Jörg Steinbach ist Wirtschaftsminister in Brandenburg. Der SPD-Politiker war maßgeblich daran beteiligt, dass Tesla seine Giga-Factory in Grünheide baut.
Die Tesla-Fabrik in Grünheide steht nach wie vor in der Kritik. Umweltverbände befürchten in der Region eine Wasserknappheit, da die Fabrik soviel Wasser wie eine Kleinstadt verbraucht. Die Landesregierung hat alles dafür getan, dass die Giga-Factory von Elon Musk nach Brandenburg kommt. Wirtschaftminister Jörg Steinbach war maßgeblich daran beteiligt. Im Interview mit electrified spricht der SPD-Politiker über die Sorgen der Umweltschützer und die Bedeutung der Fabrik für den Wirtschaftsstandort Ostdeutschland.
«Die Geschwindigkeit des gesamten TeslaProzesses hat viele beeindruckt»
electrified: Herr Steinbach, der Tesla-Fabrik in Grünheide folgten BASF mit einer Batterie-Recyclingfabrik und Rock Tech mit einer Lithiumfabrik. Der hohe Anteil an Erneuerbaren und der Reputationseffekt von Tesla spielten dabei eine große Rolle. Wie sieht es jetzt aus? Erwarten Sie noch weitere Zuliefer-Industrien und auch einen Zuzug von Nachwuchswissenschaftlern in den Bereichen Batterietechnologie?
Jörg Steinbach: Ja bestimmt. Zum einen fährt Tesla seinen Betrieb erst hoch und ist längst nicht an der angestrebten Auslastung angekommen. Und Tesla hat immer betont, dass sie möglichst viele Zulieferer in der Region haben wollen, wie das zum Beispiel in Shanghai auch ist. Andererseits haben wir als Land Interesse daran, eine breiter gefächerte Wirtschaftsleistung zu haben. Dazu wollen wir auch mehr Nachwuchsingenieure haben, nicht nur im Bereich Batterietechnologie.
electrified: Sie haben immer wieder Änderungen beim deutschen Genehmigungsrecht angemahnt. Sind ihre Mahnungen erhört worden?
Steinbach: Das ist ein längerer Prozess. Die Geschwindigkeit des gesamten Tesla-Prozesses hat viele beeindruckt, sodass wir mit anderen Bundesländern im Gespräch sind, was daraus übernommen werden kann. Auch der Bund hat dieses Thema – u.a. wegen des Ausbaus der erneuerbaren Energien – ganz oben auf die Agenda gesetzt- Ich bin zuversichtlich, dass nach und nach auch Änderungen Eingang ins Genehmigungsrecht finden. Der politische Wille ist jedenfalls bei vielen da.
electrified: Mit der Ansiedlung der Tesla-Fabrik haben Sie gezeigt, dass ungeachtet des deutschen Genehmigungsverfahrens Großprojekte schnell umsetzbar sind. Wie bedeutend war es, dass Sie mit Vorabzulassungen gearbeitet haben? Werden dadurch evtl. aber umweltrechtliche Bedenken als nachgeordnet gegenüber den wirtschaftlichen Belangen eingeordnet?
Steinbach: Die Vorabzulassungen waren mit entscheidend für den kurzfristigen Zeitraum. Ohne sie zu nutzen, wäre es wesentlich langsamer gegangen, eben in der bekannten Weise ‚eines nach dem anderen. Ganz wichtig ist dabei aber, dass jede Voraberlaubnis auf Basis eines gründlichen Prüfverfahrens erteilt wurde. Dabei musste auch sichergestellt sein, dass die finale Gesamtgenehmigung wahrscheinlich ist. Hierzu wurden auch immer die umweltrechtlichen Aspekte geprüft.
«Brandenburg verfügt über sehr hohen Anteil erneuerbarer Energien»
electrified: Wie besorgt waren Sie als im April 15.000 Liter Flüssigkeit bei Tesla aus der Lackiererei ausgetreten sind? Viele hatten sich geärgert und sahen Probleme in der Kommunikationskette.
Steinbach: Die schnelle Entwarnung durch die zuständigen Behörden hat mich beruhigt. Entscheidend ist, dass zu keinem Zeitpunkt die Gefahr eines Eintrags ins Grundwasser oder in die Schmutzwasserkanalisation vorhanden war, wie Minister Vogel erklärt hat.
electrified: Brandenburg hat bereits vor der Diskussion um Versorgungssicherheit in Folge des Ukraine-Krieges stark auf den Ausbau der Erneuerbaren Energien gesetzt. Wie hoch ist denn gerade der Anteil der Erneuerbaren am Strom-Mix?
Steinbach: Brandenburg verfügt über einen sehr hohen Anteil erneuerbarer Energien, der bilanziell für das Jahr 2019 bei 94,8 Prozent des Jahresstromverbrauchs liegt.
electrified: Der Ukraine-Krieg hat dazu geführt, dass sich Deutschland schneller unabhängig machen will von russischem Gas. Hat der Konflikt Auswirkungen auf das Ausbautempo der Erneuerbaren in Brandenburg? Welche Ausbauziele haben Sie bis 2025?
