Am 24. Juni ist es soweit: Dann startet das bekannteste Bergrennen der Welt, das Pikes Peak International Hill Climb. Oder kürzer: Race to the Clouds. VW startet dort mit dem I.D. R Pikes Peak.
Das Ziel ist klar: es soll einen neuen Streckenrekord für Elektro-Rennwagen geben. Rennsport-Fans kennen Pikes Peak und schnalzen mit der Zunge. Denn es ist unbestritten das abgefahrenste Bergrennen von allen – und das bereits seit 1916. Kein anderes geht bis auf 14.110 Fuß, bei keinem anderen ist das Spektakel größer, bei keinem anderen werden Autos speziell dafür konzipiert.
Walter Röhrl machte den Berg auch in Deutschland bekannt. Das war 1987 als er mit dem Audi Sport Quattro S1 Pikes Peak wie ein Berserker die Schotterpiste emporjagte und gewann. 31 Jahre später soll es nun der I.D. R Pikes Peak mit Romain Dumas am Steuer wiederholen. Der Volkswagen-Konzern soll ganz oben stehen.
Kein Schotter, alles Asphalt
Die Gegebenheiten haben sich jedoch längst geändert. Seit 2012 wird beispielsweise kein einziger Abschnitt mehr auf Schotter gefahren. Peu a peu wurde die Strecke asphaltiert – aus Umweltgründen. Denn jedes Jahr rutschten viele Tonnen der Geröllpiste den Berg hinab und schadeten der Vegetation. Die Vegetation freut sich vielleicht auch über die Ruhe und die fehlenden Abgase, der vermehrt am Rennen teilnehmenden E-Fahrzeuge.
Auch VW startet dieses Jahr erstmals mit einem surrenden E-Antrieb in einem speziell für dieses Rennen entwickelten Fahrzeug. Verbrenner sind für diese Höhen eh nicht gemacht. Ähnlich wie der Mensch, dem auf 4.300 Metern bereits das Atmen schwer fällt, ergeht es Motoren. Weniger Luft bedeutet weniger Leistung. Auch deshalb haben gerade die Rennwagen am Pikes Peak teils irrwitzige PS-Angaben, wie beispielsweise der Peugeot 208 vom Rekordhalter Sebastian Loeb. Annähernd 900 PS waren nötig, um 2013 den Fabel-Rekord von knapp 8:14 Minuten zu setzen.
VW I.D. R Pikes Peak mit 680 PS
So viel hat der I.D. R Pikes Peak nicht. Dafür generiert VW bei ihm eine Systemleistung von 680 PS – egal, auf welcher Höhe über Normal Null. Ein Motor treibt die Vorderachse an, der zweite die Hinterachse. 650 Newtonmeter sind ebenfalls jederzeit abrufbar und sollen ausreichen, um den 1.100 Kilogramm leichten Karbon-Renner in unter 8:57,118 Sekunden die 19,99 Kilometer in den Himmel zu scheuchen.
Der Jäger der E-Bestzeit ist kein geringerer als Romain Dumas. Seines Zeichens dreifacher Pikes Peak-Gewinner, der 2016 in 8:51,445 Minuten auf einem Prototypen der Firma Norma Gesamtsieger wurde. Ob er mit dem I.D. R Pikes Peak den Rekord für E-Mobile am 24. Juni brechen kann, hängt laut Sven Smeets, Motorsport-Direktor von Volkswagen, „vor allem auch von den äußeren Bedingungen in Colorado ab. Das Wetter ist elementar und bei Regen ist kein Rekord möglich.“ Richtig ist, wenn das Wetter beim Start auf 2.860 Meter noch schön ist, muss es das auf 4300 Metern längst nicht mehr sein. Spannung ist angesagt.
Entwicklung begann vor lediglich acht Monaten
Smeets stellte den I.D. R Pikes Peak zusammen mit seinem technischen Direktor FX Demaison exakt zwei Monate vor dem Rennen am Berg, auf der südfranzösischen Rennstrecke in Alès vor. Zufall oder nicht. Romain Dumas wurde in Alès geboren, lebt mittlerweile aber längst in Genf. Auf dem Circuit Pole Mecanique hat das Team nun zwei Wochen Zeit, intensive Live-Tests durchzuführen; und Dumas kann sich an seinen neuen Arbeitsplatz gewöhnen.
Bislang war alles sehr theoretisch. Denn die Entwicklung begann vor gerade einmal acht Monaten in Hannover und Braunschweig. Erst im Oktober gab es Grünes Licht vom vom Vorstand, um die Elektro-Marke I.D. bekannter zu machen – die startet übrigens im Herbst 2019 mit Serienfahrzeugen. „Bislang haben wir das Meiste simuliert. Mal sehen, ob wir richtig gearbeitet haben. Denn jetzt fängt das echte Leben an“, sagten die Entwickler bei der für VW-Verhältnisse eher unspektakulären Enthüllung des I.D. R.
2,25 Sekunden bis Tempo 100
Und der schwarze Karbonrenner sah auf den bislang veröffentlichten Animationen tatsächlich deutlich cooler aus. Aber um cool geht es nicht (nur). Es geht vor allem um schnell. 2,25 Sekunden reichen auf Tempo 100. Das ist in etwa der Wert eines Formel 1-Fahrzeugs.
Für die 20 Kilometern vom Start bis zum Ziel soll sein Lithium-Ionen-Akku das Ideal aus Größe, Leistungsdichte und Reichweite darstellen. Berechnet wurde, dass der I.D. R zirka 20 Prozent seiner Energie auf dem Weg zum Gipfel rekuperiert. Das gelingt beim Abbremsen vor den insgesamt fast 160 Kurven, die teils quer durchfahren werden. Damit konnte die Akkugröße dezimiert werden.
Kühlung als größte Herausforderung
„Mit die größte Herausforderung ist die Kühlung des Systems“, sagt Smeets. Denn wenn die Luft dünner wird, kühlt sie auch weniger. Und sie erzeugt vor allem auch weniger Anpressdruck. Und den benötigen Rennwagen bekanntermaßen. Daher mutiert der I.D. R zum Flügelmonster, um der dünnen Luft für eine saubere Straßenlage dennoch genug Druck abgewinnen zu können.
Bislang konnte Dumas lediglich in einer Computer-Simulation den Wagen Pikes Peak hochjagen. „Jetzt fängt das wahre Leben an“ sagt FX Demaison zurückhaltend-stolz neben seinem hüfthohen Hightech-Baby stehend. Die Strecke zum Gipfel sollte Dumas jedoch im Schlaf kennen. Denn es gibt nach wie vor ungesicherte Passagen. Ende Mai startet das Training am rund 50 Kilometer westlich von Colorado Springs entfernten Pikes Peak. Das Team freut sich, überprüfen zu können, ob sich all die Theorie auch am Berg in Realität umsetzen lässt. Am 24. Juni wissen wir, ob der Wolkendurchbruch gelungen ist.
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