Elektro

Mahle: Gutes Klima dank Künstlicher Intelligenz

Mahle arbeitet daran, die Temperaturregelung von der KI ausführen zu lassen. Foto: Mahle

Der Zulieferer Mahle arbeitet an einer KI-gesteuerten Heizung. Damit soll die umständliche Fummelei der Klimaanlage vermieden werden.

Ein gutes Klima hat viel Einfluss darauf, wie wohl sich der Mensch fühlt. Läutet der Chef das Mitarbeitergespräch mit ein paar freundlichen Worten ein, läuft es gleich viel entspannter.


Im Auto aber müssen wir das Klima erstmal nehmen wie es kommt. Knallt die Sonne aufs Dach, herrschen beim Einsteigen tropische Temperaturen. Und bei Minusgraden klebt die Hand fast am eisigen Lenkrad fest. Wie schön wäre es doch, wenn einen das Auto mit dem persönlichen Wohlfühlklima begrüßen würde?

Ausgeklügelte Heiz- und Kühltechnik

Beim Elektroauto treibt das sogenannte Thermomanagement Fahrzeughersteller und Zulieferer schon lange um. Hinter dem sperrigen Begriff verbirgt sich mehr, als nur die Möglichkeit, den Innenraum effektiv aufzuheizen oder zu kühlen. Vom E-Motor bis zur Batterie – sämtliche Komponenten eines Elektrofahrzeugs haben ihre eigenen Wohlfühltemperaturen. Sogenannte Thermofenster, in denen sie optimal arbeiten und auf die sie mit einer ausgeklügelten, hochkomplexen Kühl- und Heiztechnik gebracht werden müssen.

Von all dem bekommen die Insassen wenig mit. Sie merken nur, dass die Reichweite plötzlich rapide sinkt, weil Heizung oder Klimaanlage wertvollen Batteriestrom fressen. Hier effektive Systeme zu entwickeln, hat höchste Priorität. Dabei denken die Ingenieure auch in ganz neue Richtungen. Muss beispielsweise der gesamte Innenraum aufgeheizt werden, wenn man morgens nur ein, zwei Kilometer ins Büro fährt? Viele Fahrzeuge erkennen heute schon über die Sitzbelegung, ob auch ein Beifahrer an Bord ist, und passen die Heizung entsprechend an. Aber würde es bei solchen Fahrten nicht genügen, nur Lenkrad und Sitz zu heizen? Oder sogar nur den Gurt?

Diskomfort vermeiden

In diese Richtung denkt man auch beim Automobilzulieferer Mahle. Dort forscht Dirk Neumeister an einem System, das den Innenraum über Flächen klimatisiert. „Steigt man ins heiße Auto, will man eigentlich nicht von eiskalter Luft angeblasen werden“, sagt Ingenieur Neumeister. „Knallheiße Sitze und Verkleidungen, aber kühle Luft, das bringt den Körper doch völlig durcheinander. Er weiß dann nicht, ob er schwitzen oder frieren soll.“

Neumeister spricht von Diskomfort. „Nahe am Körper platzierte warme oder kühle Flächen fühlen sich viel angenehmer an und wirken schnell.“ Man kennt den Effekt vom Klimasitz. Wie schnell solche Themoplatten wirken, zeigt ein Klimasimulator von Neumeisters Team. Der besteht im Grunde nur aus einer kleinen Fahrerkabine mit improvisiertem Sitz und einem Bildschirm als Ersatz für die Windschutzscheibe. Auf dem laufen Filme von Autofahrten in unterschiedlichen Klimazonen, durch die Wüste, einen sommerlichen Wald und eine Schneelandschaft. Rund um den Sitz, nur ein paar Zentimeter vom Körper entfernt, sind kleine schwarze Mettalplatten angebracht, die sich je nach gezeigtem Bild elektrisch aufheizen oder abkühlen.

Weniger Stromverbrauch

Der Effekt ist verblüffend. In wenigen Sekunden lässt sich der Innenraum von ganz heiß auf ganz kühl herunterregulieren. Zumindest gefühlt. Tatsächlich erwärmt sich lediglich die Platte und die Luft dicht davor, was nur wenig Strom verbraucht. Aber der Körper nimmt die geänderte Temperatur sehr schnell an. Vor allem aber zieht es nirgends.

Man könne die Platten gut in Sonnenblenden, Armauflagen oder im Dachbereich direkt über den Köpfen verbauen, sagt der Ingenieur. „Sie müssen nur dicht unter der Oberfläche sitzen und das Material darüber darf nicht zu sehr dämmen.“

Temperaturregelung mit KI

Aber Neumeister will mehr: eine intelligente Temperaturregelung mit Hilfe von künstlicher Intelligenz. Das Auto soll erkennen, bei welchen Temperaturen sich die Insassen wohlfühlen, und die Klimaanlage entsprechend automatisiert steuern. „Aus unseren Untersuchungen wissen wir, dass viele Autofahrer ständig am Klimaregler spielen. Erst wollen sie’s wärmer, dann wieder kühler.“ Mithilfe von AI könnte das Auto all diese Situationen analysieren. Liegen genügend Daten vor, temperiert der Wagen die Zelle aktiv vor.

Daten sollen auch die in vielen Autos montierten Innenraumkameras liefern. Anhand von Kopfbewegung oder Pupillengröße erkennen sie bereits heute, ob der Fahrer müde ist und eine Pause braucht. Ähnliche Parameter könnten der AI Hinweise darauf geben, ob sich die Passagiere wohl fühlen. Diese Daten müssten dann nur noch mit der Klimasteuerung abgeglichen werden.

Klimadaten den Fahrenden zuordnen

Nutzen mehrere Fahrer ein Auto, nennen wir sie Anna und Leo, lassen sich diese Klimadaten den jeweiligen Fahrerprofilen zuordnen. Ähnlich, wie sich Sitzeinstellung, Musiksender oder Innenraumbeleuchtung auch heute schon individuell speichern lassen. Betätigt Anna also die Fernbedienung oder nimmt ihr Fahrzeugschlüssel Kontakt mit der Bordelektronik auf, weiß das Auto: Anna mag’s am Kopf etwas kühler, schaltet bei der heutigen Außentemperatur immer die Lenkradheizung ein und leitet die warme Luft gerne an die Füße. Leo dagegen hat ein ganz anderes Klimaprofil.
Mithilfe der KI lassen sich auch Fahrmuster schnell erkennen und die Fahrzeugsteuerung darauf abstellen. Wer um 17 Uhr nur einen Kilometer von zuhause entfernt ins Auto steigt, fährt mit großer Wahrscheinlichkeit nach Hause. Erkennt das Navigationssystem montags bis freitags jeden Morgen und jeden Abend die gleiche Strecke, ist es wohl der Arbeitsweg. Jeder Distanz, jedem Wetter lassen sich passende Parameter für die Klimatisierung hinterlegen.

Mit steigender Digitalisierung bekommt das Thermomanagement einen immer höheren Stellenwert. Spätestens, wenn das Fahrzeug wie prognostiziert zur kombinierten Mobilitäts- und Wohlfühloase wird, in der wir auch noch ausruhen, arbeiten oder Filme streamen, braucht man eben auch ein gutes Bordklima. (SP-X)

Über den Autor

SP-X

SpotPress - abgekürzt SP-X - ist eine auf Nachrichten aus der Autoindustrie spezialisierte Agentur.

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