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Öko-Winzer Ludwig Knoll: Im Einklang mit der Natur

Er ist der Öko-Pionier der deutschen Winzer-Szene: Ludwig Knoll. Früher als alle anderen verzichtete er auf Pflanzenschutzmittel und Kunstdünger.

Von Andreas Haslauer


Mittelmaß ist nicht das Ding von Ludwig Knoll, mittlerweile Winzer in 5. Generation. Seine Vorfahren machten in Würzburg Wein, der ganz okay war. „Ich wollte aber nicht mein Leben lang einen Wein herstellen der „ganz okay“ schmeckt“, sagte er sich schon zu Beginn seines Weinbau-Studiums. Also fing der heute 56-Jährige schon Anfang der 90erJahre an alles auf den Kopf zu stellen. Weg von dem konventionellen Weinbau mit chemischen und synthetischen Keulen Pflanzenschutzmitteln und Kunstdünger.

„Das einzige, was sich jedoch sofort einstellte, war der Misserfolg“, gesteht Knoll im Gespräch mit electrified auf seinem „Weingut am Stein“. Es sei durch die Bank ein Desaster gewesen. Wenig, besser gesagt fast nichts, von dem, was der junge Winzer unternahm, wollte klappen. Knolls Problem: auf der einen Seite hatte er zu wenige Fläche an denen er sich „ausprobieren“ konnte. Auf der anderen Seite hatten er zu wenig Erfahrung in Sachen ökologischen Weinbau. Besser gesagt: gar keine. Also ließ er einfach alle chemischen Mittel weg und schaute was dann passiert. „Die Trauben waren verfault oder von Krankheiten befallen. Wir konnten fast nichts ernten“, erinnert sich Knoll. Also recherchierte er, las viel und tauschte sich mit Gleichgesinnten aus. Sein Traum vom achtsamen und nachhaltigen Weinbau war jedoch trotzdem erst mal geplatzt.

Verzicht auf Chemie

Ludiwg Knoll gehört zu den Pionieren im Öko-Weinbau. Foto: Stefan Schütz

Erst zehn Jahre später, 2004, versuchte der Würzburger es ein weiteres Mal mit dem biologischen Weinbau. Seine Vision: einen Wein zu verkaufen, der nachhaltig und achtsam im Einklang mit der Natur hergestellt wird – und schmeckt. Aber immer unter der Prämisse, dass alle Mittel, die die Natur nicht kennt, nichts auf seinen Weinbergen zu suchen haben. Wieso aber wollte er partout auf Chemie verzichten? „Unser Forschergeist in der Entwicklung von Pflanzenschutzmitteln wird nie Chance gegenüber Flora und Fauna haben“, sagt Knoll. Sie hätten hunderte von Millionen Jahren an Erfahrung – der Mensch hingegen nur ein paar hundert Jahre. Knoll: „Diesen Wettbewerb könnte und würde der Mensch nie gewinnen.“

Knoll, der Naturbursche, setzt auf die Natur, in dem er beispielsweise die Blätter und damit die Assimilationsflächen der Rebe modifiziert und dadurch ihre physiologische und aromatische Reife verändert. Darüber hinaus kann er entscheiden, wann er die Trauben liest, wann er die biodynamischen Präparate einsetzt. Als Beispiel nennt er den Kuhmist, den er ein halbes Jahr lang in Kuhhörner erst vergräbt, dann versprüht. „Ein homöopathischer Einsatz zur Unterstützung der Bodenfruchtbarkeit. Es dreht sich nicht um stoffliche Nährstoffgaben, sondern um die Information der Vitalität. Dynamisiertes Wasser mit Kleinstmengen des vergorenen Kuhmistes, das ich über meine Weinreben verteile. „Diese danken es mir mit einer guten Ernte“, so Knoll.

Die Natur weiß das zu schätzen. In so einem Hektar Weinberg, erklärt Knoll, würden Tiere und Mikroorganismen im Boden krabbeln, die das Volumen einiger Kühe hätten. Die Echsen, die Schlangen, die Würmer und die Mikroben seinen nach seiner Ansicht immens wichtig. Wenn alle Winzer diese ausrotten würden, dann sei auch nichts im Boden: kein Leben mehr, nix. Was hingegen drin sein sollte: Nährstoffe, Spurenelemente, Humus und vieles mehr. Einfach Leben! Eine Studentin hätte mal in ihrer Bachelor-Arbeit über den Insektenbesatz im ökologischen Weinbau von Knoll gegenüber dem konventionellen Weinbau untersucht: sie hat bei Knoll die zehnfache Insekten-Population als ein benachbarter Weinberg der konventionell bearbeitet wird vorgefunden.

