Interviews

Ford-Manager: Es gibt nicht nur ein Problem der Autoindustrie

Ford-Manager Christian Weingärtner. Foto: Ford

Der Autobauer Ford plant europaweit 4000 Stellen zu streichen. Im Interview spricht Managing Director Christian Weingärtner über die derzeitige Lage, hohe Faktorkosten am Standort Deutschland und neue Modelle wie den Puma.

Die Autobranche steckt in einer Krise. VW erwägt Werksschließungen, Zulieferer entlassen Tausende Mitarbeiter und auch Ford hat europaweit den Abbau von 4000 Stellen angekündigt. Im Interview mit electrified spricht Ford-Manager Christian Weingärtner über die derzeitige Situation, neue Modelle und hohe Faktorkosten am Standort Deutschland. Weingärtner ist beim Autobauer Managing Director für die Märkte Deutschland, Österreich und die Schweiz.


electrified: Herr Weingärtner, die Autobranche steckt in der Krise, Pkw-Hersteller und Zulieferer haben Tausende Entlassungen angekündigt und auch Ford streicht europaweit 4000 Stellen. Viele machen für die Krise die Transformation verantwortlich. Sie auch?

Christian Weingärtner: Sicherlich spielt das eine Rolle. Wir haben bekanntlich zwei Milliarden in den Umbau unserer Kölner Fabrik investiert, damit dort Elektroautos produziert werden können. Wir haben das auch in dem Vertrauen getan, dass der eingeschlagene Weg der Politik Richtung E-Mobilität konsequent umgesetzt wird. Doch dem ist nicht so. Ich nenne nur das Beispiel „Verbrenner-Aus 2035“. Das wird jetzt teilweise in Frage gestellt. Wir müssen leider feststellen, dass aufgrund der vor allem politisch verursachten Unsicherheit die Nachfrage nach E-Autos gerade in Deutschland eingebrochen ist.

electrified: Ein Grund dafür ist der abrupte Stopp der Kaufprämie im Dezember 2023…

Weingärtner:  …dieses abrupte Ende hat sicherlich nicht geholfen. In den Jahren 2021, 2022 und 2023 ist der Mix von batterie-elektrischen Fahrzeugen immer gestiegen; jetzt sind wir aber auf dem Niveau von 2021. Neben dem Stopp der Prämie gibt es aber auch weitere Gründe.

«Diskussion über Verbrenner-Aus nicht hilfreich»

electrified: Welche?

Weingärtner: Es gibt nicht nur einen Grund. Wie bereits gesagt, spielt die Diskussion um das Verbrenner-Aus eine Rolle. Es gibt nach wie vor Parteien, die gegen das Verbrenner-Aus sind und sich für eFuels aussprechen. Übrigens einem Kraftstoff, den es heutzutage in der für den Volumenmarkt notwendigen Menge gar nicht gibt. Diskussionen wie diese führen dazu, dass Kunden verunsichert sind. Das trifft selbst auf die zu, die eigentlich ein E-Auto fahren wollen. Die sagen sich: Ich warte angesichts dieser Diskussion mit dem Kauf – und hoffen auf eine neue Prämie.

electrified: Die Diskussion um einen Stopp des Verbrenner-Aus wird ja nicht nur von der Politik geführt, sondern auch von Teilen der Autobranche. Trägt man damit nicht auch selbst zur Verunsicherung bei?

Weingärtner: Wir haben ja in Deutschland eine ausgeprägte Debattenkultur. Die vielen Diskussionen über das Verbrenner-Aus und die Technologieoffenheit sind nicht hilfreich. Und ja, auch die Industrie ist daran nicht ganz schuldlos.

«Die E-Mobilität ist eine super Technologie»

Ford bringt seinen ersten echten E-Pkw aus europäischer Produktion auf die Straße. Foto: Ford

electrified: Für Sie sollte das Datum des Verbrenner-Aus 2035 also unangetastet bleiben?

Weingärtner: Wir vertreten als Unternehmen den klaren Standpunkt, dass wir dabei bleiben sollten. Wir brauchen als Hersteller neben der Planungs- auch Investitionssicherheit. Die E-Mobilität ist eine super Technologie, die wir in den nächsten Jahrzehnten massiv weiterentwickeln werden. Worüber man sich aber unterhalten muss, ist, wie die Zwischenschritte auf dem Weg dahin ausschauen.

electrified: Sie zielen damit auf die ab 2025 geltenden verschärften CO2-Flottengrenzwerte ab. Beim Verfehlen drohen den Herstellern drastische Strafen.

