Elektro

Autosalon Genf: Elektro genießt oberste Priorität

Überblick über den Autosalon Genf. Foto: SP-X
Elektrisch geht es auf dem Autosalon in Genf zu. Foto: SP-X

Auf dem Genfer Autosalon gehört die Elektrifizierung zum guten Ton – über alle Preisklassen und Segmente. Nur wenige Hersteller trauen sich noch mit Nur-Verbrennern an den Lac Léman.

Nur heiße Luft statt Neuheiten-Feuerwerk? Viele Automessen leiden unter rückläufigen Ausstellerzahlen und können dem Publikum oft nur wenige Highlights bieten. Der Genfer Autosalon jedoch hat seine Anziehungskraft auch 114 Jahre nach seinem Debüt nicht verloren: Zwar fehlen mit Ford, Hyundai, Opel oder Jaguar auch hier namhafte Autobauer, doch herrscht in den Messehallen keinesfalls Endzeitstimmung. Die freigewordenen Flächen wurden geschickt umverteilt oder von neuen Marken für sich beansprucht.


Erstmals stellt zum Beispiel der russische Staatskarossen-Hersteller Aurus am Genfer See aus. Überhaupt ist es die traditionell hohe Dichte an Exoten, die Jahr für Jahr die Besucher anlockt. Schließlich dürfte der Autosalon die wahrscheinlich einzige Gelegenheit sein, den 1926-PS-Sportwagen Battista von Pininfarina, den etwa halb so starken Elektro-Flitzer Hispano Suiza Carmen oder das von Niels van Roij Design zum Kombi umgebaute Tesla Model S einmal live zu sehen. Viele der hier gezeigten Sonderlinge schaffen es trotz großer Pläne entweder nie über den Studien-Status hinaus oder werden in so homöopathischen Dosen gefertigt, dass eine Sichtung in freier Wildbahn quasi ausgeschlossen ist.

Piëch und Polestar mit neuen Konzepten

Ob das beim Piëch auch so ist, wird sich zeigen. Gemeint ist nicht der VW-Grande Ferdinand Piëch, sondern die neue Marke Piëch Automotive, mit der Sohn Anton durchstarten will. Eine ganze Modellfamilie ist geplant, zu sehen ist mit dem Mark Zero der erste Wurf – rein elektrisch natürlich und mit einer Wunderbatterie, die in knapp fünf Minuten fast voll sein soll. Die Machbarkeit solcher High-Tech-Visionen ist derzeit freilich noch mehr als fraglich.

Der Polestar 2 dagegen ist weit mehr als eine Fingerübung. Während Volvo mit Abwesenheit glänzt und gleichzeitig mit der Ankündigung, seine Autos zukünftig auf 180 km/h Höchstgeschwindigkeit zu limitieren zum Tagesgespräch auf der Messe wird, zeigt die noch junge Tochter eine kompakte Elektro-Limousine, die 500 Kilometer schaffen und für rund 40.000 Euro erhältlich sein soll – übrigens ausschließlich online.

Normale Elektrifizierung auf dem Autosalon

Der Seat el-born soll 2020 auf den Markt kommen. Foto: Seat

Generell gilt auf dem Autosalon in Genf: Der V12 steuert auf die Rente zu, Elektrifizierung ist mittlerweile normal. Vor allem werden nicht mehr nur ausgefallene Leuchtturm-Modelle oder hochpreisige Sportwagen unter Strom gesetzt, sondern die ganze Bandbreite alltagstauglicher Autos. BMW und Audi beispielsweise zeigen zahlreiche neue Steckdosen-Modelle, vom X3 bis zum A8. Die Ingolstädter verzichten – wie auch Kia mit e-Soul und dem gelifteten Niro – an ihrem Stand sogar ganz auf klassische Verbrenner. Im Mittelpunkt steht bei Audi der Q4 E-Tron: Das kompakte, seriennahe E-SUV soll dem wohl noch Mitte März präsentierten Tesla Model Y schon vorab Paroli bieten.