Der Weinberg bestimmt den Geschmack

Ist die Ernte erst mal geerntet, nimmt sich Knoll bei der Verarbeitung raus, er schafft mit seiner önologischen Klaviatur lediglich das Umfeld. Natürlich beeinflusst er die Trauben in Sachen Temperatur, Fass oder Luftfeuchtigkeit. „Den Geschmack eines Weines bestimme aber nicht ich, sondern der Weinberg. Ich respektiere die großen Weine am besten in dem ich nichts tue. Gar nichts. Das zeigt mir meine Lernskala. Immer, wenn ich früher eingegriffen habe, hat sich der Wein nicht so entwickelt wie ich es wollte. Warum? Weil sich die Natur durchgesetzt hat. Nicht ich. Ich gebe meinen Reben da draußen das beste Umfeld, das sie brauchen. Irgendwann – und so ist das auch bei Kindern – müssen sie jedoch auf eigenen Beinen stehen“, erklärt er das Knoll’sche Nichtstun.

Und so geht Ludwig Knoll zusammen mit seiner Frau Sandra den Weg konsequent weiter. Seit 2006 haben sie ihren gesamten Weinbau biologisch-dynamisch ausgerichtet. Das bedeutet: dass er seit 2006 nur natürliche Mittel verwendet, weil er den größtmöglichen Respekt vor Boden, Pflanzen, Tier und Mensch hat.

„Wir sind aber zum Glück nicht alleine, die sich um die Kulturlandschaft, das Ökosystem – ja um den ganzen Kosmos – kümmern“, sagt Knoll. Viele achtsame Winzer aus Deutschland, Italien, und Österreich haben sich in der Vereinigung „Respekt“ zusammengetan.

Genuss auf höchstem Niveau

Die Politik und die Wirtschaft verehren den Pionier des deutschen Öko-Winzers. „Auf dem Weingut von Familie Knoll wird besonders deutlich, dass ökologisches Verständnis und Handeln sehr gut mit erfolgreichem Marketing und Genuss auf höchstem Niveau zu verbinden sind“, sagte 2018 Ex-Landwirtschaftsminister Christian Schmidt. Knoll, der Macher, gibt sich damit noch lange nicht zufrieden.

Der Bayer will weiter – immer weiter – seinen Beitrag zur Umwelt leisten. Seit 2005 verzichtet er in der gesamten Haustechnik auf fossile Brennstoffe. Sowohl sein Haus als auch seine Lagerhallen sind seit 2005 komplett klimaneutral. „Dass, was ich mir wünschen würde, wäre, wenn ich unsere Fahrzeug-Flotte noch umrüsten könnte. Natürlich fahre ich ein Elektroauto. In der Landwirtschaft gibt es leider noch keine Alternative zu den Dieselmotoren. Das ist mein nächstes Ziel“, sagt Deutschlands Vorzeige-Winzer. Ansonsten hat er alles, was man für ein erfülltes Winzer-Leben hierzulande braucht: ein tolles Gäste- und Kelterhaus sowie ein Sterne-Restaurant, das der Vorzeigekoch Bernhard Reiser betreibt.

Sandra und Ludwig müssen einfach nur ein paar Stufen aus ihrer Wohnung nach unten gehen und bei Bernhard was bestellen. Am liebsten trinken die beiden einen „VINZ“, benannt nach Ihrem Sohn Vinzenz. Beim „Vinz“ gibt es zwei verschiedene, einen aus der Silvaner-Traube und einen aus der Scheurebe. Zum Silvaner bestellt Sandra sich einen Steinbutt, zur Scheurebe ordert Ludwig Krustentiere.

Ein Hauch von Salzigkeit

Sandra und Ludwig Knoll leiten das Weingut am Stein. Foto: Stefan Schütz

Beides ein Traum, beide bestechen durch eine gewisse Salzigkeit. Salzigkeit? In den Muschelkalkböden, auf denen Knolls Weinberge stehen, befinden sich Meerestiere von Urzeiten. Diese schmeckt man. Denn umso tiefer die Wurzeln in den mineralischen Untergrund vordringen und dabei die „verbackenen“ Salze lösen und aufnehmen, umso mehr können die Weine die Geschichte Ihrer Herkunft erzählen. Das wiederum verleiht Knolls Weinen große Mineralität und Eleganz.

Ohnehin ist das Thema Genuss Ludwigs Lieblingsthema. „Weine tragen Erinnerungen, wecken Sinneseindrücke und erregen Leidenschaften, Gefühle, ästhetische Empfindungen. Wein lebt und vibriert, verändert sich und ist immer einmalig“, schreibt er auf seiner Homepage. Und als „Electrified“ von ihm durch seine Schatzkammer im Keller durchgeführt wird kommt der Vino-Philosoph ins Schwärmen. Knoll: „Wein lebt. Er atmet, er verändert sich, er reift.“

Eines hat Ludwig Knoll mit Uli Hoeneß, dem Erfolgsvater des FC Bayern, gemein. Beide haben den langfristigen Erfolg vor Augen, weg vom angelsächsischen Denken. Dieses basiert im Wesentlichen auf dem kurzfristigen Erfolg. „Ich führe mein Weingut enkeltauglich“, sagt Knoll. Das bedeutet, dass er alle Entscheidungen mit der Prämisse trifft: wie sind die Auswirkungen in 80 Jahren?

Ludwigs Kinder danken es ihm schon heute. Und mit ihnen die Echsen, die Schlangen und die Würmer. Eben der ganze Kosmos.

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