Weingärtner: Genau. Die Annahmen sind nicht mehr so, wie sie bei der Verabschiedung dieser Grenzwerte im Jahr 2019 waren. Damals ist man von einer stärkeren Nachfrage ausgegangen. Die ist nicht eingetreten.

electrified: Aufgrund der eingebrochenen Nachfrage sollte es also Zwischenschritte auf dem Weg zur Erreichung dieser CO2-Ziele geben?

Weingärtner: Ja. Wir haben uns darauf eingestellt und entsprechend zwei Milliarden ins Kölner Werk investiert. Das ist ein Bekenntnis zum Standort Deutschland – und wir haben jetzt die Autos, die für die Erreichung der Ziele notwendig sind. Wir hätten gar kein Problem damit, jetzt dazu beizutragen, dass es einen BEV-Mix von 50 Prozent in Deutschland gibt. Die Gesellschaft ist aber noch nicht bereit, in diesem Maße E-Autos zu kaufen, sei es wegen fehlender Ladeinfrastruktur oder fehlender Anreize.

«Es gibt nicht nur ein Problem der Autoindustrie»

Ansehnlich: die Rückseite des Ford Mustang Mache-E. Foto: Ford

electrified: Haben Sie Forderungen an die Politik, um der Branche zu helfen?

Weingärtner: Es ist ja nicht nur ein Problem der Autoindustrie, sondern der gesamten Industrie. Das fängt bei zu hohen Energiekosten an und reicht bis zu einer hohen Bürokratie. Mit unseren Faktorkosten sind wir in Deutschland nicht mehr wettbewerbsfähig. Wer sich wie wir derart zum Standort Deutschland bekannt hat, der spürt so etwas dann gleich doppelt und dreifach.

electrified: Ford hat wichtige Modelle wie den Fiesta oder Focus auslaufen lassen. Hat man sich mit diesem Abschied von Volumenmodellen nicht selbst geschwächt?

Weingärtner: Ford ist auch ein Nutzfahrzeughersteller und in diesem Bereich sind wir wahnsinnig stark. Übrigens auch im elektrifizierten Bereich, mit unserem E-Transit sind wir Marktführer in Europa. Gleiches trifft auf den Custom und den Ranger zu. Uns ist klar, dass die Nutzfahrzeuge in der Wahrnehmung nicht ganz vorne stehen, sondern die Fahrzeuge, die man in großer Stückzahl verkauft hat wie den Fiesta und Focus. Doch wir wollten angesichts der Wettbewerbssituation mit zwei starken Herstellern die Marke stärker differenzieren. Deswegen haben wir uns als kleine Marke entschieden, nur noch die Autos mit der klassischen Ford-DNA zu bauen, wie es auf einen Mustang oder Bronco und jetzt auch auf die vollelektrischen neuen Modelle Explorer und Capri zutrifft.

«Im Nutzfahrzeuggeschäft waren wir so stark wie nie»

electrified: Sie sagten einmal, dass sie nicht mehr versuchen würden, dass Ford von 100 Prozent der Menschen gemocht wird, sondern dafür von zehn Prozent geliebt wird. Die Liebe scheint nicht erwidert zu werden?

Weingärtner: Ich würde nicht sagen, dass diese Liebe nicht erwidert wird. Im Nutzfahrzeuggeschäft waren wir so stark wie noch nie. Wir haben sowohl Rekord-Volumina, Rekord-Marktanteil und Rekordwachstum in diesem Jahr in Deutschland. Hier lieben uns die Kunden sehr wohl. Und bei unseren Kölner Produkten wie dem Explorer – der seit Sommer bestellbar ist – sehen wir einen guten und stetig wachsenden Bestelleingang. Aber die Nachfrageschwäche bei der E-Mobilität beeinflusst die Zahlen leider.

electrified: Sie haben erst den Explorer gebracht, dann den Capri und erst in Kürze den Puma. Wäre es nicht sinnvoller gewesen, ein kleineres und damit erschwinglicheres Fahrzeug als erstes zu bringen? Ein Explorer kostet jetzt trotz Aktionsbonus 41.650 Euro.

