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Winzerin Juliane Eller: Ich bin eine Schafferin und Macherin

Juliane Eller sieht sich als Schafferin und Macherin. Foto: Stefan Schütz

Sie hat die angestaubte deutsche Weinbranche verjüngt, cool und hip gemacht: Juliane Eller, die an der Spitze der „Generation Riesling“ steht. Einfach war der Weg nicht, aber er hat sich gelohnt.

Von Andreas Haslauer


„Kann das alles gut gehen? Was passiert, wenn es nicht klappt?“ Das waren die Fragen, die sich Juliane Eller 2013 stellte. Tagsüber. Und nachts. Das Einzige, was die damals 23-Jährige, die Weinbau und Önologie studierte, wusste, war, dass sie eine „sehr gute Schafferin und eine sehr gute Macherin“ sei. „Und deswegen habe ich keine großen Reden geschwungen, sondern einfach gemacht“, sagt sie heute.

Rückblickend. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass die Frau zur richtigen Zeit am richtigen Ort war. Hätte sie ihre Ideen ein paar Jahre früher umgesetzt, wäre ihr Innovations-Feuerwerk verpufft.

Elterlichen Betrieb auf links gedreht

Was hat sie aber genau gemacht? Eller hat den Betrieb komplett auf links gedreht, keinen Stein mehr auf dem anderen gelassen. Konkret: Die Anzahl der Rebsorten von 35 auf sechs reduziert, von maschineller Ernte auf Handlese umgestellt, von Fasswein- auf Flaschenproduktion. Das hört sich gar nicht so dramatisch an. Ist es aber. Denn: Von heute auf morgen hat Eller bewusst auf Umsatz verzichtet und stattdessen auf Qualität, Qualität und nochmals Qualität gesetzt.

„Mir war klar“, sagt Eller im electrified-Gespräch in Alsheim, dass es zu Beginn nur Geld kostete, sich langfristig aber das Streben nach höchster Qualität irgendwann auszahlen werde. Sie hatte ein weißes Blatt Papier vor sich liegen. Darauf hat sie geschrieben, was sie will, dann ihre Marke „Juwel“ gegründet. Eller: „Das war krass, weil nun wirklich kein Mensch auf mich gewartet hat.“

Fair & Green-Zertifizierung erhalten

Juliane Eller hat die Anzahl der Rebsorten reduziert. Foto: Stefan Schütz

Vor allem aber hat sie neben der Qualität auf Nachhaltigkeit gesetzt. Schließlich war ihr schon immer klar, dass sie eine Familie gründen möchte. Deshalb hatte sie ja auch von Beginn an keine andere Wahl als generationenübergreifend ihr Unternehmen aufzustellen, ihr Leben nachhaltig für sich und ihre Familie zu gestalten. Testiert wurde das bereits im vergangenen Jahr mit der „Fair & Green“-Zertifizierung. Der Verein verfolgt das Leitbild einer „ganzheitlich nachhaltigen Landwirtschaft“. Auf die Auszeichnung ist sie stolz. „Wir sind ja lange nicht mehr nur Landwirte. Mittlerweile sehe ich uns als Pfleger, Schützer und Bewahrer des ländlichen Kulturerbes und des ländlichen Kulturguts“, so Eller.

Schließlich arbeiten alle sieben Tage die Woche mit und in der Natur. Eller: „Mir ist hier aber ganz wichtig zu betonen, dass wir wollen, dass alles in einer Balance zueinander steht: die Ökologie, die Ökonomie, das Soziale“. Denn was viele immer noch nicht sehen, so Eller, sei, dass wir nur diese eine einzige Kulturlandschaft haben. Deswegen müssen wir alles Menschenmögliche unternehmen, damit wir diese bewahren.

Testimonial für Boss

Mit einem E-Auto in die Weinberge: Juliane Eller kontrolliert den Anbau. Foto: Stefan Schütz

Der Industrie scheint das zu gefallen. Sehr sogar. Eller ist Testimonial für Deutschlands größten Modekonzern Hugo Boss, arbeitet mit der Deutschen Bahn, American Express, dem Flughafen Frankfurt und Siemens zusammen. Und nun auch mit dem chinesischen Autokonzern Nio. „Ich darf mit dem Nio EL7 meinen Kunden unsere Kulturlandschaft zeigen, darf in den verschiedenen Nio-Häusern sogenannte Seedstalks halten, Weinproben durchführen und unser Tun in der Landwirtschaft über die Grenzen von A-Town hinaus nach außen tragen“, erklärt die Vorzeige-Winzerin. Besonders begeistert ist die Nachhaltigkeits-Fanatikerin von der „Power Swap Station“- Technologie des Autoherstellers. An diesen Stationen fährt sie keine fünf Minuten später mit der getauschten und vollen Batterie wieder weiter. Einziger Haken: Auf dem Land, so wie bei ihr in Rheinhessen, müssten die Lademöglichkeiten noch verbessert werden. „Zum Glück hat mir Nio aber eine eigene Wallbox zu Hause installiert“, sagt Eller. Und lacht.

