Das Auto spielt im Mobilitätsmix der Zukunft eine untergeordnete Rolle. Angesichts von Fahrverboten braucht es intelligentere Lösungen wie den Bio-Hybrid von Schaeffler.
In London und Stockholm gibt es sie bereits Zufahrtsbeschränkungen für Autos. In Deutschland führen immer mehr Städte Fahrverbote für ältere Dieselfahrzeuge ein. Angesichts der schlechten Luftqualität in unseren Großstädten ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis auch Benziner ausgesperrt werden oder zumindest eine Gebühr für die Zufahrt in die Städte zu zahlen ist.
In Zeiten wie diesen stehen entsprechend neue Mobilitätskonzepte hoch im Kurs. So zeigten auf der gerade in Las Vegas zu Ende gegangenen Consumer Electronic Show (CES) Autobauer wie Ford oder der Zulieferer ZF Robo-Taxis. Auf den Ständen von ZF, Bosch oder auch Schaeffler konnten die Messebesucher zudem sogenannte People Mover sehen. Mit ihnen sollen in Zukunft die Menschen statt im eigenen Auto in der Stadt mobil sein.
Bio-Hybrid kann Radwege nutzen
Doch angesichts der immer voller werdenden Städte, die unter der Verkehrsbelastung leiden und den öffentlichen Straßenverkehr weiter einschränken, bedarf es anderer Mobilitätslösungen als Fahrzeuge nur elektrisch und autonom fahren zu lassen. Wie so etwas ausschauen kann, zeigte der Herzogenauracher Zulieferer Schaeffler auf seinem Stand auf der Central Plaza mit der Weltpremiere des Bio-Hybrid.
Es ist ein vierrädriges Fahrrad mit Elektrounterstützung. Doch Fahrrad trifft auf den Bio-Hybrid eigentlich nicht zu. Vielmehr ist es ein Kabinenroller, der dank seines Daches die Passagiere vor Regen und schlechtem Wetter schützt. Der Bio-Hybrid bietet dem Nutzer aber dennoch alle Vorteile des Fahrrades, in dem es aufgrund seiner Spurbreite auch die Fahrradwege nutzen kann. Entsprechend kann man sich entspannt am Stau vorbeibewegen.
Nachdem Schaeffler bereits 2017 seinen Bio-Hybrid auf der CES vorstellte, ist viel passiert. Dass, was der Zulieferer im Spielerparadies in Las Vegas zeigte, ist längst mehr als nur ein Showbike wie vor zwei Jahren. Es ist ein Prototyp, der jetzt für den Alltagseinsatz optimiert werden soll. Schließlich soll 2020 die Serienfertigung beginnen.
Qualität geht vor Schnelligkeit
Ist das nicht reichlich spät? Nein, sagt Schaeffler-Entwicklungschef Peter Gutzmer im Gespräch mit der Autogazette. „Qualität geht vor Schnelligkeit.“ Und zu diesen Qualitätsansprüchen gehört auch, dass der Bio-Hybrid ausgiebig unter Alltagsbedingungen getestet werden soll. Dazu werden nach und nach 20 Bio-Hybrids an Städte und andere Partner zu Testzwecken vergeben, um deren Alltagstauglichkeit zu testen und daraus seine Schlussfolgerungen für die Serie zu ziehen.
Wäre es nach Gutzmer gegangen, wären vor dem eigentlichen Serienstart im kommenden Jahr noch viel mehr Bio-Hybrids auf die Straße gekommen als die nun angedachten. Doch bei der extra für dieses Projekt gegründeten Bio-Hybrid GmbH mit Sitz in Nürnberg hat man sich auch aus Kosten- und Kapazitätsgründen für diese Zahl entschieden. „Wir denken, dass wir auch mit dieser Anzahl an Rädern ausreichend Erkenntnisse im Alltagseinsatz sammeln können“; sagt Patrick Seidel, Direktor Strategie und Geschäftsentwicklung bei der Bio Hybrid GmbH. „Aber vielleicht gelingt es mir, dass doch noch ein paar mehr Fahrzeuge in den Testbetrieb kommen“, sagt Gutzmer lächelnd.
