Elektro

Audi e-tron: Unter Hochspannung

Audi hat sich Zeit gelassen. Viel Zeit sogar. Doch Ende des Jahres hat die Wartezeit ein Ende. Dann wird die VW-Tochter Audi mit dem e-tron ihr erstes Elektroauto auf den Markt bringen.

Für eine Marke mit dem Claim „Vorsprung durch Technik“ ist dies enttäuschend. Vor allem auch deshalb, weil die Konkurrenz von BMW mit dem i3 längst ein rein elektrisches Auto im Angebot hat. Und Tesla zeigt, welchen Hype eine Marke um die E-Mobilität entfachen kann.


Doch wenn man die Ankündigungen der Ingolstädter hört, dann soll es jetzt schnell gehen mit dem Weg in die Elektromobilität. So sollen nach dem e-tron sieben vollelektrische Modelle folgen. Bis zum Jahr 2025 will Audi bereits 30 Prozent seines Absatzes mit elektrifizierten Fahrzeugen bestreiten.

Audi setzt auf Split von 50:50 bis 2025
Audi e-tron

Der Audi e-tron Prototype in Berlin. Foto: Audi

Doch was heißt das? Wie viele von diesen 30 Prozent werden dann auch reine E-Autos sein? „Gehen Sie davon aus, dass davon 50 Prozent Plug-in-Hybride sein werden und die andere Hälfte reine Elektroautos“, sagt Anno Mertens aus dem Produktmanagement Elektrifizierung in Berlin.

Audi hat in der Vorwoche ins Schaltwerk bei Siemens in Berlin geladen. Hier, an historischer Stätte, ließ die VW –Tochter wissen, wie sie die Kunden von der E-Mobilität überzeugen will. Neben einem attraktiven Produkt müssen dafür insbesondere die Rahmenbedingen stimmen. Damit diese stimmen, hat Audi die Wartezeit genutzt, um den e-tron möglichst wenig Hürden mit auf den Weg zu geben. Da ist zum einem eine Reichweite von über 400 Kilometern nach dem neuen WLTP-Zyklus mit einer 95 kWh starken im Unterboden untergebrachten Batterie mit 36 Zellen. Eine solche Reichweite ist jetzt nicht gerade revolutionär. Soviel bekommt man auch beim neuen I-Pace und mehr noch bei Tesla. Aber bei Audi verfährt man ja bereits seit Jahren nach dem Motto: „Wir müssen nicht die Ersten sein, aber die Besten.“

Audi e-tron mit 150 kW-Ladeleistung

Audi e-tron

Der Audi e-tron lässt sich mit 150 kW aufladen. Foto: Audi

Wenn man schon nicht mit der Reichweite punkten kann, will man das mit der Ladeleistung tun. Denn der e-tron ermöglicht eine Schnellladung von 150 Kilowattstunden. „Wir sind der erste Hersteller mit einer solchen Ladeleistung“, stellt Mertens zufrieden fest. Schaut man sich die Gründe an, die ein Hemmnis für die E-Mobilität darstellen, ist dies neben dem Preis, der Reichweite und der Infrastruktur auch die zu lange Ladezeit. „Länger als bei einem Tankstopp darf das nicht dauern“, so Mertens.

Rechnet man den Bezahlvorgang beim Stopp mit einem Verbrenner an den bundesweit 14.000 Tankstellen ein, dauert das Betanken rund sieben Minuten. Wer heute sein E-Auto mit 11 kW lädt, braucht dafür 8,5 Stunden. An einer 22 kW-Ladestation sind es immer noch 4,5 Stunden. Für das Gros der Kunden, die die Möglichkeit haben, ihr Auto zu Hause oder in der Firmen zu laden, ist dies kein Problem. Doch nicht jeder Fahrer eines E-Autos hat ein eigenes Haus (wobei Audi davon ausgeht, dass das auf das Gros der e-tron-Kunden zutrifft). Deshalb braucht es neben einer besseren Infrastruktur auch eine höhere Ladeleistung.