Seat gibt mit dem El Born gibt einen Ausblick auf den ersten Stromer aus Spanien, der mit seinem luftigen Cockpit auch den Innenraum des VW I.D. Neo andeutet und Wolfsburg selbst zeigt mit dem I.D. Buggy eine weitere E-Vision – und natürlich den gelifteten Bulli T6, der zukünftig auch mit Stromantrieb erhältlich sein soll. Mit der Studie Vision iV stellt auch Skoda einen Elektro-Crossover aus, der fast als geschrumpftes Tesla Model X durchgehen könnte. Ganz klassisch kommt dagegen der Skoda Kamiq daher. Das nach Kodiaq und Karoq dritte SUV der Tschechen muss vorerst ohne E-Unterstützung auskommen.

Renault hinkt hinterher

Mit gutem Beispiel geht Peugeot in der generell stark vertretenen Kleinwagen-Klasse voran: Der neue 208 debütiert nicht nur mit Verbrennern unter der Haube, sondern ganz selbstverständlich auch als e-208 mit 340 Kilometern Reichweite. Auch Honda gibt sich grün und will den „e“ sogar nur als Stromer bringen: Der kleine Viertürer ist die Weiterentwicklung der kultigen Retro-Studie Urban EV von der 2017er IAA und soll Ende des Jahres in Serie gehen.

Soviel Mut beweist Renault nicht: Zwar legt der französische Autobauer ebenfalls in der VW-Polo-Klasse nach und bringt eine neue Generation des Clio auf den Weg, die sich mit Spielereien wie einem digitalen Cockpit recht modern gibt. Doch der Franzose soll vorerst nur mit herkömmlichen Motoren kommen; 2020 folgt dann zumindest eine Hybrid-Version. Mildhybrid-Technik gibt es auf Benzinerseite auch im Mazda CX-30, mit dem die Japaner hierzulande in den SUV-Coupé-Markt einsteigen.

Ferrari und Porsche schöpfen aus dem Vollen

Zumindest ein bisschen Strom hat auch Mercedes dabei: Aus Stuttgart ist das überarbeitete Mittelklasse-SUV GLC nach Genf gerollt, das mit geglätteter Optik, frischen Assistenten und neuen Motoren punkten will; die neuen Vierzylinder-Benziner setzen auf 48-Volt-Unterstützung. Für den Lifestyle-Kombi CLA Shooting Brake, der ebenfalls seine Premiere feiert, sind die allerdings nicht vorgesehen. Dafür geht es elektrisch beim EQC zu, der im Sommer kommen soll und bald Unterstützung erhält. Denn mit dem EQV stellte Daimler in Genf auch eine rein elektrische V-Klasse vor.

Und tatsächlich, es gibt auch noch Hersteller, die so tun als hätten sie von Elektrifizierung noch gar nichts gehört: Der Ferrari 488-GTB-Nachfolger F8 Tributo darf mit einem 3,9-Liter-V8 unter der Haube weiterhin aus den Benzin-Vollen schöpfen, das 530 kW/720 PS starke Aggregat markiert sogar den bislang stärksten Achtender aus Modena. Beistand bekommen die Italiener von Porsche: Auch das neue 911 Cabrio gibt es zunächst nur als S-Modell mit 331 kW/450 PS, die ausschließlich aus verbranntem Benzin erzeugt werden. (AG/SP-X)

Über den Autor

Thomas Flehmer

Der diplomierte Religionspädagoge arbeitete neben seiner Tätigkeit als Gemeindereferent einer katholischen Kirchengemeinde in Berlin in der Sportredaktion der dpa. Anfang des Jahrtausends wechselte er zur Netzeitung. Seine Spezialgebiete waren die Fußball-Nationalelf sowie der Wintersport. Ab 2004 kam noch das Autoressort hinzu, ehe er 2006 die Autogazette mitgründete. Seit Beginn 2018 ist er als freier Journalist unterwegs.

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