Automessen verlieren zunehmend an Bedeutung. Warum dies so ist, sieht man in diesen Tagen in Mailand. Dort findet noch bis Sonntag die “Milan Design Week” statt. Vor Ort ist auch das chinesische Startup Byton.
Dort, im Brera-Design-District, zeigen Kreative neben Möbel-Entwürfen auch ihre Ideen zum Produktdesign. Mitten im wuseligen Geschehen in der trendigen italienischen Metropole hat sich Byton die Galerie Casa d’Aste Blindarte in der Via Palermo 11 gemietet. Hier feiert man nicht nur die Europapremiere seines 2019 auf den Markt kommenden Elektro-SUVs, sondern stellt auch sein zukünftiges Vertriebskonzept vor. Autohaus war gestern, zukünftig wird Byton in Brand Stores präsentiert. Der erste Store wird 2019 übrigens in Shanghai eröffnen.
„Für uns war klar, dass wir die Europapremiere unseres neuen Autos nicht auf der Autoshow in Genf feiern, sondern hier in Mailand“, sagt Byton-Marketing-Chef Henrik Wenders: „Hier sind wir mittendrin in einer Atmosphäre voller Kreativität.“ Für die Weltpremiere hatten die Chinesen Anfang des Jahres die CES in Las Vegas gewählt.
Automessen kein Ort der Inspiration
Und diese in Mailand allgegenwärtige Kreativität will man nutzen, wie Designchef Benoit Jacob sagt. Deshalb wird er mit Mitgliedern seines Teams auch durch die verschiedenen Läden im Design District ziehen, um die Ideen anderer Kreativer aufzusaugen. „Inspirationen bekommt man nicht mehr auf Automessen”, ist Jacob überzeugt. “Hier in Mailand finden wir das, was uns inspiriert.”
Wie Wenders gehört auch Jacob zur Garde von einstigen BMW-Mitarbeitern, die Byton-Chef Carsten Breitfeld und sein Mitgründer Daniel Kirchert an Bord geholt haben. Das Ziel der beiden Gründer ist klar: Byton soll der deutschen Premiumkonkurrenz von Audi, BMW und Daimler kräftig Paroli bieten. Es ist ein selbstbewusster Anspruch – das weiß auch Breitfeld. Doch er ist überzeugt, dass man ihn erfüllt. “Unser Fahrzeug kann es mit Premiumfahrzeugen aufnehmen.”
Mehr noch: Mit Blick auf den Innenraum und das User-Interface mit seinem über die gesamte Fahrzeugbreite gehenden Bildschirm und dem ins Lenkrad integrierten Tablet biete man in der Branche ein Alleinstellungsmerkmal. “”So etwas finden sie sonst nirgends. Wir glauben, dass wir damit einen Effekt erreichen können, wie es Apple mit dem iPhone geschafft hat.” Hört sich großspurig an – ist es aber nicht.
Beeindruckend großer Monitor
Denn wer im 4,85 Meter langen Byton Platz nimmt, der ist beeindruckt von diesem 125 x 25 cm großen Shared Experience Display in der Mittelkonsole und den drei zusätzlichen Bildschirmanzeigen. So etwas ist in der Tat einzigartig auf dem Markt. Wer Erfolg haben will, sagt Breitfeld, der müsse Begehrlichkeiten schaffen. Das ist der Mannschaft um Breitfeld gelungen. Es versteht sich von selbst, dass das Auto voll vernetzt ist, der Fahrer mit ihm per Sprache oder Gestensteuerung kommunizieren kann.
Vor dem Start bei Byton war Breitfeld 20 Jahre bei BMW. Bei den Münchnern zeichnete der promovierte Maschinenbauer für den Plug-in-Hybridsportwagen i8 verantwortlich. Ihn führte er in nur 38 Monaten zur Markteinführung. Doch warum hat Breitfeld seinen Rentenjob verlassen? Bei dieser Frage muss der Manager lachen. Ohne Frage sei BMW ein faszinierendes Unternehmen. Doch irgend wann müsse man sich überlegen, ob man das sein Leben lang machen wolle. “Ich brauche Leidenschaft bei den Dingen, die ich tue. Die Chance, ein neues Unternehmen aufzubauen und seine Vision umzusetzen, bekommt man nur einmal im Leben. Entsprechend bin ich meiner Leidenschaft gefolgt.”
