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Tesla-Werk in Grünheide: Ende der Euphorie

Die Kontroversen um die Tesla-Fabrik in Grünheide gehen weiter. Illustration: Tanya Korniichuk

Tesla kommt aus den Schlagzeilen nicht heraus. Gerade erst hat Tesla-Chef Elon Musk den Kauf von Twitter abgesagt – und das Werk in Grünheide legt eine zweiwöchige Produktionspause ein.

Von Raymond Colitt


Elon Musk wird von seinen Fans wie ein Popstar verehrt. Der Chef des US-Elektroautobauers Tesla kann für sie machen, was er will: seiner Popularität tut das keinen Abbruch. Im brandenburgischen Grünheide hat der Südafrikaner in Rekordzeit eine Giga-Factory mit Unterstützung der Landesregierung aus dem Boden gestampft.

Doch Musk trifft auch auf Widerstand: Umweltschützer kritisieren die Fabrik wegen des enormen Wasserverbrauchs. Den Tesla-Chef lässt das unberührt – er sorgt unterdessen für neue Schlagzeilen: sei es nun durch den Übernahmeversuch von Twitter, seine Sympathie für die Republikaner oder wie mit der Aussage, dass die Werke in Austin und Grünheide „gigantische Geldverbrennungsöfen“ seien.

Werk in Rekordzeit gebaut

Die Eröffnung des Werks in Grünheide – das gerade eine zweiwöchige Produktionspause einlegt – war dabei noch ein Fest der Superlative. Gefeiert wurde es mit einem Feuerwerk, Prominenz und einem strahlenden Elon Musk, der zu Louis Armstrongs ‘What a Wonderful World’ die Schlüssel am 22. März zu den ersten 30 Tesla Model Y übergab. Trotz Verzögerung wurde die Gigafabrik in Grünheide in Rekordzeit gebaut. Tesla und Brandenburg hatten einen neuen Maßstab gesetzt und gezeigt, wie man durch Deutschlands berüchtigten Behördendschungel navigiert. Wirtschaftsminister Robert Habeck sprach vom `Tesla Tempo´ und sogar Bundeskanzler Olaf Scholz strahlte.

„Elon you are a hero,” schrie einer aus dem Publikum, während Musk seine Zuhörer aufrief an eine bessere, saubere Welt zu glauben. Die Fabrik in Grünheide sei ein großer Schritt, die globale Klimakrise zu überwinden, so der 51 Jahre alte Milliardär. Der Coup schien komplett. Der gebürtige Südafrikaner hatte der deutschen Autoindustrie im eigenen Hinterhof eine Lektion in Demut erteilt.

Kontroversen sind zurück

Noch Wochen nach der Eröffnungsfeier liefen die Blogs und Chats von Tesla-Fans heiß. Vereinzelte Qualitätsmangel wurden zumeist als Kinderkrankheiten abgeschrieben. Für besonders viel Furore sorgte das Drohnenvideo der neuen Anlage mit spektakulärer Kameraführung vorbei an stampfenden Giga-Pressen und im Slalom am Förderband entlang durch halbfertige Karosserien.

Nachdem die Euphorie vorüber war, kehrten die Kontroversen über die Fabrik und ihren Besitzer zurück. Neue Warnungen vor Wasserknappheit, andauernde Rechtsstreitigkeiten und ein Leck in der Lackiererei machten Schlagzeilen – ganz zu schweigen von Elon Musks Übernahmetanz mit Twitter oder der Ankündigung, dass er ab jetzt für die Republikaner wählen würde, da die Demokraten zu einer Partei der „Spaltung und des Hasses“ geworden seien. Sollte er Twitter für umgerechnet 41,8 Milliarden Euro übernehmen, würde er Ex-US-Präsident Donald Trump wieder twittern lassen, ließ Musk wissen. Doch dazu wird es nicht kommen. Musk hat den Kauf des Kurznachrichtendienstes abgesagt.

Diskussion um Homeoffice

Aber auch bei seinen Mitarbeitern sorgte er für Verunsicherung. So ließ er sie per Mail wissen, dass er von Home-Office nichts hält und er sie wieder im Büro sehen wolle. Ohnehin müssen sich die Mitarbeiter in der Verwaltung auf einen Jobabbau einstellen. Ende Juni teilte er mit, dass seine Fabriken in Austin und Grünheide derzeit „Milliarden an Dollar“ verlieren würden und kündigte einen Stellenabbau von 3 bis 3,5 Prozent in der Verwaltung an, die in den Fabriken sollen wachsen.

