Mercedes hat nun auch die V-Klasse elektrifiziert. Die Großraumlimousine wird Anfang 2020 unter der Bezeichnung EQV auf den Markt kommen und eine Reichweite von 405 Kilometer bieten.
Der anhaltende SUV-Boom geht vor allem zu Lasten von Vans. Doch manchmal kann es eine gute Idee sein, antizyklisch zu agieren und womöglich Anführer des nächsten Trends zu sein. Mercedes hat die Großraum-Limousine elektrifiziert und schickt sie mit der Modell-Bezeichnung „EQV“ ins Rennen um die Kundengunst.
Auf eine der nächsten großen Auto-Messen wollte man bei der Marke mit dem Stern offenkundig nicht warten und zelebrierte die „Weltpremiere“ in der schwäbischen Firmen-Heimat Sindelfingen. Die Bezeichnung des neuen Vans lässt eine zweigeteilte Botschaft erkennen: Die Buchstaben „E“ und „Q“ signalisieren Verwandtschaft mit anderen elektrischen Pkw-Modellen von Mercedes, das „V“ verrät die Nähe zur vorhandenen V-Klasse, die Mercedes bereits seit 1996 im Portfolio hat. Und genau wie diese soll der elektrifizierte Ableger im nordspanischen Vitoria vom Band laufen.
Ergänzung zum eVito und eSprinter
Im größten Pkw-Markt des Kontinents, Deutschland, sind zwar die Neuzulassungen von Vans in den letzten fünf Jahren erheblich zurückgegangen. Waren es 2013 noch rund 322.000 Einheiten, so registrierte das Kraftfahrtbundesamt im vergangenen Jahr nur noch 203.000 amtliche Anmeldungen. Bei genauerer Betrachtung fällt jedoch auf, dass die Großraum-Vans im Gesamtsegment nur wenig an Akzeptanz eingebüßt haben. Das macht die Entscheidung der Mercedes-Verantwortlichen für die elektrische Variante der V-Klasse plausibel. Nicht nur, weil sie als sinnvolle Ergänzung der beiden Strom-Transporter eVito und eSprinter gelten kann, sondern auch, weil für emissionsfreie Fahrzeuge in diesem bisher von Diesel-Antrieben dominierten Markt Fahrverbote in der Zukunft nicht zu befürchten sind.
Nach Aussage von Marcus Breitschwerdt, Chef von Mercedes-Benz Vans, hat das neue Fahrzeug für den Verkauf einen „klaren europäischen Fokus“. Nach seinen Erwartungen werden die Kunden zu großen Teilen aus dem gewerblichen Bereich kommen – bei der V-Klasse waren es zuletzt rund drei Viertel – aber auch die privaten Nutzer sollen sich angesprochen fühlen. Junge Leute und Familien vor allem, die laut Breidtschwerdt „einen aktiven Lebensstil pflegen und auf Nachhaltigkeit Wert legen“. Nicht nur die Tatsache, dass Liefer-, Kurier-Dienste wegen des boomenden Versandhandels mehr Fahrzeuge dieser Art benötigen, macht den Vansparten-Lenker zuversichtlich, sondern auch der steigende Bedarf von Mietwagen- und Shuttle-Verkehr.
Theoretische Reichweite von 405 Kilometer
Per Hersteller-Definition ist der EQV die „erste Premium-Großraumlimousine mit elektrischem Antrieb“. Sie biete „souveräne Fahrleistungen, dynamische Elektro-Ästhetik, intuitive Bedienung und ein großzügiges Raumangebot“, preist Marcus Breitschwerdt ihre Eigenschaften. Mit einem 150 kW starken Elektromotor, der mit maximal 352 Newtonmetern Drehmoment auf die Vorderachse wirkt, ist der Van für ein Tempo von 160 km/h gut.
Der versprochene Aktionsradius von 405 Kilometern Reichweite – sie sind noch nach dem ausgelaufenen NEFZ-Zyklus errechnet – ist aber naturgemäß nur dann erreichbar, wenn das Top-Tempo nicht allzu oft ausgenutzt wird. Die serienmäßige Schnelllade-Funktion auf 110 kW-Basis soll das Wiederbefüllen der 100-kWh-Batterie von zehn auf 80 Prozent Ladung unter 45 Minuten erlauben.
Zwei Längen im Angebot
Der Wagen mit seitlichen Schiebetüren ist in zwei Karosserielängen und zwei Radständen zu haben. Die Basisversion ist 5,14 Meter lang und einen Radstand von 3,20 Metern, die um 23 Zentimeter längere Streck-Version kommt auf einen Raum von 3,43 Meter zwischen den Achsen. Dort ist die Batterie untergebracht, die mit rund 700 Kilogramm zur Fahrzeugmasse beträgt. Um eine ausreichende Transportkapazität für Insassen und Gepäck zu gewährleisten, beträgt das zulässige Gesamtgewicht des EQV 3500 Kilogramm.
Um den Van optisch von herkömmlich angetriebenen Großraumlimousinen abzugrenzen, wird die Front vom Black-Panel-Kühlergrill mit Chromlamellen bestimmt. Vorn auf der Fahrerseite ist auch die Klappe für den Ladeanschluss integriert. Die Seitenansicht charakterisieren spezifische EQ Design-Leichtmetallrädern im 18-Zoll-Format. Im Innern ergänzen warme Akzente wie Roségold die markante Ästhetik. Zentrales Merkmal der Interaktion zwischen Mensch und Fahrzeug ist die intuitive Mercedes-Benz User Experience (MBUX). Sie vereint einen 10-Zoll-Touchscreen mit einer lernfähigen Sprachbedienung und innovativen Konnektivitäts-Features.
Platz gibt es genug
Für den Innenraum sind verschiedene Bestuhlungssysteme erhältlich. Die Passagiere finden auskömmliche Platzverhältnisse vor. In der ersten Reihe steht ihnen zwischen den Türverkleidungen eine Breite von 1,57 Metern zur Verfügung. Etwas mehr als 1,50 Meter sind es in der zweiten und immerhin noch 1,42 Meter in der dritten Sitzreihe. Der dahinterliegende Gepäckraum wird mit 1030 Liter (abhängig von der Ausstattung) angegeben. Die nach oben schwingende Klappe gibt eine sehr niedrige Ladekante und eine Öffnung von 1,28 Meter Breite frei. Allerdings ist beim Betreten der Fläche unter der offenen Klappe Vorsicht geboten. Das Schloss in 1,83 Metern Höhe könnte einen ungewollten Scheitel ziehen.
Ebenso wie über die Herkunft der verwendeten Batterie-Zellen möchte Mercedes über den Preis des Anfang nächsten Jahres in den Handel kommenden Vans zum jetzigen Zeitpunkt nicht reden. Es darf vermutet werden, dass er sich oberhalb dessen einpendeln wird, was derzeit die V-Klasse der Spezifikation 300d kostet. Das sind inklusive Mehrwertsteuer 54.513 Euro. Wer sich dennoch schon jetzt für das EQV-Konzept entscheiden möchte, wird von Marcus Breitschwerdt herzlich begrüßt: „Ich nehme skrupellos jede Bestellung entgegen“.
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