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Lithium-Gewinnung: Weißes Gold für Mobilitätswende

Lithiumgewinnung in Deutschland steht erst an den Anfängen. Illustration: Tanya Korniichuk

Die Energiekrise hat vor Augen geführt, was es heißt, sich in Abhängigkeiten von autokratischen Staaten zu begeben. Doch solche Abhänigkeiten gibt es auch bei Rohstoffen wie Lithium.

Von Raymond Colitt


Zuerst war es der Mangel an medizinischen Masken und anderen Hilfsgütern während der Pandemie. Dann war es ein Mangel an Halbleitern, jetzt ist es die Erdgasknappheit aus Russland. Europa, und insbesondere Deutschland, hatte in letzter Zeit mehr als einen Weckruf hinsichtlich seiner Abhängigkeit von strategischen Rohstoffen.

Nun stehen Wirtschaft und Politik abermals unter Druck die Ressourcen sicherzustellen, um die Mobilitätswende zu ermöglichen. Die Umstellung der Autoindustrie von fossilen Brennstoffen auf Elektro bedarf in absehbarer Zeit ein Schlüsselelement: Lithium.

Lithium-Ion Batterien treiben so ziemlich alles an, was mobil ist, vom Staubsauger-Roboter bis zum Handy und Laptop. Elektroautos machen zur Zeit etwa zwei-Drittel des Bedarfs aus, ab 2030 dann voraussichtlich um die 90 Prozent, so die Deutsche Rohstoffagentur. Kaum ein Markt wächst schneller. In Europa sollen bis 2030 rund die Hälfte aller Autos elektrisch betrieben werden. Das sind rund 10 Millionen Batterien, die in etwa 480.000 Tonnen Lithium bedürfen.

Keine Lithiumgewinnung in Europa

Das Problem ist, in Europa wird zur Zeit primär überhaupt kein Lithium gewonnen. Aus diesem Grund wurde das Element 2020 auf die Liste der kritischen Mineralien der Europäischen Union gesetzt.
Australien macht mit 55.000 Tonnen fast die Hälfte der weltweiten Lithiumproduktion aus, gefolgt von Chile mit 26.000, China mit 14.000 und Argentinien mit 6.200, so der Bericht des US Geological Survey (USGS) 2022. Hinzu kommt, dass China fast 60 Prozent des veredelten Lithium Hydroxid produziert, welches zur Batterieproduktion benutzt wird. Das heißt, Deutschland ist nicht nur abhängig von Importen, sondern die eingekauften Rohstoffe haben auch einen großen C02-Fußabdruck.

Es gibt viele Herausforderungen, sich auch bei Rohstoffen unabhängig zu machen. Illustration: Tanya Korniichuk

Dann ist da noch die Frage des Wasserverbrauchs. Es gibt zur Zeit zwei dominante Arten der Lithiumgewinnung. Aus dem Erzbergbau wie in Australien, und aus einer lithiumhaltigen Sole, die an die Oberfläche gepumpt wird und in riesigen Becken verdunstet, so wie in Chile und Argentinien. Umweltschützer bemängeln in beiden Fällen den hohen Wasserverbrauch.

Große Lithium-Reserven in Deutschland

Zwar weisen Chile, Australien, Argentinien und China 97 Prozent der weltweiten Lithium-Vorkommnisse auf. Doch auch in Europa gibt es Lagerstätten, und das Land mit den größten Lithium-Reserven ist Deutschland mit 2,7 Millionen Tonnen, gefolgt von Tschechien und Serbien mit jeweils etwas mehr als 1 Millionen Tonnen, so die USGS.

Zurück nach Deutschland. Bei fast 3 Millionen Tonnen könnten die identifizierten Reserven theoretisch eine Weile reichen. Wenn alle geplanten Batterieprojekte zusammengerechnet werden, so stände die jährliche Nachfrage in Europa in 2030 voraussichtlich bei 127.300 Tonnen Lithium pro Jahr, schätzt die Deutsche Rohstoffagentur. Einen Rohstoff im Boden zu haben, um ihn dann wirtschaftlich zu fördern, sind zwei verschiedene Dinge. Also, wie steht es hierzulande um die Herstellung vom „Weißem Gold“? Tatsächlich gibt es zumindest zwei Ansätze, in Deutschland Lithium zu fördern – und das schon bald.

