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Überseequartier Hamburg: Eine Stadt in der Stadt

Eine Stadt in der Stadt: beim Bau dwes Überseequartiers sollen die Emissionen auf ein Minimum reduziert werden. Foto: URW

Bauen und Klimaschutz sind untrennbar miteinander verbunden. Das zeigt sich auch beim Überseequartier in der Hamburger HafenCity. Gebaut wird es von dem börsennotierten Unternehmen Unibail Rodamco-Westfield (URW).

Das Umweltbundesamt (UBA) hat Mitte März seine Prognose der Treibhausgasemissionen (THG) für das Jahr 2022 bekannt gegeben. Danach sind die THG im Vorjahr zwar um 1,9 Prozent auf 746 Millionen Tonnen gesunken. Doch es gibt nach wie vor Sektoren, die ihre Klimaziele nicht erreichen: Während beim Energie- und Verkehrssektor die Emissionen erneut anstiegen, konnte der Gebäudesektor eine Emissionsminderung auf 112 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten (- 5,3 Prozent) erzielen.


Allerdings überschreitet er die erlaubte jährliche Jahresemissionsmenge (107,4 Millionen Tonnen) erneut. Dabei kommt dem Wohnungs- und Städtebau für die Erreichung der Klimaschutzziele eine enorme Bedeutung zu, wie aus dem im Februar vorgestellten Positionspapier des UBA und Kommission Nachhaltiges Bauen (KNBau) hervorgeht.

Gebäudesektor mit hohen Emissionen

„35 Prozent der Emissionen hängen direkt mit den Gebäuden zusammen“, sagte UBA-Präsident Dirk Messner bei der Vorstellung des Berichts im Beisein von Umweltministerin Steffi Lemke (Grüne) und Bauministerin Klara Geywitz (SPD). Deshalb müssen Bauen und Klimaschutz „immer zusammen und sozial gedacht werden“, sagte die SPD-Politikern. Wer heute beim Bauen auf Klimastandards verzichtet, „ist schon auf kurze Sicht unrentabel und schadet nachfolgenden Generationen“, so Geywitz.

Aushub per Schiff statt Lkw transportiert

Dirk Hünerbein ist Projektentwicklungschef des Überseequartiers. Foto: URW

Diese Sichtweise wird auch von immer mehr Unternehmen in der Bauwirtschaft geteilt. „Wir wissen alle, dass wir zur Klimaneutralität kommen müssen“, sagt Unibail Rodamco-Westfield-Projektentwicklungschef Dirk Hünerbein (52). Als börsennotiertes Unternehmen spiele Nachhaltigkeit für die Aktionäre eine zunehmend zentrale Rolle. Deshalb hätte sich Unibail Rodamco-Westfield bereits 2015 zum Ziel gesetzt, bis 2030 50 Prozent seiner CO2-Emissionen einzusparen. „Wir haben einen klaren Fahrplan, wie wir bis zum Jahr 2050 zur Klimaneutralität kommen wollen. Wenn wir über Klimaneutralität sprechen, sprechen wir nicht von Kompensation, sondern Vermeidung.“

Gleich mit Beginn der Bauphase im April 2017 habe man Wert darauf gelegt, die Umweltbelastung so gering wie möglich zu halten. Das fing bereits mit dem Aushub des Bodens auf dem 419.000 Quadratmeter großem Areal an: insgesamt wurden eine Million Kubikmeter Sand ausgehoben. Doch wie transportiert man diesen Aushub ab? Per Lkw? „Nein, wir haben uns für den Transport per Schiff entschieden. Dadurch, dass wir einen großen Teil des Aushubs nicht per Lkw abtransportiert haben, konnten 8000 Lkw-Ladungen vermieden worden“, berichtete Hünerbein.