Zweite Finanzierungsrunde vor dem Abschluss
Die Gefahr, dass ihm mit Byton das gleiche Schicksal ereilt wie anderen Start Ups, die mit vielen markigen Ansagen viel Wirbel um sich machten, dann aber ihre eigenen Ziele verpassten, sieht der Byton-Chef nicht. “Bei uns weiß jeder, was er macht.” Vor allem sei man mit einem realistischen Ansatz und einem profunden Business-Plan unterwegs.
Nachdem man in der ersten Finanzierungsrunde 300 Millionen Euro einsammeln konnte, sei man gerade dabei die B-Runde abzuschließen. Wie viel man dabei eingenommen hat, soll auf der Beijing Motorshow in der kommenden Woche bekannt gegeben werden. “Dabei wird es sich aber um einen nenenswerten Millionenbetrag handeln”, verrät Breitfeld.
Geld ist also da, das Fahrzeug zu entwickeln und ab Ende 2019 am Markt zu positionieren. Das Elektro-SUV von Byton wird dabei zunächst in China eingeführt, 2020 in den USA und kurz darauf in Europa. Produziert wird Byton übrigens im chinesischen Nanjing. Dort ist bereits der erste Teil der Prototypen-Produktion in Betrieb genommen worden. Mit Blick auf das Produktionsvolumen plant Breitfeld für 2020, dem ersten vollen Jahr, mit deutlich weniger als 100.000 Einheiten. Über einen Vierjahreszeitraum sollen dann die avisierten 300.000 Einheiten erreicht werden.
Basisversion des Byton kostet 45.000 US Dollar
Das Serienmodell wird ab 2019 in zwei Leistungsvarianten angeboten: einem Modell mit Hinterradantrieb und einer 71 kWh starken Batterie, einer Reichweite von 400 Kilometern und einer Leistung von 272 PS. Danben wird es noch eine Version mit einer 95 kWh-Batterie und einer Reichweite von 520 Kilometer und mit 476 PS Leistung geben. Natürlich wird das Fahrzeug nicht nur elektrisch unterwegs sein, sondern ist auch in der Lage, autonom zu fahren. Der Preis der Basisversion wird sich dann auf 45.000 US Dollar (rund 36.400 Euro) belaufen. Es ist ein Preis, der mit Blick auf die Zahlungsbereitschaft der aufstrebenden chinesischen Mittelschicht kalkuliert wurde.
Und wie schaut es mit der Ladezeit aus? Hängt man die Batterie an eine Schnellladestation, ist der Akku in 30 Minuten auf 80 Prozent aufgeladen. Das ist jetzt keine Revolution – das werden Jaguar mit dem I-Pace oder Audi mit dem e-tron auch können. Warum also sollte sich der Kunde für einen Byton statt für einen Audi e-tron entscheiden, der Ende des Jahres auf den Markt kommen soll .“Wenn Sie sich die User Experience und die Smartness unseres Fahrzeuges mit der eines e-tron vergleichen, kommen Sie schnell zur Entscheidung, dass der Byton die bessere Wahl ist“, sagt Breitfeld.
Wer in Mailand den Byton Concept gesehen hat, ist geneigt, Breitfeld zuzustimmen. Doch was bleibt letztlich vom dort gezeigten Conceptfahrzeug übrig? Fast alles, verspricht Designchef Jacob: „Dass, was Sie hier sehen, geht so fast unverändert in die Serie.“ Das klingt vielversprechend und könnte dafür sorgen, dass mit dem chinesischen Startup der etablierten deutschen Premiumkonkurrenz ein ernstzunehmender Konkurrent erwächst.
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