Erste Probebohrungen

Die Deutsche Lithium, eine Tochter der Zinnwald Lithium, führte im Sommer 2022 etwa 35 Kilometer südlich von Dresden eine zweite Bohrkampagne zur weiteren Bestätigung des Gehaltes an Lithium und zur Optimierung der Bergwerksplanung durch. Die Genehmigung vom Sächsischen Oberbergamt zum Abbau liegt vor. Der geschätzte Lithiumvorrat beträgt in etwa 125.000 Tonnen reines Lithium. Zusätzlich nimmt die Firma an, im Erlaubnisfeld Falkenhain einen Vorrat von 31.000 Tonnen zu haben, der nach der laufenden Explorationskampagne noch größer werden sollte. Wie anderswo im Bergbau ist der Prozess zunächst mechanisch. Das Erz wird durch Brecher und Mühlen so fein zerkleinert, bis durch Magnetscheidung Zinnwalditkonzentrat gewonnen wird, das wiederum zu Lithiumsalzen umgearbeitet wird.

In Bruchsal hingegen wird im Rahmen eines Pilotprojektes aus einer Geothermieanlage Lithium aus dem Thermalwasser gefiltert. Anders als bei den Verdunstungsbecken, wird das Grundwasser wieder in die Erde gepumpt, nachdem Lithiumionen herausgefiltert werden.

Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmer (Grüne) nannte die Pilotanlage bei einem Besuch Anfang September 2022 „einen Knaller“, wollte aber wissen. ob die ganze Sache wirtschaftlich ist? „Im Laufe des nächsten Jahres werden wir hier mehr wissen“, antwortete Professor Jochen Kolb vom KIT-Institut für Angewandte Geowissenschaften, laut Badische Neueste Nachrichten.
Auf der anderen Seite des Rheins ist die Firma Vulcan Energie schon etwas weiter und will 40.000 Tonnen Lithium ab 2025 gewinnen für Europäische Batteriezellen.

Beteiligung von Stellantis

Vertrauenerweckend war die Bekanntgebe im Juni, dass der Autohersteller Stellantis sich mit 50 Millionen Euro Kapital beteiligt und einen Lithium-Liefervertrag auf 10 Jahre verlängert hat. Andere Kunden haben auch schon Bestellungen abgegeben: Renault, Volkswagen, der Belgische Recycler Umicore und Südkoreas LG Chem Ltd, welche ihre Produktionsanlage in Polen für Elektrofahrzeug-Batteriezellen erweitert hat.

Auf ihrer Webseite wirbt Vulcan mit Ihrem Zero Carbon Lithium Projekt ein innovatives Verfahren zu haben, wodurch keine Treibhausgasemissionen entstehen und wenig Wasser verbraucht wird. Die Förderung aus Hartstein verursacht pro Tonne Lithium, 15.000 kg CO2 und verbraucht 170 Kubikmeter Wasser, die aus Verdunstungsbecken emittiert 5.000 kg C02 und verbraucht 496 Kubikmeter Wasser, so rechnet die Firma Vulcan vor. Im Vergleich soll sie zu fast dem gleichen Preis pro Tonne kein C02 ausstoßen.

Laut der Deutschen Rohstoffagentur könnte Europa sich bis 2030 bis zu einem Drittel selbst versorgen. Recycling könnte lediglich 3-10 Prozent des Bedarfs decken, längerfristig aber mehr. Das ist schon mal besser als heute. Zudem wird in Australien, Kanada, und den USA – theoretisch freundliche Handelspartner – die Lithiumproduktion massiv ausgebaut. Das Imperial Valley in Kalifornien könnte nach manchen Schätzungen eines der größten Lithiumreserven weltweit haben. Manche sprechen von einem Lithium Valley, Gouverneur Gavon Newsom nannte es das Saudi Arabien des Lithiums.

Absichtserklärungen mit Kanada

Tatsächlich haben Autohersteller gemerkt, dass sie selber in die Lithiumproduktion investieren müssen um schneller, sichere Lieferketten aufzubauen. Volkswagen und Mercedes-Benz haben gerade Absichtserklärungen in Kanada unterschrieben und der Wolfsburger Konzern möchte sich sogar an kanadischen Minenbetreibern beteiligen.