Die Kritik, dass die Entwicklung des Bio-Hybrid doch arg lange gedauert hat, will auch Seidel nicht stehen lassen. Er verweist darauf, dass man nicht nur eine neue Firma gegründet habe, neue Büroräume finden musste, sondern auch Mitarbeiter für die GmbH hatte gewinnen müssen. Das alles hat ebenso Zeit gebraucht, wie einen Entwicklungspartner für den Bio-Hybrid zu finden. Gefunden hat man in München. Wer es ist, will Seidel nicht verraten. Mit Blick auf die im kommenden Jahr startende Serienfertigung wird die Schaeffler Bio-Hybrid GmbH in diesem Jahr seine Mitarbeiterzahl von zehn auf 20 Mitarbeiter aufstocken, wie Seidel berichtet.
Cargo- und Passenger-Variante im Angebot
Schaeffler wird seinen Bio-Hybrid im kommenden Jahr dann auch in zwei Varianten anbieten: Einer Cargo-Version für die Logistik und eine Passenger-Version für den reinen Personentransport. Die Passenger-Variante verfügt über zwei Sitzplätze. Mit Blick auf die Abmessungen unterscheiden sich beide Varianten dabei nur marginal. Während die Passenger-Variante auf eine Länge von 2,18 Meter kommt, sind es bei der Cargo-Variante 2,59 Meter. Die Breite ist mit 85,5 Zentimeter und einer Höhe von 1,53 Meter identisch. In beiden Versionen sorgen eine 1,2 kWh starke Batterie für eine Leistung von 250 Watt. Optional kann auch in beiden Gefährten eine zweite Batterie mit ebnefalls 1,2 kWh verbaut werden.
Die Geschwindigkeit beläuft sich dabei auf 25 km/h, die Reichweite beträgt 50 bzw. 100 Kilometer mit zwei Batterien. Damit ist man für die in der Stadt zurückzulegenden Distanzen auf jeden Fall bestens bestückt. „Die Cargo-Variante ermöglicht dem Nutzer eine Zuladung von bis zu 350 Kilogramm“, sagte Jakub Fukacz, der die Kommunikation und das Marketing verantwortet.
Bio-Hybrid voll vernetzt
Dass der Bio-Hybrid dabei voll vernetzt ist, versteht sich von selbst. So lassen sich beispielsweise die Sitze und deren Höhe mittels App verstellen, wie Alexander Schaub erzählt, der die Digitalisierung für den Bio-Hybrid verantwortet. Natürlich lassen sich eine Vielzahl der Funktionalitäten (Reichweite, Strecke, Navigation etc.) nicht nur über die App des Smartphones steuern, sondern auch über die Smart-Watch. „Natürlich bieten wir auch die Möglichkeit, dass man sich über seine Smart-Watch oder sein Handy auch anzeigen lassen kann, welche Herzfrequenz man hat oder wie viele Kalorien ich während der Fahrt verbraucht habe.“
Das ist ein nettes Gimmick, doch viel wichtiger ist die Vernetzung des Bio-Hybrids für den Einsatz in der Logistik-Branche. So ist es durch die Vernetzung des Bio-Hybrids möglich, dass der Fuhrparkmanager immer weiß, wo sich das Fahrzeug befindet. „Damit kann er den Fahrer schnell auch zur Abholung eines anderen Pakets schicken“, nennt Seidel ein Anwendungs-Beispiel. Auch wenn die Cargo-Variante insbesondere auf Logistiker abzielt, bietet sie auch Vorteile für Privatnutzer, die auch gern mal größere Gepäckstücke zu transportieren haben. Entsprechend erreicht der Bio-Hybrid eine breite Zielgruppe.
Die Prototypen, die übrigens erst kurz vor der CES fertiggestellt wurden, machen mit ihrer Qualitätsanmutung bereits einen ausgesprochen guten Eindruck. Zu Preisen der beiden Varianten machte Schaeffler indes noch keine Angaben. Es ist jedoch davon auszugehen, dass sich der Preis für die Passenger-Variante irgendwo ab 5000 Euro bewegen dürfte, eher darüber. Aber das sind nur Spekulationen. Eines ist jedenfalls sicher. Als Konzept vermögen beide Prototypen mit ihrer Qualität bereits jetzt zu überzeugen. Für den bevorstehenden Marktstart in 2020 keine schlechte Voraussetzung.
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