Ach, ist der niedlich. Ganz gemächlich nähert sich der VW Sedric, eine Art Schachtel auf Rädern. VW-Ingenieur Markus Lieber hatte per App den Befehl gegeben, ihn und drei Gäste abzuholen.
Zugleich hatte er noch eine Lichtfarbe ausgesucht (blau). Den richtigen Ort hatte das Auto aus der Position von Liebers Handy selbst errechnet. Jetzt ist Sedric also da, Volkswagens sogenanntes „Self Driving Car“, auf dem vorderen Display blinkt ein blauer Pfeil, der zum Straßenrand zeigt, die Türdisplays zeigen eine winkende Hand und den Schriftzug „Hello“, dann schwenken die gläsernen Türen zur Seite. „Das ist offensichtlich unser Wagen“, sagt Lieber und bittet hinein.
Nur vier Meter lang ist der Sedric, seinen Radstand von 2,55 Metern hat er vom Kleinstwagen Up übernommen, und doch können vier Personen einander gegenüber sitzen, ohne um den Platz für die Beine zu kämpfen. „Es ist wie im T5 oder T6“, sagt Markus Lieber und meint damit den großen VW Bus. Das Geheimnis des Raums: VW hat die Elektromotoren an die Räder gesetzt und die Akkus unterm Boden versteckt. Aggregate wie die Klimaanlage stecken in den Überhängen der Karosserie, also vor oder hinter den Fahrgästen. Und: Kein Lenkrad nimmt den Platz weg, Sedric benötigt keinen Fahrer.
Im VW Sedric über den Testparcours
Auf der 500 mal 500 Meter großen Dynamikfläche des VW-Versuchsgeländes kann ja nichts passieren, aber etwas seltsam ist es doch, in diesem Fahrzeug mitzufahren. Ein Testparcours aus Pylonen ist vorbereitet, und Sedric musste diesen Kurs lernen, bevor er ihn fahren durfte – im wahren Leben hätte das Auto auch alle Straßenkarten gespeichert. Doch die eigentliche Fahraufgabe muss der Wagen selbstständig lösen. Markus Lieber: „Er fährt den Kurs jetzt ab, indem er sich an den Pylonen orientiert. Würden wir ein Hütchen in den Weg legen, dann würde Sedric darum herumfahren.“
Es ist auffällig, wie sanft, wie geradezu elegant Sedric seine Fahraufgabe löst, offenbar sind die Entwickler auch schon in die Feinabstimmung des Fahrgefühls gegangen. Allerdings spielt hier auch die Psychologie eine Rolle: Das Auto fährt maximal 30 km/h, und in der schier endlosen Weite der VW-Asphaltfläche wirkt das fast wie Schritttempo. Genauso auffällig wie der souveräne Fahrstil ist übrigens der dicke rote Not-Ausschalter neben Markus Liebers Platz. Man weiß ja nie.
Sedric ist, anders als alles, was wir heute kennen, auf die totale Selbstständigkeit ausgelegt. Ein Auto des höchsten Autonomie-Levels fünf, das grundsätzlich keinen Fahrer braucht: Nicht mal im Notfall (den es theoretisch niemals geben wird) kann ein Mensch sich nützlich machen – wo kein Lenkrad ist, kann man auch niemandem ins Lenkrad greifen. Zunächst soll Sedric eine Art Robotaxi werden und nicht in Privatbesitz gelangen, aber die Denkaufgabe, die er den Menschen stellt, gilt unabhängig von dem Status des Fahrzeugs: Würden Sie Ihre Kinder von einem autonomen Auto irgendwo hinbringen lassen?
Lieber von Machbarkeit überzeugt
Markus Lieber leitet das Projekt Sedric bei VW, und er ist von dessen Machbarkeit absolut überzeugt. „Wichtig ist, dass man über ein Einsatz-Szenario nachdenkt“, sagt er. „Als Flughafenshuttle würde das Auto schon jetzt funktionieren.“ Damit ist allerdings nicht das Taxi gemeint, das den Passagier von seiner Wohnung abholt und zum Flughafen bringt. Sondern etwa eine Fahrt zwischen zwei Terminals – immer dieselbe Strecke, immer dieselben Bedingungen. So wie die automatisierten Züge, die es etwa am Frankfurter Flughafen und an vielen anderen Airports der Welt schon gibt, nur eben ohne Schienen und individueller.
Sedrics Einsatz auf Hauptverkehrsstraßen kann sich Markus Lieber „in vier, fünf Jahren“, vorstellen, „aber bis wir in die allerletzte Spielstraße kommen, kann es auch noch zehn Jahre dauern.“
Das kennt man von den neuen amerikanischen Mobilitätsfirmen, namentlich Tesla und Uber, ganz anders. Dort werden die neuen Autonomiefunktionen munter im Straßenverkehr getestet, was auch schon Menschenleben gekostet hat. Immerhin: Bei Uber ruht derzeit der Testbetrieb, bis der tödliche Unfall mit einer Fahrradfahrerin aufgeklärt ist. Vielleicht doch ganz gut, dass der VW Sedric derzeit von der Forschungsabteilung betreut wird und noch nicht von den Serienentwicklern. Gut Ding will nämlich Weile haben. (SP-X)
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