Verwendung von CO2-reduziertem Zement

In der HafenCity entsteht derzeit für ein Investitionsvolumen von 1,5 Milliarden Euro das Überseequartier. Foto: URW

Und, wie schaut es mit den Baumaterialien aus? Überwiegend wird für die zu errichteten Bauten im Überseequartier nach wie vor Beton verwendet. Ja, das stimmt, räumt Hünerbein ein. Bei einem solchen Großprojekt sei der wünschenswerte Einsatz von Alternativmaterialien wie beispielsweise Holz nur in einem begrenzten Umfang möglich. „Doch wir haben uns rechtzeitig für die Verwendung von CO2-reduziertem Zement entschieden. Wir setzen CEM III/A-Zement ein, der im Gegensatz zu CEM III/B 50 Prozent CO2 einspart.“ Die CO2-Einsparung belaufe sich dadurch auf 23.000 Tonnen, so Hünerbein.

Die Verwendung dieses CO2-reduzierten Zements führt in der Bauphase indes zu logistischen Herausforderungen, „da er längerer Trocknungszeiten bedarf. Entsprechend müssen wir die Geschosse länger durchstützen, bis sie ausgetrocknet sind.“ Das seien indes Herausforderungen, denen man sich stellen muss, „wenn man der Agenda eines umfassenden Umweltschutzes folgt“. Zudem hat URW für das Westfield Hamburg-Überseequartier im Hafenareal eineinhalb Kilometer von der Baustelle entfernt Betonwerke gemietet. „Damit vermeiden wir den Transport des Betons per Lkw von außerstädtischen Betonwerken, was zu einer weiteren CO2-Einsparung beiträgt.“

Für 2024 Inbetriebnahme geplant

Wenn das Westfield Hamburg-Überseequartier in 2024 in Betrieb gehen wird, sollen dort nicht nur 579 Wohnungen errichtet werden, sondern auch drei Hotels, ein Kreuzfahrtterminal, 4.000 Arbeitsplätze in den Bürogebäuden sowie insgesamt 200 Flächen für Einzelhandel, Gastronomie und Entertainment entstehen. Doch braucht man angesichts der Klagen über eine Krise des Einzelhandels noch weitere Einzelhandelsareale? Offensichtlich ja. Die Vorvermietungsquote liegt im Westfield Hamburg-Überseequartier liegt schon bei 72 Prozent – „und die Zahl steigt von Woche zu Woche“.

Mit Blick auf die Energie- und Wärmeversorgung wird im Überseequartier auf Grünstrom und Fernwärme gesetzt. Warum Fernwärme? „Weil die im innerstädtischen Bereich vorgesehen ist.“ Angesichts der Energiekrise und steigender Stromkosten spielte Solarenergie und Wärmepumpen keine Rolle? Nein, das hat verschiedene Gründe. Einer sei mit Blick auf Solaranlagen das Steuerrecht, da das Vermietergeschäft in Deutschland umsatzsteuerbefreit ist, erklärte Hünerbein. Er weist darauf hin, dass Immobilienbesitzer nicht als Betreiber von Solaranlagen auftreten dürfen. Dafür müsste man erst eine Gesellschaft gründen – die dann intern Energie verkauft. „Rein wirtschaftlich macht das keinen Sinn.“ In Österreich sei das anders. Dennoch habe URW eine Solarinitiative gestartet, seine Objekte auch mit Solaranlagen auszustatten. Als Beispiele für die Planungen nennt Hünerbein das Paunsdorf Center in Leipzig, das Westfield Centro in Oberhausen und den Ruhr Park Bochum.

Ganz ausgeschlossen ist die Installation von Solaranlagen im Westfield Hamburg-Überseequartier aber nicht. So hätte URW gerade eine Studie in Auftrag gegeben, wie auch in der HafenCity die Flächen mit Photovoltaik-Anlagen ausgestattet werden können.

Vernetzte Energieversorgung Standard

Mit Blick auf die Energieversorgung sind alle Gebäude vernetzt. „Ein Smart Home ist heute Standard.“ Zudem würden in Hamburg erstmals alle Wohnungen mit Smart Metern ausgestattet, also digitalen Stromzählern. Mit ihnen ist es u.a. möglich, Energie zu einem dynamischen Stromtarif abzurufen. „Mit einem Smart Meter lässt sich viel Energie sparen.“ Das Westfield Hamburg-Überseequartier ist das erste Projekt von URW, in dem Smart Meter verbaut werden, andere Objekte werden in den kommenden Jahren folgen.