Von Anfang an war klar, dass Musks “Just-do-it” Stil auf dem alten Kontinent mehr Staub aufwirbeln würde als im lässigen Westen Amerikas. Die Frage ist, ob Musk und Brandenburg Abkürzungen genommen haben, die die Region noch heimsuchen könnten.

Wasserbedarf einer 40.000 Einwohner-Stadt

Eines der Hauptprobleme: die Fabrik hat einen enormen Wasserbedarf – 1,3 Millionen Kubikmeter pro Jahr. Das entspricht einer Stadt mit 40.000 Einwohnern. Doch die Region um Grünheide gehört zu den trockensten Deutschlands, und seit Jahren wird mehr Grundwasser verbraucht als auf natürliche Weise aufgestockt wird. Die Entwicklung verschärft sich durch den Klimawandel. So waren 2021 die beiden niederschlagsärmsten Bundesländer Berlin und Brandenburg, wo es 560 bzw. 590 Liter pro Quadratmeter regnete. Zum Vergleich: In Baden-Württemberg regnete es im selben Jahr nach Angaben von Statista.de 935 Liter/m2. Gerade die Region um die Gigafabrik südöstlich von Berlin taucht auf den Karten der klimatischen Wasserbilanz immer wieder in jenem dunkelroten Ton auf, der eine weit unter dem Bundesdurchschnitt liegende Regenmenge anzeigt.

“Wir sind eine der trockensten Regionen Deutschlands und da kommt der reichste Mann der Welt und will ganz viel Wasser haben und Wald abroden“, sagt Manuela Hoyer, Vorstandsvorsitzende der Bürgerinitiative Grünheide. „Das hat mit Umwelt und grünen Autos nichts mehr zu tun.“ Dass Tesla coole, CO2-einsparende E-Autos produziert, tausende von Arbeitsplätzen schafft, und die regionale Wirtschaftsentwicklung antreibt, stellen die Wenigsten in Frage. Laut Think-Tank InfluencMap ist Tesla weltweit die Nummer Eins der Autoindustrie in Sachen CO2- Einsparung.

Brainpower der Region nutzen

Die meisten Kritiker haben nichts gegen Tesla selbst, meinen aber, dass es einen besseren Standort gegeben hätte. Das Unternehmen und die Behörden hätten besser planen, vorbeugen und kommunizieren können. Warum Tesla tatsächlich in Grünheide gelandet ist, ist eine Mischung aus dem, was Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) Hunger auf Industrie nannte, und Elon Musks Wunsch, in Berlin zu sein, um das enorme Potenzial an Brainpower für sein Entwicklungszentrum zu nutzen.

Da aber die verfügbaren Bauflächen in Berlin zu klein waren, überzeugte Woidke mit einem riesigen Grundstück, dass nicht nur Zugang zu Eisenbahn und Autobahn hat, sondern so nah an Berlin war, dass man praktisch ein Blick auf den Fernsehturm hat. Zudem war der Standort schon als Gewerbegelände vorgesehen, und auch von der Autoindustrie angepeilt gewesen. Dass Tesla dann so ins Kreuzfeuer kam, ist dem einen oder anderen nicht verständlich. “Das ist so ein bisschen scheinheilig”, sagt Sascha Matern, Tesla-Fahrer in einer Berliner Vorstadt. “Da hätte jetzt genauso gut BMW sein können.” In der Tat, vor zwei Jahrzehnten hatte der bayerische Autobauer über den Standort nachgedacht, war aber stattdessen nach Leipzig gezogen.

Anwohner fühlen sich überrollt

Seitdem wurde aber ein Großteil des Areals, auf dem die Fabrik steht, zum Wasserschutzgebiet erklärt, womit eigentlich seitenlange Auflagen entstanden, die zulässige Aktivitäten beschränken, so zum Beispiel das Bohren oder das „Errichten oder Erweitern von Industrieanlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen in großem Umfang“. „Tesla ist mit Dingen davongekommen, mit denen wir niemals durchgekommen wären,“ hieß es kürzlich aus der Führungsetage eines süddeutschen Automobilkonzerns.

In der Tat, nicht wenige Anwohner in Grünheide haben das Gefühl, dass sie überrollt und ihre berechtigten Bedenken ignoriert wurden, um den Genehmigungsprozess zu beschleunigen. So meinen die Naturschutzverbände NABU und Grüne Liga, dass das Umweltministerium des Landes es versäumte, Expertenmeinungen einzuholen und spezifische Folgenabschätzungen durchzuführen. Anstatt die Wasserreserven für die nächsten Jahrzehnte zu prognostizieren, verwendete es veraltete hydrologische Daten, die den Klimawandel ignorierten, so die Verbände.