Steinbach: Wir haben unsere Ziele im Koalitionsvertrag und in der Energiestrategie 2030 formuliert. Sie zeigen, wie ehrgeizig der Ausbau erneuerbarer Energien in Brandenburg bereits ist. Das nächste Etappenziel für Brandenburg ist das Jahr 2030. Bis dahin sollen die erneuerbaren Energien einen Anteil von 40 Prozent am Endenergieverbrauch haben und der Anteil am Stromverbrauch soll bei rechnerisch 100 Prozent liegen. Das Ausbauziel für die Windenergie liegt aktuell bei 10,5 GW bis 2030. Die Energiestrategie wird derzeit auf das Betrachtungsjahr 2040 weiterentwickelt, die Ziele werden in diesem Zusammenhang überprüft.
«Hindernisse bestehen vor allem in fehlenden Flächen»
electrified: Wie zufrieden sind Sie mit dem Osterpaket von der Bundesregierung zum Ausbau der Erneuerbaren?
Steinbach: Es ist zu begrüßen, dass mit dem Osterpaket auch vor dem Hintergrund der aktuellen Lage der Ausbau der erneuerbaren Energien massiv beschleunigt werden soll und diese nun per Definition im überragenden öffentlichen Interesse liegen bzw. der öffentlichen Sicherheit dienen. Es wurden viele positive Maßnahmen eingebracht, um die einzelnen Energieträger stärker auszubauen. Es bleiben allerdings Zweifel, ob mit den stark erhöhten Ausschreibungsmengen das Ziel, bereits im Jahr 2035 die Stromversorgung fast vollständig aus erneuerbaren Energien zu decken, erreicht werden kann. Hindernisse bestehen vor allem in fehlenden Flächen für den Ausbau der erneuerbaren Energien und langwierigen Planungs- und Genehmigungsverfahren. Es bedarf auch eines beschleunigten Ausbaus der Stromnetze, damit der so gewonnene Strom zu den Verbrauchern gelangen kann. Auch wird noch zu wenig darauf eingegangen, wie unnötige Bürokratie im EEG und beim Erneuerbaren-Ausbau abgeschafft werden kann.
electrified: Zurück zu Tesla. Elon Musk gilt als Visionär, ist jedoch kein Freund der Gewerkschaften und hält wenig von gängigen Regeln. Bei der Eröffnung der Tesla-Fabrik wurde beispielsweise ein TV-Sender wegen eines kritischen Berichts nicht zugelassen. Überhaupt wird der Firma manchmal eine fehlende Transparenz und unzureichende Informationspolitik vorgeworfen. Ist das als ein einzigartiger Führungsstil zu sehen und okay so, oder gibt es da Fragen zur Unternehmensverantwortung? Wie stehen Sie dazu?
Steinbach: Es steht mir nicht an, den Führungsstil von Elon Musk zu bewerten. Wir sprechen mit Tesla über zu diskutierende Punkte, aber das passiert auf fachlicher Ebene und dort soll es auch bleiben. Im Übrigen gelten für Tesla dieselben arbeitsrechtlichen Regeln wie für jedes andere Unternehmen.
«Wasserfrage ein übergordnet wichtiges Thema»
electrified: Am Tag des Spatenstichs sagten Sie, dass das Thema Wasser abgehakt sei. Doch es holt Sie anscheinend immer wieder ein, zuletzt mit der Meldung, dass der Wasserverband Strausberg-Erkner (WSE) den Wasserverbrauch von Privathaushalten evtl. begrenzen muss, und dass es für neue Unternehmen wie Google nicht mehr genug Wasser gibt. Gibt es denn nun genug Wasser für alle Ausbaustufen der Tesla Fabrik? Muss beim Thema Wasser und Umweltschutz noch nachgebessert werden? Was für Lösungen sehen Sie?
Steinbach: Ich kann mich da nur wiederholen: Es gibt genug Wasser für die erste Ausbaustufe für Tesla und dafür gibt es unterschriebene Verträge. Verträge gibt es noch nicht für mögliche weitere Ausbaustufen und das war auch immer klar. Was weitere Ansiedlungen betrifft, haben wir bislang keine Kenntnis über einen Zusammenhang von Standortentscheidungen von Unternehmen und der Wasserverfügbarkeit. Auch nicht von Google. Dass ganz allgemein die Wasserfrage in Zeiten zunehmender Trockenheit ein übergeordnet wichtiges Thema ist, ist unbestritten. Entsprechend arbeitet das Umweltministerium auch daran.
electrified: Sie sagten mir einmal, dass es große kulturelle Unterschiede gab mit Herrn Musk und seinem Team und dass es da ab und zu auch mal zu Spannungen gekommen sei. Können Sie mir Beispiele nennen?
Steinbach: Es gehört zur Philosophie von Tesla, out of the box zu agieren; das verursacht eine sich stetig erneuernde und verbessernde Planung. Auf der Seite des genehmigenden Partners erfordert das eine in Deutschland nicht gewohnte Flexibilität. Diese unterschiedlichen Vorgehensweisen können auch mal zu Spannungen führen. Das ist in meiner Wahrnehmung aber nicht außergewöhnlich. Da ich länger in den USA gearbeitet habe, kann ich zwischen diesen beiden Philosophien gut vermitteln.
Die Fragen an Jörg Steinbach stellte Raymond Colitt