Nachdem im zurückliegenden Sommer viele Städte unter der zunehmenden Hitze in den Städten wegen des Klimawandels zu leiden hatten, spielt auch das Thema des Mikroklimas im Überseequartier eine wichtige Rolle. So werden dort auch begrünte Dächer entstehen. Um den Aspekt der Klimaresilienz kümmert sich innerhalb des Projekts eine Ingenieurin. Sie ist ausschließlich damit befasst, wie die Flächen biodivers ausgestaltet werden, sodass sich dort u.a. auch Bienen und andere Insekten wohl fühlen. „Auch das Thema der Beschattung bedienen wir durch die Anpflanzung von großkronigen Bäumen mit großem Wurzelwerk.“ Optimierungsbedarf bestehe ohne Frage bei der Frage, wie die vielen steinernen Flächen in den Städten so aufgerissen werden können, damit es dort auch Speichermöglichkeiten für Wasser gibt, räumt Hünerbein ein. „Aber es ist in der Stadtplanung angekommen, dass man steinerne Flächen aufreißen muss, deshalb wurden in der Hafencity auch Parkflächen mit Streuobstwiesen ausgewiesen.“

Ladeplätze für E-Autos geschaffen

Im Überseequartier gibt es auch eine Anbindung an den ÖPNV. Foto: Hamburger Hochbahn

Wer über Städtebau und Klimaschutz spricht, der muss auch den Verkehr im Blick haben – und richtet seine Investitionsentscheidungen danach aus. Dabei spielt der öffentliche Personennahverkehr eine Rolle. „Ohne die Anbindung an die U-Bahn und die Nähe zur S-Bahn hätten wir dieses Projekt nicht realisiert“, so Hünerbein. Der Manager weist darauf hin, dass das Gros der Kundinnen und Kunden per U-Bahn oder S-Bahn ins Westfield Hamburg-Überseequartier kommen werden. Ganz ohne Auto geht es aber nicht. Deshalb hat man 2500 Tiefgaragenstellplätze eingeplant. Das sei weniger als bei vergleichbaren Quartiersobjekten, die bei 4000 bis 5000 Stellplätzen liegen, so Hünerbein. Für Fahrerinnen und Fahrer eines Elektroautos werden insgesamt 350 Ladestationen mit Ladeleistungen von 11 und 22 kW errichtet, zugleich „das größte innerstädtische E-Ladenetz in Deutschland.“ Das Thema der Sektorenkopplung und des bidirektionalen Ladens spielt innerhalb des Westfield Hamburg-Überseequartiers indes noch keine Rolle. Damit auch Radfahrer den Weg ins Quartier finden, wird es 3500 Fahrradstellplätze geben, das Gros davon unterirdisch – und mit eigener Ein- und Ausfahrt. Das Quartier selbst bleibt autofrei, der Verkehr endet in den Tiefgaragen.

Auch wenn mit Blick aufs nachhaltige Bauen beim Westfield Hamburg-Überseequartier noch Luft nach oben besteht, zeigt das Projekt doch das Bemühen zur Reduktion der Treibhausgasemissionen. Bei URW ist man bestrebt, die Emissionen weiter zu senken. „Unser nächstes Projekt“, so kündigte Hünerbein an, „wird bereits klimaneutral sein“. Wo und wann es entstehen wird, verrät er indes nicht.

Über den Autor

Frank Mertens

Nach dem Sport- und Publizistikstudium hat er sein Handwerk in einer Nachrichtenagentur (ddp/ADN) gelernt. Danach war er jahrelang Sportjournalist und hat drei Olympische Spiele (Sydney, Salt Lake City, Athen) als Berichterstatter begleitet. Bereits damals interessierten ihn mehr die Hintergründe als das bloße Ergebnis. Seit 2005 berichtet er über die Autobranche. Neben der Autogazette verantwortet er auch den redaktionellen Teil des Magazins electrified.

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