Grundwasser geht zurück

Wasserknappheit in der Region sorgt beim Tesla-Werk immer wieder für Diskussionen. Illustartion: Tanya Korniichuk

Dabei hat Brandenburg’s Landtag im August 2020 in einem Beschluss zur Anpassung an den Klimawandel im Politikfeld Wasser erfasst, wie es um die Wasserreserven in der Region steht. Da heißt es unter anderem: „…langjährige negative Trends der Grundwasserstände in den letzten 40 Jahren deuten an, dass zukünftig auch mit einem Rückgang des Grundwasserangebots gerechnet werden sollte.” Abnehmende Wassermengen und zunehmender Bedarf werden zu größeren Nutzungskonkurrenzen führen, heißt es.

Tatsächlich wird es erstmal gar keine Konkurrenz geben, weil es kein Wasser mehr gibt. In Folge der Inbetriebnahme der Gigafabrik hat der zuständige Wasserverband Strausberg-Erkner erklärt dass die Genehmigung von Bebauungsplänen und anderen Gewerbe- und Industrieansiedlungen “wegen fehlender Grundwasserentnahmemengen derzeit nicht möglich” ist.

NABU: Schaden für die Umwelt

Dass Grünheide in Rekordzeit errichtet wurde, habe der Umwelt – und auch der Glaubwürdigkeit von Tesla geschadet. NABU-Landesgeschäftsführerin Christiane Schröder nennt in diesem Zusammenhang die Nacht- und Nebel-Aktion bei der Rodung des Waldes oder die Umsiedlung von Tieren, die „eher zu deren Tod als zum Artenschutz“ beigetragen hätten. “Unsere Landesregierung hatte sehr schnell die Dollarzeichen in den Augen und einen roten Teppich ausgerollt, sagte sie. “Sicherlich hat sie an vielen Stellen auch Versprechen gemacht und war in der Bringschuld, ohne das im Vorfeld sauber durchdacht zu haben.” Brandenburgs Wirtschaftsminister Jörg Steinbach (SPD) bestreitet dies. Vorabzulassungen, die es Musk erlaubten auf eigenes Risiko schneller voranzukommen, wurden “auf Basis eines gründlichen Prüfverfahrens erteilt”, so Steinbach im Interview mit electrified.

Musks Auftreten wird als arrogant erachtet

Tesla-Chef Elon Musk wird von seinen Fans verehrt. Illustartion: Tanya Korniichuk

Wenig Vertrauensfördernd ist das Auftreten von Musk; nicht wenige erachten es als arrogant. Als eine Reporterin nach dem Wasserversorgungs-Problem fragte, brach Musk in ein höhnisches Gelächter aus. „Hier ist überall Wasser“, ergötzte sich Musk bei einem Besuch in Grünheide im Oktober 2021 an der Seite von Armin Laschet, damals Kanzlerkandidat der CDU. „Kommt Ihnen das wie eine Wüste vor? Es ist lächerlich. Es regnet viel.” Das Unternehmen, welches keine PR-Abteilung hat, sperrte bei der Eröffnung des neuen Tesla-Werks ein Team des Zweiten Deutschen Fernsehens aus, angeblich wegen einer kritischen Reportage während der Bauphase, so das ZDF.

Aus klimapolitischer Sicht gibt es t offene Fragen. So gibt das Carbon Disclosure Project Tesla eine mangelhafte Note in Bezug auf Klimawandel und Wasserpolitik, weil das Unternehmen es versäumt habe, auf ihren Fragebogen zu antworten. Zu den bestplatzierten Autoherstellern in diesen beiden Kategorien gehören Toyota und Volkswagen. Transparenz wird von Tesla allseits vermisst. Das jetzt zum Beispiel noch ein Güterbahnhof gebaut werden soll und um die 100 Hektar zusätzlich Wald gerodet werden sollen, empfindet Frau Hoyer von der Bürgerinitiative als Skandal. Andere hoffen auf mehr Zusammenarbeit. So zum Beispiel könnte sich das Unternehmen mehr bei der Minderung der Umweltauswirkungen engagieren, indem es lokale Initiativen unterstützt. Anstatt eine von mehreren Baumpflanzinitiativen n Brandenburg zu unterstützen, könnte es Projekte fördern, die den Wasserrückhalt und die Grundwasseransammlung vor Ort erheben und damit ein Stück des kostbaren Gutes wieder zurück an die Natur geben. “Wir hoffen, Tesla hat dafür ein offenes Ohr”, so Frau Schröder.

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