Jeder redet derzeit von Elektroautos. Die Brennstoffzelle spielt dagegen in der öffentlichen Diskussion nur eine geringe Bedeutung. Zu Unrecht, wie Toyota beweist.
Die Japaner sind Vorreiter bei der Wasserstofftechnologie. Mit ihrem Modell Mirai zeigt der japanische Autobauer bereits seit Jahren, wie nachhaltige Mobilität ausschauen kann. In Kürze wird Toyota ab dem 24. Oktober auf der Tokio Motor Show die zweite Generation des Mirai präsentieren. Er wird dann nicht nur gefälliger ausschauen als die bisherige Generation, sondern er wird auch endlich in nennenswerter Stückzahl produziert werden. Die jährliche Produktion soll dann ab dem kommenden Jahr bei 30.000 Einheiten liegen.
Um sich nochmals die Vorzüge der Brennstoffzelle vor Augen zu führen, luden die weltweit aktive Hydrogen Society und Toyota zu einem Erfahrungsaustausch inklusive Testfahrten von London-Heathrow nach Swindon. Der Zeitpunkt der Veranstaltung war dabei bewusst gewählt, denn der von Toyota gesponsorte Technologieträger Energy Observer legte seinen 47. Zwischenstopp für eine Woche am St. Katharine Pier direkt bei Londons Wahrzeichen Tower Bridge ein.
Die Daten des von unten (Brennstoffzellenstacks und Wasserstofftanks) bis oben (flexible Solarpaneele) mit HighTech vollgestopften Forschungsträgers werden von einer kleinen Forschungsmannschaft mithilfe von 1500 Sensoren seit nunmehr drei Jahren und noch bis 2022 bei allen denkbaren Temperatur- und Wetterbedingungen ausgewertet. „Sobald sich eine neue Solar- oder Brennstoffzelle ankündigt, testen wir sie. Wir testen fasst alles“, berichtet die Crew. Bei 45 Grad Celsius in Israel bis unter dem Gefrierpunkt. „Wenn es auf diesem Schiff funktioniert, ist es überall einsatzfähig.“
Lösung für nachhaltige Mobilität
Der Mirai Road Trip war deshalb weit mehr als die nochmalige Vorstellung der Qualitäten des ausgewachsenen Wasserstoffautos (FCEV, Fuel Cell Electric Vehicle) Mirai. Es ging darum, Lösungen für die ökologisch und ökonomisch nachhaltige Mobilität aufzuzeigen. Und eine dieser Lösungen ist die Brennstoffzellentechnologie. Dass diese Technik ganze Städte versorgen kann, also genauso für immobile Energieversorgung taugt, zeigen inzwischen etliche Pilotprojekte wie das in Swindon, dem ersten Hydrogen Hub in Großbritannien.
Die Losung, die über der zweitägigen Veranstaltung vom Energielieferanten Shell bis zum Membranhersteller für die Brennstoffzellenstacks stand: „Es gibt verschiedene Möglichkeiten, Wasserstoff zu entwickeln. Wir brauchen sie alle.“
Toyota mit langem Atem
„Bis die von Brennstoffzellenfahrzeugen benötigte Infrastruktur ausreichend weit verbreitet ist, werden höchstwahrscheinlich noch zehn oder zwanzig oder vielleicht sogar noch mehr Jahre vergehen. Es wird ein langer und beschwerlicher Weg werden. Im Dienste der Zukunft ist der jedoch unausweislich“, bilanziert Yoshikazu Tanaka, Entwicklungsmanager des Mirai, die Situation nüchtern. Deshalb ist es nur konsequent, dass der Zukunftsträger Mirai an den Start geht – mit Stückzahlen von 30.000 pro Jahr und damit dem zehnfachen der bisherigen Produktion.
Die Premiumlimousine ist konzipiert für vier Personen, mit ordentlich großem Kofferraum (erneut größer im neuen Mirai), angenehm zügigem und ruhig sanftem Fahrverhalten bei beruhigend großer Reichweite von 500 Kilometer. Ein reines Elektrofahrzeug (BEV, Battery Electric Vehicle) bräuchte dafür eine gewaltige Batterie mit entsprechend viel Gewicht und seltenen Erden. Der Mirai hat nur eine kleine Pufferbatterie, denn für den eigentlichen Antrieb sorgen Brennstoffzellen, die durch die chemische Reaktion von Wasserstoff mit Sauerstoff Elektrizität produzieren. Am Ende der Elektrolyse speit der Toyota Mirai reines Wasser aus dem Auspuff. Ein komplexes, aber sehr effizientes und ungefährliches Verfahren. Brandgefahr oder gar Explosion sind bei sämtlichen anderen Antriebsoptionen erwiesenermaßen höher.
