Was den Auftritt chinesischer Pkw auf dem deutschen Markt angeht, wird die Lage zunehmend unübersichtlich. Denza heißt der nächste Newcomer und das Modell Z9 GT wird für 2026 erwartet.
Als Premium-Tochter des BYD-Konzerns hat Denza den aktuell weltgrößten Hersteller von Elektromobilen im Rücken. Der Z9 GT soll als reines E-Mobil und als Plug-In-Hybrid angeboten werden. Die Karosserieform gilt als „shooting brake“, obwohl sie abweichend vom Original vier statt zwei Türen hat und am ehesten wohl mit einem Porsche Taycan Sport Turismo verglichen werden darf. Dort, wo Leistung und Komfort als ausschlaggebende Größen angesehen werden, siedelt sich also der Denza-Wagen an.
Mit so viel Marken-Prestige wie die Zuffenhausener kann Denza noch nicht glänzen, einen Ausgleich sollen hohes technisches Niveau und luxuriöse Ausstattung schaffen. Dass der Z9 GT so wenig exotisch und bei aller sportlich-dynamischen Ausstrahlung so friedlich vertraut daherkommt, hat einen Grund: Verantwortlich für das Design ist Wolfgang Egger, der im Laufe seiner Karriere zahlreichen Modellen von Alfa Romeo, Seat, Audi und Lamborghini ihre Unverwechselbarkeit verlieh. Seit mehr als zehn Jahren steht der 62-jährige jetzt bei BYD in Diensten und es darf als Statement verstanden werden, dass Denza seinen Angriff auf europäische Premium-Sport-Limousinen und Coupés nicht auf einer der klassischen Auto-Shows zelebriert.
Inspiration vom Fluss der Seide
Die Kunst- und Kulturmetropole Mailand ist Schauplatz der ersten europäischen Präsentation der Marke. Die traditionelle Möbelmesse in der lombardischen Hauptstadt ist binnen weniger Jahre zur „Design-Week“ mutiert, in der dieses Jahr unter anderem auch Audi, Kia, Lexus, Maserati und andere Hersteller Neuheiten präsentieren. Für den bekennenden Ästheten Egger genau das richtige Umfeld, um ein Auto, das stark auf optische Reize setzt, der Öffentlichkeit vorzustellen.
„Es ist Zeit für elegante Autos“, ist Egger überzeugt, und eine Hürde haben er und sein Team auf Anhieb genommen: Obwohl seine Maße denen von Oberklasse-Limousinen mit verlängertem Radstand entsprechen, sieht man dem Z9 GT sein ausladendes Wesen kaum an. Fast 5,20 Meter ist er lang, doch nicht einmal 1,50 Meter hoch. Wolfgang Egger zieht zum Vergleich für die fließende Linienführung gern die Eigenschaften von Seide heran. Wie der flüssige Fall des Stoffes soll die Summe seiner Eigenschaften „Herz und Bauch ansprechen“, sagt der Design-Chef, und der Wagen als „Gentleman Car Leidenschaft wecken“.
Die Europa-Premiere nutzte BYD-Vizepräsidentin Stella Li, um Gegenwart und Zukunft der neuen Marke zu skizzieren. Das Unternehmen wolle Denza mit vorhandenen und künftigen Produkten zur führenden Premium-Marke für Elektroantriebe ausbauen, die in Segmenten wie Limousine, SUV, Vans und Offroad-Fahrzeugen Maßstäbe setze. Unter den Konzern-Beschäftigten seien allein 120.000 Spezialisten in den Bereichen Forschung und Entwicklung tätig, ihre Ergebnisse zielten auf „Menschen, die das Beste wollen“. Und so, als sei es als Kommentar auf aktuelle politische Entwicklungen zu begreifen, wurde eine Frage nach etwaiger Expansion der Marke nach Nordamerika von ihr verneint.
Stationärer U-Turn und Krebsgang
Wer sich nach den Qualitäten des Fünftürers Z9 GT erkundigt, kommt um die Erkenntnis nicht herum, dass eine Besonderheit weniger im Fahren als im Einparken liegt. Dank zweier unabhängig voneinander im Heck arbeitenden E-Maschinen können die Hinterräder nicht nur bis zu einem Winkel von 15 Grad gelenkt, sondern auch gegenläufig bewegt werden. Seitliches Einschwenken in eine Lücke, 180-Grad-Turn fast auf der Stelle oder diagonales Fahren ohne Verschrägen des Karosseriekörpers („Krebsgang“) werden so möglich. Dass bei Kunststückchen dieser Art erhöhter Reifenabrieb unvermeidlich ist, scheint für Denza-Ingenieure keine relevante Frage zu sein.
Zweifellos gibt es andere Merkmale, die einen genaueren Blick auf den Z9 GT verlangen. Die drei aus einer 100 kW-Batterie gespeisten Elektro-Motoren erzeugen zusammen eine maximale Leistung von 710 kW (965 PS), was das immerhin rund 2,7 Tonnen schwere Gefährt in rund drei Sekunden aus dem Stand auf 100 km/h beschleunigen soll. Selbst die mit einem Zweiliter-Ottomotor versehene PHEV-Version ist noch ein Elektro-Schocker von 640 kW.
Massage und gekühlte Getränke
Das komplexe Lenk-, Luftfederungs- und Bremssystem verspricht Spurtreue bis zum Fahrzeug-Stillstand, selbst wenn bei der abgeregelten Spitzen-Geschwindigkeit von 180 km/h ein Reifen platzen sollte. Die von Leder, Bambus und anderen edlen Materialien bestimmte Kabine bietet für die Insassen Information und Entertainment auf drei bis zu 17,3 Zoll großen Displays. Wer die kamerabasierten Außenspiegel bestellt, erhält zwei weitere Monitore und Übergangsbereich von Türverkleidungen zu Armaturenbrett. Dass die wohlgeformten Sessel über Heiz-, Kühl- und Massagefunktionen verfügen ist ebenso wenig eine Überraschung wie die beiden Klimaboxen zwischen den Sitzreihen, die Speisen oder Getränke bis zu -6 Grad kühlen, aber auch erwärmen können.
Leistung und Luxus sind also in reichem Maße vorhanden, was der Z9 GT kosten wird, will der Hersteller aber erst im Herbst offenbaren. Folglich bleibt die Frage, in welchem Umfang das Angebot in der Lage ist, innovations-verliebte Kundschaft von anderen – vor allem deutschen – Premium-Marken weglocken zu können, noch unbeantwortet. Dass der Preis von umgerechnet nicht einmal 45.000 Euro, den ein Z9 GT in China mindestens kostet, deutlich überschritten wird, darf aber vorausgesetzt werden.