Interviews

E.ON Drive-Chef: Wollen Charging so einfach wie möglich machen

Davide Villa verantwortet das Geschäft von E.ON Drive. Foto: Benjamin Pichelmann

Das Energieunternehmen E.ON hat zu Jahresbeginn eines der größten Testzentren rund um die Elektromobilität in Essen eröffnet. Im Gespräch mit electrified spricht E.ON Drive-Chef Davide Villa u.a. über dynamische Stromtarife, Ladelösungen für Pkw und Lkw und natürlich über die Bedeutung des neues Testzentrums.

Wer Davide Villa Mitte Januar bei der Eröffnung des TestingLabs von E.ON in Essen beobachtete, der konnte dem Italiener beim Rundgang seine Zufriedenheit anmerken. Kein Wunder, schließlich hat das Energieunternehmen am Firmensitz in Essen das größte herstellerunabhängige Test- und Innovationszentrum für Elektromobilität eröffnet.


Auf einer Fläche von 10.000 Quadratmetern befinden sich 25 Prüfstationen und fünf Kältekammern. In ihnen soll getestet werden, wie sich die Batterien von Elektroautos unter den verschiedenen klimatischen Bedingungen verhalten. Mit dem TestingLab ginge es darum, das gesamte Ökosystem der Elektromobilität nicht nur zu verstehen, sondern im Idealfall zu verbessern, sagte der Chef von E.ON Drive ein paar Wochen nach der feierlichen Eröffnung des Testzentrums bei einem Video-Call mit electrified. E.ON Drive ist bei dem Energieunternehmen E.ON für das gesamte Feld der Ladelösungen verantwortlich – und das sowohl für Privat- als auch Unternehmenskunden. Man habe sich zum Ziel gesetzt, seinen Kundinnen und Kunden 360 Grad-Ladelösungen zu bieten.

Besondere Bedeutung des TestingLabs

Dafür kommt dem neuen TestingLab eine herausgehobene Position zu. Denn es soll dazu beitragen, die bestehenden Ladelösungen zu optimieren, sie für den täglichen Einsatz beim Kunden so einfach und zuverlässig wie möglich zu machen, sagte der Manager. Es geht dabei nicht nur um die Nutzerfreundlichkeit, sondern auch um das reibungslose Zusammenspiel der Technologien. Nur wenn E-Mobilität für den Nutzer ohne Probleme funktioniert, sei das Ziel einer nachhaltigen Mobilität zu erreichen.

Dass nach dem abrupten Aus der Kaufprämie für E-Autos die Nachfrage eingebrochen ist, sei natürlich bedauerlich. „Wir glauben aber, dass sich die Elektromobilität unabhängig von der Förderung weiter entwickeln wird.“ Es müsse Aufgabe der Gesellschaft sein, die Verkehrswende im Sinne des Klimaschutzes voranzutreiben.

Elektrifizierung des Nutzfahrzeugbereichs im Blick haben

Im Fokus des neuen Testzentrums stehen auch E-Lkws. Foto: Benjamin Pichelmann

Bei allen Diskussionen um Nachhaltigkeit sollte man den Fokus aber nicht nur auf Pkw richten, es gehe auch um die Elektrifizierung des Nutzfahrzeugbereichs. „Pkw sind nur der Anfang, eine immer stärkere Rolle spielen Lkw und Busse.“ Gerade mit Blick auf die Elektrifizierung des Nutzfahrzeugbereichs seien Incentives für Unternehmen aber enorm wichtig. Sei es nun für die Anschaffung von Fahrzeugen oder für die Schaffung der Ladeinfrastruktur – oder, wie Villa es sagte – des gesamten Ökosystems. Dafür steht E.ON Drive den Unternehmen als Partner zur Seite.

