Derzeit findet man an Tankstellen nur vereinzelt auch Ladestationen für Elektroautos. Doch das ändert sich gerade.
Die ersten Mineralölkonzerne haben bereits neue Lade- neben alte Zapfsäulen gestellt, in den kommenden Monaten sollen deutschlandweit Hunderte weitere ans Netz gehen. Die Branche kommt damit nicht nur Plänen der Bundesregierung zuvor, sondern positioniert sich auch schon mal für eine postcarbone Zukunft.
Der Mineralölkonzern Shell hat kürzlich angekündigt, bis Ende 2020 deutschlandweit insgesamt 100 Ladesäulen mit 200 Ladepunkten in Betrieb zu haben. Wettbewerber Aral plant mit 100 Ladepunkten an rund 30 Standorten, setzt aber direkt auf ultraschnelle Exemplare mit bis zu 350 Kilowatt Leistung. Theoretisch ließen sich so in zehn Minuten rund 350 Kilometer Reichweite nachtanken. Bei Shell dauert es zunächst etwas länger, angekündigt sind Leistungen bis 150 Kilowatt. Bislang sind die Unterschiede allerdings nicht viel mehr als akademischer Natur: Kaum ein aktuelles E-Auto kann eine derartige Druckbetankungen derzeit vertragen.
Mineralölkonzerne unter Zugzwang
Den Mineralölkonzernen geht es aber weniger um das Hier und Jetzt als um die Zukunft. Und die dürfte auch an der Tankstelle zumindest teilweise elektrisch sein. So hat die Bundesregierung kürzlich die Einführung einer sogenannten Versorgungsauflage beschlossen, die Tankstellen den Verkauf von Strom vorschreibt. Details und der Zeitplan sind zwar noch weitgehend unklar, dass sich die Mineralölkonzerne auf Kunden mit Elektroautos einrichten müssen, ist ihnen aber auch ohne politische Vorgaben klar.
In einer gemeinsamen Studie haben Aral und das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) bereits 2018 die Tankstelle der Zukunft gesucht. Unter anderem sehen die Experten sie in der Rolle eines Energiemaklers: So sollen Tankstellen künftig nicht nur Kraftstoffe für konventionelle Motoren und schnelles Laden für E-Autofahrer anbieten, sondern auch als Akkuwechselstationen für Motorroller und E-Bikes fungieren oder als Haltestelle für Lufttaxis. Ein weiterer Zukunftsbaustein ist die Funktion als Servicestation für autonome Fahrzeugflotten. Neben der Versorgung mit Energie, in welcher Form auch immer, wären beispielsweise Pflegemaßnahmen wie die Fahrzeugreinigung oder kleine Reparaturen denkbar.
Verschiebung des Geschäftsmodells
Aber auch schon kurzfristiger könnte die Elektromobilität zu einer leichten Verschiebung des Geschäftsmodells bei den Pächtern führen. Denn das Aufladen eines E-Autos gelingt zwar zunehmend flotter, dauert aber auch im besten Fall deutlich länger als das Zapfen von Flüssigkraftstoff. Die wartende Kundschaft muss sich also an der Tankstelle ihre Zeit vertreiben – im Zweifel mit einem Snack oder einer Tasse Kaffee im angegliederten Bistro.
Dass dabei kein Benzin oder Diesel gekauft wird, dürfte zumindest den Pächtern angesichts der minimalen Margen fast egal sein. Die Rolle als 24-Stunden-Supermarkt hingegen wird vermutlich langfristig eine tragende Umsatzsäule bleiben, wenn auch in modernisierter Form. In China etwa können Snacks und Getränke bereits vom Auto aus geordert und mit digitalen Bezahlsystemen gekauft werden. Mit dem Ausbau von Gastronomiewelten ließe sich die Attraktivität als Konsumzentrum weiter steigern.
Eigene Energieerzeugung vorstellbar
Und noch ein Punkt macht Tankstellen als Standort für Ladesäulen interessant: Die oft recht großen Anlagen bieten Platz für eine eigene Energieerzeugung. Eine Studie der Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (EMPA) prognostiziert, dass Tankstellen mit der Energie aus Photovoltaik-Dächern in rund anderthalb Jahrzehnte ihre Treibstoffe selbst produzieren. Neben Strom und Wasserstoff für E-Autos könnten so auch synthetische Diesel- und Benzinkraftstoffe generiert werden.
Bis die Tankstelle zum selbstverständlichen Anlaufort für ladewillige E-Autofahrer wird, dürfte es jedoch noch eine Weile dauern. Selbst wenn die Marktführer Aral und Shell ihre Ankündigungen einhalten, gibt es zunächst nur an einer niedrigen dreistelligen Zahl der deutschlandweit rund 14.500 Tankstellen Fahrstrom zu kaufen.
Wenn jedoch einmal alle mit mindestens einem Ladepunkt ausgerüstet wären, würde die Zahl der öffentlichen Stecker für E-Autos allein dadurch von derzeit rund 30.000 auf rund 45.000 steigen. Von dem im Klimaschutzprogramm formulierten Ziel von einer Million Ladesäulen bis 2030 wäre man allerdings dennoch weit entfernt. Die Bundesregierung plant daher parallel den intensiveren Aufbau öffentlich zugänglicher Ladeinfrastruktur zum Beispiel bei Kitas, Krankenhäusern, Stadtteilzentren und Sportplätzen. Zudem wird laut dem Koalitionspapier geprüft, ob die Errichtung von Schnellladesäulen als Dekarbonisierungs-Maßnahme der Mineralölwirtschaft behandelt werden kann. (SP-X)
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