Weingärtner: Natürlich kann man die Frage stellen, ob es sinnvoller gewesen wäre ein günstigeres Modell anzubieten. Doch wir wollten ein wettbewerbsfähiges Modell mit einer nach wie vor von den Kunden nachgefragten hohen Reichweite anbieten. Und dafür braucht es eine größere Batterie – und die passt nun einmal nur in ein größeres Fahrzeug. Und sie wissen: die Batterie ist nach wie vor die teuerste Komponente. Es war nie unser Ziel, ein kleines Auto mit einer kleinen Reichweite anzubieten.

«Jede Marke hat ein Hero-Fahrzeug»

Der Ford Puma Gen-E weisrt einige pfiffige Ideen auf. Foto: Ford

electrified: Gehen Sie davon aus, dass der Puma innerhalb des Trios mit Explorer und Capri das absatzstärkste Modell sein wird?

Weingärtner: Ich bin davon überzeugt, dass wir mit allen Modellen sehr gute Absatzzahlen machen werden. Alle sind Autos, die mit ihrem Design unsere Ford-Gene widerspiegeln. Wir werden den Puma außerdem nicht nur als Elektro-Version anbieten, sondern weiterhin auch als Verbrenner und als Hybrid.

electrified: Wie sinnvoll ist es, Ihre E-Modelle nach bestehenden Verbrennermodellen wie Explorer und Capri zu benennen? Optisch gemein haben beide damit nichts?

Der neue Ford Capri in der auffälligen Lakierung namens Vivid Yellow. Foto: Ford

Weingärtner: Jede Marke hat ein Hero-Fahrzeug. Bei Porsche ist es der 911er, bei Mercedes die S-Klasse, bei VW der Golf. Zu jeder Marke fallen einem in oder zwei Modelle mit bestimmten Charakteristika an. Bei uns ist es dann eine Mischung aus F-Series, Bronco und Mustang. Gemeinsam haben diese Autos das breitbeinige, das polarisierende. Das gleiche trifft auf den Explorer zu, der im Vergleich zu seinen Plattformbrüdern dieses selbstbewusstere Auftreten hat. Und der Capri sieht heute so aus, wie er sich bei einer fortwährenden Weiterentwicklung seit den 70ern entwickelt hätte.

«Haben beim Marktanteil im Nutzfahrzeugmarkt zugelegt»

electrified: Der Gesamtmarkt in Deutschland liegt per Oktober mit 0,4 Prozent im Minus, bei Ford liegt der Rückgang bei 15,5 Prozent bei 84.866 Fahrzeugen? Sehen sie im kommenden Jahr eine Trendumkehr?

Weingärtner: Ich gehe davon aus, dass es dann besser wird, weil die neuen Modelle jetzt im Markt verfügbar sind und mit dem Puma ein weiteres starkes E-Auto dazu kommt. Und wie gesagt: wichtig ist für uns auch das Nutzfahrzeuggeschäft. Gerade da gibt es zunehmend Use Cases, wo die Elektrifizierung funktioniert. Ich habe mich gerade erst mit einem großen Camperhersteller unterhalten, der auch Richtung Elektro gehen und da mit uns zusammenarbeiten will. Allein in diesem Jahr haben wir beim Marktanteil im Nutzfahrzeugmarkt zwei Prozent zugelegt.

electrified: Wird die CO2-Compliance dazu führen, dass der Absatz von E-Autos deutlich gepusht wird?

Weingärtner: Sicherlich wird das helfen. Nächstes Jahr wird ein ganz spannendes Jahr werden. Alle Hersteller werden pushen, um ihren E-Absatz zu steigern und dadurch versuchen, Strafzahlzungen zu vermeiden. Ich fürchte, wir werden einen Preiskampf erleben, der von der Regulatorik forciert ist. Dem werden wir uns stellen. Wir wollen am Ende ein gesundes Geschäft haben, um dann weitere 100 Jahre Ford in Deutschland zu erleben.

Das Interview mit Christian Weingärtner führte Frank Mertens

Über den Autor

Frank Mertens

Nach dem Sport- und Publizistikstudium hat er sein Handwerk in einer Nachrichtenagentur (ddp/ADN) gelernt. Danach war er jahrelang Sportjournalist und hat drei Olympische Spiele (Sydney, Salt Lake City, Athen) als Berichterstatter begleitet. Bereits damals interessierten ihn mehr die Hintergründe als das bloße Ergebnis. Seit 2005 berichtet er über die Autobranche. Neben der Autogazette verantwortet er auch den redaktionellen Teil des Magazins electrified.

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