Wie wichtig für die Dekarbonisierung des Verkehrssektors der Nutzfahrzeugbereich ist, hatte E.ON vor einigen Wochen mit einer Datenerhebung gezeigt. Danach könnten jährlich allein in Deutschland 4,6 Millionen Tonnen CO2 eingespart werden, wenn gewerbliche Transporte, Leerfahrten und Werksverkehr mit einer Länge von bis zu 150 Kilometern mit batterieelektrischen Lkw zurückgelegt würden. Werde beim Laden nur noch Ökostrom verwendet, läge die jährliche Einsparung sogar bei 11,4 Millionen Tonnen. Entsprechend verwundert es nicht, dass E.ON in seinem TestingLab in Essen eine eigene Testumgebung für das Laden von E-Lkw geschaffen hat. Schnelles Laden von Lkw sei entscheidend dafür, den Güterverkehr auf der Straße zu elektrifizieren und ihn damit klimaneutral zu machen, so Villa. In Essen testet E.ON beispielsweise das Laden von Lkw an Hochleistungsladesäulen mit Leistungen von bis zu drei Megawatt. Damit sei man bereits bestmöglich auf zukünftige Ladeentwicklungen bei Trucks vorbereitet, so der E.ON Drive-Chef.

Gerade bei Lkw gehe es neben der Total-Cost-of-Ownership auch um Nutzfreundlichkeit. Schließlich müsse der Lkw-Fahrer die Ladestation mit seinem großen Truck auch problemlos anfahren können. So müssten die Parkbuchten nicht nur auf Lkw abgestimmt sein, sondern auch die Kabel müssen länger und unter Umständen besser gekühlt sein, merkte Villa an. Doch spielt der E-Antrieb bei Lkw nicht nur für kürzere Strecken eine Rolle, während für den Schwerlastverkehr auf längeren Strecken eher die Brennstoffzelle zum Einsatz kommt? Villa glaubt an beide Anwendungsfälle, deshalb arbeitet E.ON auch an beiden Technologien. Allerdings, so ergänzt Villa, würde man auch bei batterieelektrischen Trucks immer größere Entwicklungsschritte bei den Reichweiten sehen. Zudem müsse man schon heute mit einem Lkw nicht mehr stundenlag einen Ladestopp einlegen, „für die nächste Etappe reicht in der Regel ein HPC-Zwischenladen mit 400 Kilowatt Ladeleistung“, so der E.ON Drive-Chef. Moderne Trucks haben heutzutage Batterien mit Kapazitäten von über 500 Kilowattstunden, „damit kommen sie bereits auf Reichweiten von mehreren hundert Kilometern“.

Markterholung bei E-Autos wird erwartet

E.ON hat in Essen ein neues Test- und Innovationszentrum eröffnet. Foto: Benjamin Pichelmann

Der Nachfragerückgang von E-Autos besorgt Villa nach eigenen Aussagen mit Blick auf das eigene Geschäft übrigens nicht. Natürlich sei die relative Zahl von E-Autos noch gering. Doch als E.ON Drive verkaufe man auch keine Autos, zudem „ist es nicht allein unsere Mission, Wallboxen zu verkaufen, wir wollen Charging einfacher und schnell erreichbar machen“. Dass der Markt sich erholen wird, davon ist Villa überzeugt. „In diesem Jahr kommen immer mehr bezahlbare E-Autos auf den Markt.“

Dazu gehört beispielsweise auch ein Auto wie der Citroen e-C3, der für 23.300 Euro angeboten wird. Es seien solche Autos wie der Citroen, die der E-Mobilität einen Boost verschaffen könnten – und auch das Geschäft von E.ON Drive befördern helfen. Mit seinem Ökosystem sieht sich E.ON Drive bestens aufgestellt, die Bedürfnisse der Kundinnen und Kunden zu befriedigen. Zu diesem Ökosystem gehört u.a. neben intelligenten Wallboxen auch die Möglichkeit, sein E-Auto zur richtigen Zeit zu laden. Sprich dann, wenn Strom besonders günstig ist. Dafür bietet man dann auch entsprechende Stromtarife mit grüner Energie an.

