Mobilität

Blauer Elektro-Smart auf grünen Wegen

Der Smart Fortwo EQ schneidet günstiger ab als der 0.9 Turbo. Foto: Blumenstein

Smart fährt ab Ende 2019 nur noch mit elektrischen Motoren vor. Die Alltagstauglichkeit unterstrich der Smart EQ zwischen Dänemark und Schweden, zeigte zugleich die Hürden der Elektromobilität auf.

Es regnet. Und unser Smart ist ein Cabrio. Na toll. Auch die Aussichten für die kommenden Tage sind solala. So bleibt das Dach vorübergehend geschlossen. EQ? Was das heisst? IQ kennen wir als Intelligence Quotient; EQ meint Electric Quotience … Marketing sollte nicht immer hinterfragt werden. Einfach übersetzt bedeutet es, dass im Heck des 2,70-Meter-Winzlings kein Brummer mehr untergebracht ist, sondern vielmehr ein Summer. Ab Ende 2019 werden keine Smart mehr mit Verbrennungsmotor angeboten. Elektro lautet das Gebot der Stunde. Strom aus einem 17,6 kWh-Akkupaket treibt bereits heute beim mindestens 22.000 Euro teuren Smart EQ (Cabrio + 3260 Euro) den Heckmotor an, der wiederum seine 60 kW-Leistung (82 PS) an die Hinterräder abgibt. Die Antriebsplatzierung ist traditionell beim Smart, spart Verkehrsfläche, da kaum „Motorhaube” benötigt wird, sieht putzig aus und lässt den Wendekreis auf Spielstraßenbreite schrumpfen. Für die Stadt genial.


Fahrrad, das ultimative Fortbewegungsmittel

Generell ist der Smart EQ wie alle kurzen E-Fahrzeuge für die Stadt besser geeignet als für die Autobahn (max. 130 km/h), wenngleich in der Stadt eigentlich kein Auto die beste Option ist. Bahn, Bus, Fahrrad oder Füße transportieren innerstädtisch top. Taxi und Carsharing helfen beim Überbrücken. Hier in Kopenhagen merken wir das sofort. Parken kostet Geld. Richtig viel Geld. Rund um die Uhr. 20 Minuten schlagen je nach Tageszeit und Location schon mal mit 5,40 Euro zu Buche. Bezahlt wird per App, Kreditkarte geht auch. Ein Gruß von den Digital Natives. Wie man dem entkommen kann, zeigen die Dänen aber stante pede. Radfahren lautet das Schlüsselwort. 60 Prozent der Pendler in Kopenhagen nutzen das Fahrrad. Ein Traum, und schwups, ist der Automobilverkehr überschaubar. Wir haben kein Fahrrad dabei, obwohl ein Highend-Klapprad sogar in den kleinen 260-Liter-Kofferraum des Smart passen würde. Da wir jedoch vor Ort keine Emissionen hinterlassen, fahren wir guten Gewissens durch Kopenhagen.

Das Volltanken vor dem Start zu unserer grünen Runde sagt uns, dass die Kilowattstunde Strom an der öffentlichen Ladesäule umgerechnet gut 1,20 Euro kostet. What? Ja, kein Scherz. Da „rechnet” der Stromantrieb sich leider nie. Zudem sagt uns die Ladesäule nicht, wie grün der Strom produziert wurde. Zuhause zahlen die Dänen etwa 30 Eurocent pro Kilowattstunde. Spitzenreiter in Europa, dahinter kommt Deutschland. Immerhin verspricht der Premium-Strom von der öffentlichen Ladesäule 134 Kilometer Reichweite im Eco-Modus des Smart EQ. Das ist für die erste Etappe ausreichend und nur kurz unter dem Normwert. Der Schalter für den Eco-Modus sitzt übrigens neben dem Gangwahlhebel und sollte stets gedrückt werden. Denn nur so rekuperiert der Smart das maximal Mögliche, was dennoch nicht genug ist. In der Stadt ist oft auch bei vorausschauender Fahrweise die Bremse nötig. Zum Stoppen immer. Einen L-Modus oder eine Rekuperationstaste am Lenkrad, die mehr Energie in die Batterien speist? Fehlanzeige.

Stromkosten höher als Benzinkosten

Wir stromern aus Kopenhagen raus. Wolken und Meer vermischen sich am Horizont in einheitliches Grau. 14,5 kWh/100 Kilometer zeigt der Bordcomputer als Verbrauch an. Das Kuriose: Damit sind die Kraftstoffkosten höher als beim Smart mit Verbrennungsmotor, der bei unserem Stadtkurs knapp acht Liter benötigt hätte (1,50 Euro/Super 95). Was läuft da falsch? Mit besseren Rekuperationstechniken wäre vielleicht mehr drin gewesen, denn andere E-Autos lassen sich innerstädtisch locker mit rund 13 kWh bewegen und sind teils größer und schwerer.

Um die Lademöglichkeiten haben wir uns im Vorfeld unserer Tour nicht gekümmert. Sie kommen bestimmt. Skandinavien soll ja ganz weit vorne sein. Plugsurfing nennt sich ein Anbieter eines RFID-Chips, der viele Stromtankstellen zusammenführt und man nicht mehr für jeden Anbieter eine eigene Kundenkarte benötigt. Klappt – zumindest in Dänemark.

Elektrische Fähre für den elektrischen Smart

Das Cockpit des Elektro-Smart. Foto: Blumenstein

Auch im Elektro-Smart finden nur zwei Personen Platz. Foto: Blumenstein

In Helsingor wartet die Zero Emission Fähre wartet auf uns. Ohne Vorbuchen kostet der 20-Minuten „Törn” nach Helsingborg (Schweden) rund 100 Euro. Unsere Fähre heißt Tycho Brahe (dänischer Astronom) und fährt seit 2017 rein elektrisch. 7,4 Millionen Personen und 1,5 Millionen Autos im Jahr befördert die Reederei mit vier Elektro-Fähren, die vormals mit Diesel fuhren. Der Verbrenner ist als Backup noch an Bord.