400 Ladestationen von Ionity bis 2020

So dauert der Ladevorgang mit den 150 kW beim Audi e-tron unter 30 Minuten und bei 350 kW sind es nur noch 12 Minuten. Doch das ist Zukunftsmusik, auch wenn die vom Gemeinschaftsunternehmen Ionity (beteiligt daran sind BMW, VW, Ford, und Daimler) bis 2020 geplanten 400 europaweiten Ladestationen auf diese Ladeleistung ausgelegt sind, wird es allein aus ökonomischen Gründen dauern, bis mit so viel Leistung Strom getankt werden kann. Ohnehin dauert es noch mit dem Ausbau der Ionity-Ladestationen. Eigentlich sollten bis Ende des Jahres bereits 20 Stationen errichtet worden sein, doch bisher gibt es nur eine – und die steht an der A61 am Standort Brohtal Ost . Die sechs High-Power-Charging-Stationen (HPC) mit sechs Ladepunkten werden zusammen mit Tank und Rast betrieben.

Doch Audi geht noch einen Schritt weiter als nur eine hohe Ladeleistung anzubieten. Die Ingolstädter wollen ihren Kunden an den 65.000 Ladestationen in Europa ein unkompliziertes Bezahlen ermöglichen. Mit nur einer Karte oder einer App soll es Fahrern eines Audi möglich sein, zunächst 80 Prozent dieser Ladestation anzufahren und dort ihren e-tron unproblematisch mit ihrer Karte aufzuladen. Mit dem Gros der Betreiber dieser Ladestationen seien bereits Vereinbarungen getroffen worden. Es reiche längst nicht mehr aus, den Kunden nur ein Auto anzubieten. „Wir müssen ihm ein Eco-System für das elektrische Fahren anbieten“, sagt Alexander Claus aus dem Produktmarketing.

Intelligentes Laden geplant

Der Audi e-tron Prototype auf der Leipziger Straße in Berlin. Foto: Audi

Für das Laden an der heimischen Steckdose bietet Audi seinen Kunden zwei Optionen an. Mit dem mobilen und serienmäßigen Ladesystem Compact lassen sich die Lithium-Ionen-Batterien mit bis zu 11 kW aufladen, mit dem optionalen System Connect sogar mit 22 kW. Es ermöglicht dem Kunden dann auch ein intelligentes Laden. Sprich: Der Audi wird dann betankt, wenn der Strom zu bestimmten Nachtstunden am günstigsten ist oder er aus der hauseigenenen Photovoltaik-Anlage eingepreist wird. Das ist alles durchdacht. Dass die Audianer die Wartezeit genutzt haben, ihren e-tron die bestmöglichen Startmöglichkeiten mit auf den Weg zu geben, sieht man auch daran, dass es optional möglich ist, durch die Anbringung eines zweiten Steckplatzes von jeder Seite des Fahrzeuges aufzuladen. Serienmäßig ist der erste Steckplatz auf der Fahrerseite angebracht. Wer schon einmal am Straßenrand geparkt hat, freut sich über dieses Angebot.

Ohne Frage hat sich Audi hier viele Gedanken gemacht, wie man dem e-tron-Kunden den Alltag mit seinem Elektro-SUV so leicht wie möglich machen kann. Ein Alleinstellungsmerkmal haben die Ingolstädter mit ihrer Ladestrategie indes nicht, sieht man einmal von der Ladeleistung von 150 kW ab. Doch auch die kommenden Modelle von BMW und Daimler werden dies bieten. Wer wie Audi für den e-tron mindestens 80.000 Euro aufruft, der muss seinen Kunden – wenn sie nicht schon einen Tesla fahren – zumindest eine intelligente Ladestrategie bieten. Ob dies reicht, um sich gegen die aufstrebende Konkurrenz von Startups wie beispielsweise Byton durchzusetzen, bleibt indes abzuwarten.

Über den Autor

Frank Mertens

Nach dem Sport- und Publizistikstudium hat er sein Handwerk in einer Nachrichtenagentur (ddp/ADN) gelernt. Danach war er jahrelang Sportjournalist und hat drei Olympische Spiele (Sydney, Salt Lake City, Athen) als Berichterstatter begleitet. Bereits damals interessierten ihn mehr die Hintergründe als das bloße Ergebnis. Seit 2005 berichtet er über die Autobranche. Neben der Autogazette verantwortet er auch den redaktionellen Teil des Magazins electrified.

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