Um einen dynamischen Stromtarif nutzen zu können, sei indes auch ein Smartmeter nötig, dessen Einbau in Deutschland ab dem kommenden Jahr verpflichtend wird. „Das Auto zur richtigen Zeit am Tag zu laden, ist nicht nur deshalb wichtig, um Geld zu sparen, sondern auch um das Stromnetz zu entlasten.“ Dazu gehöre zukünftig auch das bidirektionale Laden wie so genannte Vehicle-to-Home-Anwendungen. Hier fungiert das Fahrzeug als fahrender Stromspeicher. Bidirektionales Laden erhöht dann in Kombination mit einer Solaranlage den Autarkiegrad. Besitzer einer PV-Anlage und eines E-Autos mit einer 42 kWh starken Batterie kämen so auf einen Autarkiegrad von rund 51 Prozent. E.ON Drive will den Kundinnen und Kunden perspektivisch ein genau auf deren Bedürfnisse ausgerichtetes Angebot machen. „Bei uns werden E-Autofahrerinnen und -fahrer alles aus einer Hand bekommen – und das natürlich voll vernetzt.“ Gerade auch das bidirektionale Laden spiele für das Klima und die Energiewende eine große Rolle, so Villa.

Riesige Nachfrage nach dynamischen Stromtarifen

In seinem neuen Testzentrum erforscht E.ON das Ladeverhalten von E-Autos – und das bei unterschiedlichen Temperaturen. Foto: Benjamin Pichelmann

Der Blick zu den Nachbarn wie beispielsweise nach Schweden, den Niederlanden oder auch Großbritannien zeige, dass hier nach Angeboten wie dynamischen Stromtarifen und Smartmetern eine riesige Nachfrage bestehe. Entsprechend werde man hier sein Angebot nach und nach ausbauen, so Villa.

Dazu gehört mit Blick auf Firmenkunden auch die Abrechnung und die Planung der Infrastruktur. „Die Größe eines Ladeparks muss zur Größe des Unternehmens passen.“ Das trifft nicht nur auf Pkw-Flotten zu, sondern auch auf Lkw und Busse, „die nach entsprechenden Ladestationen verlangen“. Mit Blick auf das eigene Wachstum spielen Länder wie Deutschland, UK, Schweden und Dänemark eine besonders wichtige Rolle. „Die Erfahrungen aus diesen Märkten bringen wir wiederum beim Ausrollen unserer Lösungen in anderen Ländern ein“, so Villa. „Mit unserem Ökosystem können wir einen wichtigen Beitrag leisten, zu einer nachhaltigen Mobilität zu kommen.“

Dazu gehört u.a. auch der Ausbau der Ladeinfrastruktur an Fernstraßen. Dafür zeichnet indes die Konzernschwester E.ON Drive Infrastructure verantwortlich. Insgesamt sollen jährlich 1.000 öffentliche und ultraschnelle Ladepunkte in den europäischen Märkten errichtet werden. Allein in Deutschland sei in den kommenden Jahren im Rahmen des Deutschlandnetztes geplant, 170 neue Ladestandorte mit 1.350 Ladepunkten aufzubauen. Dass E.ON zu einem der wichtigen Player beim Ausbau der Ladeinfrastruktur gehört, zeigt auch die Zahl der 20.000 allein im Jahr 2022 europaweit errichteten Ladepunkte für Privat- und Geschäftskunden.

Über den Autor

Frank Mertens

Nach dem Sport- und Publizistikstudium hat er sein Handwerk in einer Nachrichtenagentur (ddp/ADN) gelernt. Danach war er jahrelang Sportjournalist und hat drei Olympische Spiele (Sydney, Salt Lake City, Athen) als Berichterstatter begleitet. Bereits damals interessierten ihn mehr die Hintergründe als das bloße Ergebnis. Seit 2005 berichtet er über die Autobranche. Neben der Autogazette verantwortet er auch den redaktionellen Teil des Magazins electrified.

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