung und Musiklautstärke mittels Slidern statt Drehknöpfen oder definierten Tastern ist schon von vielen Seiten hinreichend geschimpft worden. Man kann damit zurechtkommen, aber die praktischste Lösung ist es nicht. Wo wir gerade bei zu bekrittelndem Kleinkram sind: Die Idee, die Fensterheber für vorne und hinten auf zwei Schalter und einen zur Wahl zwischen vorne/hinten zu reduzieren, um damit einen Schalter einzusparen, wirkt wenig durchdacht und auf keinen Fall kundenfreundlich, weil man jetzt meistens zweimal drücken muss, statt wie gewohnt einmal. Dass die Rückfahrkamera öfter mal flackerte, zwischendurch ausfiel, um dann ohne weitere Probleme wieder zu arbeiten, dürfte ehe an einem Softwarebug liegen, der mittels Over-the-Air-Update zu beheben sein wird. Es zeigt aber, dass das VW-Bestreben, die Elektronikarchitektur von vielen auf wenige Steuergeräte zu reduzieren, eine komplexe Aufgabe ist.
Heckmotor mit 204 Leistung
Kommen wir zu dem, was der ID.3 richtig gut kann und das ist letztlich die Kernkompetenz eines Autos: fahren. Der Heckmotor samt Heckantrieb schiebt das Auto bei Bedarf kraft seiner 204 PS vehement nach vorn. Die Beschleunigung erfolgt – typisch elektrisch – nahtlos, schließlich müssen keine Gänge gewechselt werden und die Lenkung bleibt schön frei von Antriebseinflüssen. Dank des mit 2,77 Metern recht langen Radstands für ein Kompaktauto bügelt der ID.3 die meisten Unebenheiten der Straßen glatt.
Fahren macht Spaß auch auf der Autobahn. Dort merkt man dann, wenn das Auto bei 160 km/h in den Begrenzer läuft, aber bis dahin geht es schnell und unangestrengt. Man ist also souverän unterwegs, wenngleich man bei einem E-Auto die höheren Geschwindigkeiten besser meidet, weil dadurch die Reichweite doch arg leidet.
In unserem Fall zeigte der Bordcomputer bei voller 58 kWh-Batterie immer rund 260 Kilometer an. Das ist deutlich weniger als die maximal möglichen 420 km und auch unter dem Minimalwert von 300 km, die VW als kundennahen Verbrauch angibt. Mit leichtem Gasfuß und maximaler Rekuperation und im Stadtverkehr wird man zwischen den VW-Angaben landen. Normal gefahren mit hohem Landstraßen- und Autobahnpendleranteil waren unter winterlichen Bedingungen mit Heizung eben nur 265 Kilometer drin.
In 35 Minuten wieder auf 80 Prozent
Das ist auch in Ordnung, weil man an der Autobahn an einer Schnellladesäule in 35 Minuten wieder auf 80 Prozent Füllstand kommt. An der heimischen Wallbox vergehen 6,5 Stunden, bis der Akku voll ist. Unser Testverbrauch unter den genannten Bedingungen lag bei 21,6 kWh, der Normverbrauch des 204-PS-Motors liegt bei 15,4 kWh. Alternativ gibt es auch einen 145-PS-Motor.
Anders als früher bei deutschen Autos üblich, kann man beim ID.3 nicht alles mit allem kombinieren. VW hat verschiedene Modelle vorkonfiguriert, wer also auf bestimmte Ausstattungsdetails wert legt, muss die entsprechende Ausstattung wählen. Wir würden die Business-Edition für 40.855 Euro mit großem Motor bevorzugen, weil sie mit den LED-Matrixscheinwerfern das beste Licht bietet und zum Beispiel auch eine Rückfahrkamera an Bord hat.
Den Einstieg in den ID.3 markiert der Pure mit kleinem Motor und 45 kWh-Batterie, normalen LED-Scheinwerfern und akustischer Einparkhilfe. Eine Klimaanlage ist immer dabei, ebenso die Möglichkeiten der Vernetzung. Wer weiter fahren will, nimmt beispielsweise den Pro S mit 77 kWh-Batterie ab 42.000 Euro. Vom Preis geht jeweils noch die aktuelle Förderung von 9.570 Euro ab, so dass Volkswagens Kompakter für die neue Autowelt wie angekündigt tatsächlich nicht wirklich teurer als ein Golf ist. (SP-X)
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