An Deck der 6-Megawatt leistenden Fähre sind seit dem Umbau rund 250 Tonnen Extragewicht. 60 Tonnen alleine für die Akkus. Gekühlt werden diese mit Meerwasser und im Winter wird die Abwärme zum Heizen des Passagierraums genutzt. Das hört sich effizient an. Auf fünf Jahre Laufzeit sind die Batterien ausgelegt. Nicht wirklich lange (Smart gibt acht Jahre Garantie auf die Batterie, die nicht mehr geleast wird). Danach werden lediglich die Zellen ersetzt und recycelt.

In Schweden angekommen, surren wir „bergab”. Der Antrieb ist gerade im Rekuperationsbetrieb unterschwellig zu vernehmen. Bei einer Restreichweite von zirka 40 Prozent schauen wir auf die Plugsurfing-App. Jedoch, oh Schreck: nichts. Über die Chargemap-App finden wird, außerhalb von Landskrona – der Heimat vom Haldex-Allradantrieb – in Glumslöv zwei Tesla-Ladesäulen mit 11-KW-Typ-2-Steckern. Kostenfrei. Da man uns im angeschlossenen Hotel-Cafe beflissentlich ignoriert, gehen wir die 800 Meter zum Wasser hinunter und hoffen auf ein paar Sonnenstrahlen. Nach 45 Minuten sind wir wieder am Smart, der ist fast voll. Toll. Die 70 Kilometer bis Malmö könnten wir nun komplett auf der Schnellstraße fahren. Denn ab 100 km/h nimmt sich der Smart EQ deutlich mehr Energie, als erwartet und verkürzt die Reichweite enorm.

Öko-Bänke aus Malmö in München

Der Smart EQ. Foto: Blumenstein

Der Smart EQ benötigt recht viel Strom. Foto: Blumenstein

In Malmö treffen wir Johan Berhin, Gründer von Green Furniture Concept. Er hat vor rund zehn Jahren einen Stuhl erdacht, der nicht nur gut aussieht (das können die Skandinavier), er ist zudem bequem und wird so grün wie möglich hergestellt. Der Bestseller ist aktuell eine Bank, die vor allem in Flughäfen und Bahnhöfen begeistert. Die organischen Formen laden zum Verweilen ein. Johan hätte das Holz gerne aus Schweden, hat aber keins gefunden, das seinen Qualität- und Öko-Ansprüchen gerecht wird. Daher musste er auf deutsche Eiche, Buche und Birke ausweichen.

Alles wird in der Smarland auf traditionelle Weise auf alten Maschinen gefertigt. Dass die Möbel höchsten Ansprüchen gerecht werden, beweisen sie bereits im Stockholmer Hauptbahnhof, im Flughafen Kevlavik (Island) und ab Herbst 2018 im Airport München. Bei einem Listenpreis von 1500 Euro pro laufenden Meter darf das erwartet werden. Teuer? Nein. Oder kennen Sie einen anderen Hersteller, der 15 Jahre Garantie auf ein Holzprodukt gibt und supergrün ist?

Der Tag neigt sich dem Ende. Der Smart EQ braucht Futter, wir auch. Kostenfrei finden wir in Malmö nichts – weder für den Smart, noch für uns. Plugsurfing zeigt nur eine Ladesäule etwas außerhalb an. Diese kostet zehn Eurocent pro Minute – solange man angeschlossen ist. Chargemap bittet uns in die Stadtmitte, jedoch braucht’s dann individuelle Ladekarten. Na super.

Sonne, Brücke, ethisch korrekter Kaffee

Dach auf, die Sonne strahlt. Der Tag begrüßt uns freundlich und wir drehen ein paar saubere Runden durch Malmö, bevor wir die 52 Euro teure und 7,8 Kilometer lange Öresund-Brücke für die Rückfahrt nach Kopenhagen nutzen. Die Akkuanzeige gibt uns 136 Kilometer im Eco-Modus. Wir fahren nach Valby, einem sympathischen Stadtteil im Westen Kopenhagens und stellen den Smart EQ mit teuren Brabus-Optionen vor Impact Roasters ab. 65 Prozent Restreichweite entspannen fast so, wie der saubere Kaffee und Öko-Eistee.

Das Betreiber-Duo bezieht die drei Sorten Kaffee (mehr gibt es im Cafe auch nicht) direkt aus einem Dorf in Äthiopien. Ohne Umwege. Daniel, der Besitzer, wuchs dort auf und hilft nun, Gutes zu tun. Er kauft nicht nur zu fairen Preise ein, er spendet wiederum einen Teil seiner Einnahmen an „sein” Dorf und verbessert ein wenig das Leben im Süden Äthiopiens. Ein Fairtrade- oder Bio-Siegel hat sein Kaffee nicht; zu teuer. Macht nichts, wir glauben’s auch so und würden uns freuen, wenn es beim Strom ähnlich fair zu gehen würde.

Über den Autor

Michael Blumenstein

KFZ-Mechaniker, Automobilkaufmann, Redakteur, Pressesprecher und wieder Redakteur. Immer mit viel Motorliebe. Auf zwei Rädern unterwegs seitdem er laufen kann. 50 Länder be- und durchreist, die meisten mit Verbrenner unterm Hintern. Dem E-Hype kann er nicht immer folgen, ist aber bereits Tausende E-Kilometer gefahren und genießt dabei stets die Ruhe und Entschleunigung. Und bekommt bei jedem Strom-Tankstopp zu viel schlechten Kaffee ab.

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