Elektro

Gumpert elektrisiert Nathalie

Gumpert Nathalie. Foto: AG/Blumenstein
Gumpert wagt einen neuen Anlauf mit Nathalie. Foto: AG/Blumenstein

Gumpert wagt den nächsten Anlauf. Nachdem der frühere Entwickler des Audi-Allradantriebs mit seinem grandiosem Supersportwagen Apollo scheiterte, elektrisiert der Ingolstädter nun Nathalie.

Roland Gumpert sagt nur wahren Autofans etwas. Der Ingolstädter ist Erfinder des nie gebauten Audi-Motorrades Z02 und Entwickler des Audi-Allradantriebs. Er konstruierte Apollo, eines der schnellsten Automobile und ist Vordenker für Extremes. Mit Nathalie kommt nun sein rund 400.000 Euro teurer Elektro-Supersportler.


Sauber und klar gezeichnet steht RG Nathalie vor den wenigen Journalisten, die in das fensterlose Studio in Ingolstadt eingeladen wurden. Bereits vier Wochen vor der offiziellen Weltpremiere auf der Auto China in Peking am heutigen Mittwoch. Der dunkle Ort will nicht so ganz zur Geburt einer neuen Automarke passen, die einen revolutionären Antrieb besitzt. Um so passender der Augenblick, als Namensgeberin Nathalie – die 18-Jährige ist die älteste Tochter des Entwicklers – den neuen Boliden auf der Auto China enthüllte.

Deutsch-Chinesisches Führungstrio

RG steht für Roland Gumpert. Der Auto-Enthusiast will Nathalie ab Ende 2018 bestellbar machen und ein Jahr später an Kunden übergeben. Gumpert Aiways Automobile GmbH nennt sich die Firma mit Sitz in Ingolstadt und Shanghai. Aus seiner Zeit als Vertriebs- und Marketingvorstand von VW-Audi Joint Venture China hat Gumpert gute Bekanntschaft mit einigen Chinesen gemacht. Fu Qiang, CEO des 2017 gegründeten Start-Ups Aiways war Volvo-Vertriebschef in China. Zusammen mit Gu Feng, ehemals CFO von SAIC (2017 größter chinesischer und acht-größter Fahrzeughersteller weltweit) stellen sie das Führungstrio.

Vertriebler, Finanzier und Techniker, beste Voraussetzungen, um durchzustarten. Und das wollen die drei. Gumpert möchte den europäischen Markt ins Visier nehmen. Für China sind acht Brot-und-Butter-Autos geplant, die das Volk elektrisieren sollen. Bei allen steckt eine bislang kaum genutzte Technologie unter dem Blech; und im Falle von Nathalie: unter dem Karbon.

Gumpert auf den Spuren von Nissan

Das Heck von Nathalie. Foto: AG/Blumenstein

Auch mit einem schönen Rücken kann Nathalie entzücken. Foto: AG/Blumenstein

Im Bug- und Heck-Kofferraum verbergen sich Reformer, Brennstoffzelle und Kraftstoff-Tank. Das Methanol-Wasser-Gemisch (Verhältnis 60:40) wird in ein wasserstoffreiches Gas umgewandelt. und produziert Strom für den 400-Kilogramm-Akku, der sich T-förmig im Fahrzeugboden befindet. Spinnerei? Wohl kaum: Nissan denkt seit 2016 laut über dasselbe Thema nach und will 2020 eine ähnliche Version eines Brennstoffzellenautos auf den Markt bringen. Bei den Japanern durchläuft ein Ethanol-Gemisch einen Reformer der es in der Brennstoffzelle in elektrische Energie umwandelt. Diese speist die Batterie und startet den E-Motor.

Die seit Jahren eingesetzte Technik kommt bei Gumpert Aiways vom dänischen Unternehmen Serenergy. Die nutzen Brennstoffzellen-Technik für den stationären Einsatz, etwa um unwirtliche Regionen mit Strom zu versorgen. Der Strom wird in den Brennstoffzellen stets aus Methanol erzeugt. Da sich die Lösung in modifizierter Variante auch für Autos anbietet, haben die Dänen selbst schon Autos umgerüstet.

Nathalie mit einer Reichweite über 800 Kilometer

Das Cockpit von Gumperts Nathalie. Foto: AG/Blumenstein

Futuristisch ist das Cockpit von Nathalie eingerichtet. Foto: AG/Blumenstein

Gumpert Aiways hat mit Serenergy nun eine Version entwickelt, die für das Automobil ideal erscheint. Mit einem 60 Liter-Methanol-Tank soll eine Reichweite von etwa 800 Kilometern bei behutsamer Fahrweise möglich sein – und dabei 30 Gramm CO2 pro Kilometer emittieren. Wer nicht behutsam ist, kann mit Nathalie auch 300 km/h schnell fahren oder in 2,5 Sekunden aus dem Stand auf 100 beschleunigen. Da kommt der Bubb im junggebliebenen 73-jährigen Gumpert zum Vorschein. Möglich machen das vier E-Motoren mit jeweils rund 150 kW. Varianten mit weniger Bumms sind machbar – für die günstigen China-Modelle von Aiways.

Vielleicht ist die Methanol-Brennstoffzelle eine weitere Option, um dem Thema E-Mobilität mehr Nachdruck und mehr Möglichkeiten zu geben. Aiways kann zugetraut werden, in China eine große Nummer zu werden – wenn bislang auch noch kein Auto auf der Straße ist. Zu wünschen wäre es, denn die Wasserstoff-Technik, die seit 20 Jahren vor sich hin dümpelt, kommt erst seit diesem Jahr ins Fahrwasser. Kein Wunder bei 50 Tankstellen in Deutschland. Und jede neue kostet rund eine Million Euro. Eine Zapfsäule auf Methanol umzurüsten kostet im Vergleich nichts. Wer möchte, kann Nathalie übrigens auch mit Ökostrom aus einer CCS-Ladesäule befüllen. Aber ganz ehrlich: Warum sollte man noch eine Stunde Strom tanken wollen, wenn der Methanol-Tank in drei Minuten voll ist?

Über den Autor

Michael Blumenstein

KFZ-Mechaniker, Automobilkaufmann, Redakteur, Pressesprecher und wieder Redakteur. Immer mit viel Motorliebe. Auf zwei Rädern unterwegs seitdem er laufen kann. 50 Länder be- und durchreist, die meisten mit Verbrenner unterm Hintern. Dem E-Hype kann er nicht immer folgen, ist aber bereits Tausende E-Kilometer gefahren und genießt dabei stets die Ruhe und Entschleunigung. Und bekommt bei jedem Strom-Tankstopp zu viel schlechten Kaffee ab.

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