“Wir eröffnen keine eigenen Minen, wir wollen uns aber an kanadischen Minen und Minenbetreibern beteiligen”, sagte der für Technik und Batterien zuständige VW-Konzernvorstand Thomas Schmall zu der getroffenen Vereinbarung.

Doch was ist, wenn Lithium noch eine Weile knapp bleibt, dann aber in größerer Menge zur Verfügung steht und es auch genügend Batteriefabriken gibt? Nach aktuellem Stand liegen potentielle Zellfertigungskapazitäten von bis zu 1.300 GWh auf dem Papier, so die Deutsche Rohstoffagentur. Aber das ist ungefähr so, als hätte man Rohöl und ein Auto mit Verbrennungsmotor, aber kein Benzin oder Diesel. Mit anderen Worten: es gibt in Europa zur Zeit nicht eine einzige Raffinerie, in der das Lithium weiterverarbeitet werden kann. „Der größte Engpass liegt in dem Bereich der Lithiumraffinieren. Diese Konverter hier werden die größten Engpässe sein, so Dirk Harbecke, Vorstandsvorsitzender von Rock Tech Lithium, in einem Gespäch mit Aktionär TV.

Investitionen in Guben

Das deutsch-kanadische Unternehmen RockTech investiert fast eine halbe Milliarde Euro in eine Anlage in Guben, nordöstlich von Cottbus, die jährlich 24.000 Tonnen Lithiumhydroxid produzieren wird, um rund 500.000 Elektroautos mit Batterien auszustatten. Das Lithium soll vorerst aus einer eigenen Mine in Kanada geliefert werden, in 2030 aber bis zur Hälfte aus recycelten Batterien. Produktionsstart ist für 2024 geplant.

Knapp ein halbes Dutzend anderer Converter-Anlagen sind geplant. AMG soll in der zweiten Jahreshälfte 2023 in Bitterfeld-Wolfen 20.000 Tonnen Lithiumhydroxid produzieren. Viridian will von 2025, auf der Französischen Seite des Rheins, 25.000 Tonnen pro Jahr produzieren und bis 2030, sogar 100.000 Tonnen Lithium. Die Luxemburgische Firma Livista will ebenso einen Konverter mit Kapazität von 30.000 Tonnen pro Jahr bauen.

Verlässliche Lieferketten aufbauen

Es gibt Lithium-Vorkommen in Sachsen. Illustration: Tanya Korniichuk

Doch bis verlässliche Lieferketten aufgebaut sind und wilde Schwankungen im Lithium- und Batteriemarkt sich legen, wird noch einige Zeit vergehen. Einerseits könnten sich mehr Lithium-Unternehmen als erwartet in Europa niederlassen. Andererseits gibt es auch eine Reihe von Fallstricken für Startups, die ein Projekt verzögern oder vollständig untergraben können.

Proteste, Bürgerinitiativen und Umweltvorschriften können zu erheblichen Hindernissen werden, ebenso wie ein Rückgang des Lithiumpreises oder eine neue Technologie. Das Bohren und Pumpen nach Wasser im Oberrhein hat mehrerorts Erschütterungen ausgelöst und Anlieger verunsichert. In Staufen und Böblingen haben fehlerhafte Bohrungen erhebliche Schäden erzeugt.

Trotzdem viele bleiben optimistisch: „Wenn wir alles nicht machen, wo wir mal einen Fehler gemacht haben, dann säßen wir heute noch in der Höhle“, so Ministerpräsident Kretschmann beim Besuch der Geothermieanlage in Bruchsal.

Über den Autor

Frank Mertens

Nach dem Sport- und Publizistikstudium hat er sein Handwerk in einer Nachrichtenagentur (ddp/ADN) gelernt. Danach war er jahrelang Sportjournalist und hat drei Olympische Spiele (Sydney, Salt Lake City, Athen) als Berichterstatter begleitet. Bereits damals interessierten ihn mehr die Hintergründe als das bloße Ergebnis. Seit 2005 berichtet er über die Autobranche. Neben der Autogazette verantwortet er auch den redaktionellen Teil des Magazins electrified.

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