30 Prozent mehr Reichweite
Die zweite Modellgeneration des Mirai, japanisch für Zukunft, die Toyota im nächsten Jahr auf den Markt bringt, macht einen großen Sprung nach vorn. Die Premiumlimousine kann mit einem Reichweitenplus von bis zu 30 Prozent und damit gut 650 Kilometer Reichweite punkten. Die derzeit 75 Wasserstoffzapfsäulen in Deutschland, die bald auf hundert gestiegen sein sollen, lassen Reichweitenangst somit nicht mehr aufkommen. Großbritannien zieht nach, denn auch hier und in immer mehr Ländern weltweit wird der Mobilität mit Brennstoffzelle eine große und nachhaltige Zukunft zugemessen.
Jenseits von Henne und Ei
Etwas mehr als 600 Toyota Mirai fahren auf Europas Straßen, weltweit sind es noch keine zehntausend seit dem Start in Japan im Jahr 2014 und in Europa und den USA ein Jahr später. Eine vernachlässigbare Größe, mag manch einer einwenden und fragen: Wozu der immense Aufwand? Gleichzeitig streitet mittlerweile die ganze Welt über Klimawandel, Luftverschmutzung und welche Maßnahmen nötig sind, um ihrer Herr zu werden.
Die Henne-Ei Problematik, ob zuerst Ladeinfrastruktur oder Brennstoffzellenautos vorhanden sein müssen, um die Technik auf die Straße zu bringen, setzen Toyota und die Wasserstoffgesellschaft gemeinsam außer Kraft, indem sie einfach loslegen. Inzwischen ist es Allgemeinwissen, dass Wasserstoff (H2) in der Natur zwar nicht ungebunden vorkommt, aber leicht herzustellen ist und sich äußerst vielseitig einsetzen lässt.
Warum fiel die Wahl auf Swindon, um die Technologie vorzustellen? Die Stadt in den Midlands ist ein wahrer Brennstoffzellen-Hub geworden. Das liegt nicht zuletzt daran, dass hier mit Johnson Matthey, JM, ein Weltkonzern seinen Hauptsitz hat, der auf mehr als fünf Jahrzehnte Erfahrung in der Entwicklung von Brennstoffzellentechnologien verweisen kann. „Wir brauchen eine Lösung für dekarbonisiertes Gas, und Wasserstoff ist die beste“, heißt es bei JM einhellig. In den 1960er Jahren lieferte JM Katalysatoren für die Brennstoffzellen der Raumfahrtmissionen Apollo und Gemini. „Seit den 1990ern richten unsere Wissenschaftler ihr Augenmerk darauf, Katalysatoren und Komponenten mit hoher Leistung und niedrigen Kosten zu entwickeln, die Brennstoffzellen zu einer echten Option für die Energieerzeugung machen.“
Wasserstoff wird Schlüsselrolle beigemessen
Bei JM ist man überzeugt, dass Wasserstoff bei der Dekarbonisierung des Verkehrs eine Schlüsselrolle spielen wird. Diese Überzeugung teilen sie unter anderem mit ITM Power (PLC) aus Sheffield, weltweit führend in der PEM Elektrolyse-Technologie (Proton Exchange Membrane, Protonen-Austausch-Membran), an dem seit Oktober auch Linde beteiligt ist. Der Hersteller integrierter Wasserstoff-Energiesysteme auf Basis der von JM gelieferten Membrane, verfügt über eine Produktpalette, die über 100 Megawatt skalierbar ist. Besonders wichtig ist, dass ITM Power Wasserstoff schnell und mit jeweils passendem Druck, passender Durchflussmenge und Reinheit liefern kann.
Arval UK, Flottenmanagement- und Leasingspezialist der BNP Paribas-Gruppe, gehört zu den stärksten Förderern der Wasserstoffmobilität und hat das erklärte Ziel, die Zahl von Wasserstoffautos in Flotten rasch auszuweiten. Kinder frühzeitig einzubinden und ihnen zu erklären, was es mit dieser Form der Energie auf sich hat, sei ein wichtiger Bestandteil. „Kinder gehen vorurteilsfrei heran“, betont Paul Marchment von Arval. Zusammen mit der Hydrogen Society Großbritannien stellt das Unternehmen Lehrern „spannende Unterrichtsmaterialien zur Brennstoffzelle im Chemieunterricht“ kostenfrei zur Verfügung.
Angesichts dessen, was die Experten bei der Veranstaltung referierten, gibt es nur eine Schlussfolgerung: Reine Elektroautos sind nur eine Übergangstechnologie, den Brennstoffzellenfahrzeugen gehört die Zukunft der Elektromobilität. Nun kann man sich überraschen lassen, ob es dem neuen Toyota Mirai mit seinem deutlich gefälligeren Aussehen gelingen kann, eine breitere Klientel für diese Technologie zu gewinnen. Dazu gehört auch ein niedrigerer Preis: der aktuelle Mirai steht mit 78.000 Euro in der Preisliste.
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