Im Gegensatz zu Juliane Eller, die heute schon in A-Town, so nennt sie ihr kleines Dörfchen in Rheinhessen, mit ihren 653 PS durch ihre Weinberge flitzt. Hören tut sie dabei fast nix. „So gut wie kein Geräusch ist wahrnehmbar. Selbst Steinchen einer befahrenen Schotterstraße verursachen keine Störgeräusche.“

Expansion nicht möglich

Juliane-Eller in ihrer Weinkellerei mit Holzfässern. Foto: Stefan Schütz

Eller hat mit ihren 20 Hektar Rebfläche jedoch nur ein Problem: sie kann nicht expandieren. Das heißt, dass ihre Flaschen-Produktion Jahr für Jahr ähnlich hoch ausfällt. „Ich kann also mit meinem Business weder etwas skalieren noch den Umsatz an Flaschen-Mengen in die Höhe schrauben“, erklärt sie. Das alles klingt sehr erfolgreich, ist aber nach Auskunft von ihr auch eine ganz schöne Schufterei.

„Bitte vergessen Sie nicht, dass ich die ersten fünf Jahre nicht einmal in den Urlaub gefahren bin.“ Manchmal fragt sie sich: „Juliane: Wie zur Hölle hast Du das alles hinbekommen?“ Deswegen haben ihre Eltern gar keine andere Möglichkeit, als hier weiterzuarbeiten. Ihr Vater Thomas ist für den Außenbetrieb zuständig, ihre Mutter sei die Feelgood-Managerin am Hof. Dann gibt es noch Katharina, sie ist Julianes große Schwester und für den Export der Weine verantwortlich. Und natürlich gibt es noch Oma Katharina. Sie ist 84 und immer noch top fit. Sie stärkt die ganze Rasselbande am Nachmittag mit Kaffee und Kuchen.

Damit ihre Weine auch weiter saftig und frisch schmecken, muss es aber im Weinberg gut laufen. Denn wie auch alle anderen Landwirte ist Eller den Launen der Natur ausgesetzt. In den vergangenen Wochen hat sich mal wieder gezeigt, wer der Chef auf diesem Planeten ist. Treten Hitze oder Hagel auf – entscheidet die Natur über das Wohl und Wehe von Ellers Unternehmen. Minuten können eine ganze Ernte torpedieren. „An den Reben hängt unser bares Geld“, sagt Eller immer. Deshalb muss sie über das Jahr hinweg alles unternehmen, um einmal im Jahr die besten Trauben für ihre Weine ernten zu können.

Ernte findet früher statt

Wegen des Klimas muss sie sich Sorgen machen. Als ihr Vater vor drei Jahrzehnten mit der Ernte hier begann, war es immer Ende Oktober, Anfang November. Heute beginnt Eller schon Anfang September, die Trauben zu ernten. Wie sieht so eine Ernte aber in der Praxis aus? Tagsüber steht Eller den ganzen Tag im Weinberg, abends arbeitet sie im Keller. Und das geht dann über vier Wochen jeden Tag so.

Wenn man sich jedoch wochenlang tags und nachts mit Wein beschäftigt, dann hat man auch mal Lust auf ein Bierchen, erklärt sie. Und deswegen gibt es am Feierabend während der Ernte immer ein „Kelterbier“ zu trinken. Sobald die Weinpresse läuft, stoßen sie auf einen hoffentlich guten Ernte-Tag an. „Es gibt bei uns fast immer ein kleines ‚Tegernseer‘ aus der Flasche oder aus dem Weinglas“, erklärt Eller, die der „Generation Riesling“ angehört. Das ist ein Netzwerk junger Winzer und Winzerinnen, das laut dem Sommelier Gerhard Retter die „Steifheit aus der Weinwelt verdrängt hätte“. Der Weinkritiker Billy Wagner ist davon überzeugt, dass der Verbund dafür verantwortlich sei, dass der „deutsche Wein wieder jung“ sei. Er sagt: „Der Staub wurde von der Flasche abgewischt!“

Interne Weiterbildung

Juliane Eller setzt beim Weinbau auf Nachhaltigkeit. Foto: Stefan Schütz

Der Erfolg gefällt aber nicht allen männlichen Kollegen. Eller kann sich noch an ihre erste Messe vor ein paar Jahren zusammen mit TV-Entertainer Joko Winterscheidt und Hollywood-Schauspieler Matthias Schweighöfer erinnern. Mit den beiden hatte sie das Wein-Label „Drei Freunde“ gegründet. Als Eller nach der „ProWein“ – das ist Deutschlands größte Weinmesse – zum Auto zurückkamen, waren alle Reifen durchstochen, platt.

Es gibt aber auch freundliche Kollegen. Beispielsweise Stefan Winter vom gleichnamigen Weinbau in Deidesheim. Er ist Ellers Mann und Vater ihres Kindes. Wenn ihr Mann sie bekocht, kommt immer etwas Leckeres auf den Tisch. Erst am Tag vor dem Gespräch mit electrified hat Stefan Winter Spargel gekocht, dazu gab es ein gutes Stück Fleisch. Und einen Bollinger-Champagner, zum Essen dann einen Margaux von 1981. Ihren eigenen Wein trinken die beiden nie. „Wir nennen das immer gerne Weiterbildung“, sagt Eller. „Und eines sage ich Ihnen gleich: wir werden hoffentlich niemals auslernen.“

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