Elektro

Nissan Ariya e-4orce: Ein Freund von Major Tom

Der Ariya ist Nissans erstes vollelektrisches Crossover. Foto: Nissan

Vom Nissan Ariya gibt es jetzt ein neues Spitzenmodell. Der e-4orce hat einen weiteren E-Motor an der Hinterachse.

In der kleinen Welt der Elektroautos von einst war der Nissan Leaf ein ganz Großer, lange sogar die Nummer eins unter den damals allerdings wenigen Angeboten. Auch wenn er immer noch zu haben ist, geriet der Kompakte und damit Nissan als Elektroauto-Marke insgesamt durch lange Lieferfristen und viele neue Konkurrenten aus dem Focus.


Aber seit einigen Monaten gibt es ja den Ariya, einen weiteren, allerdings deutlich größeren und teureren Nissan-Stromer. Jetzt kommt das Spitzenmodell mit zwei Motoren und Allradantrieb, das zu Preisen ab 66.490 Euro eine deutlich betuchtere Kundschaft ins Visier nimmt.

Weiterer Motor im Heck

Der Ariya e-4orce ist äußerlich von den bereits bekannten Frontantriebs-Varianten kaum zu unterscheiden. Nur wer genau hinschaut, entdeckt am Heck das entsprechende Logo. Wer im Englisch-Unterricht aufgepasst hat, ist hier im Vorteil und könnte das Puzzle eventuell richtig zusammensetzen. Eine „4“, also „Four“, verwandelt das rätselhafte „orce“ in „Force“ (Kraft) und weist damit auf dem Vierradantrieb hin. Auch andere Nissan-Allrader erhalten künftig diesen Zusatz, zunächst der X-Trail.
Das Kleid des Ariya trägt den typischen Style eines Japan-Crossovers, also einer Mischung aus SUV und Kombi, das leicht abfallende Dach mixt noch eine sportliche Prise Coupé dazu. Die Fronthaube ragt weiter nach oben als üblich, sorgt für klobige Kraftmeierei. Ein Auto, das wie eine Ätsch-Ansage in Richtung der vielen SUV-Kritiker wirkt. Die Designer allerdings sprechen eher von selbstbewusster Eleganz. Sei`s drum, das Wesentliche am neuen Nissan-Häuptling ist eher unsichtbar im Untergeschoß versteckt.

Das Cockpit im Nissan Ariya ist übersichtlich gestaltet. Foto: Nissan

Um ohne Kardanwelle für den begehrten Allradantrieb zu sorgen, ist ein zweiter E-Motor im Heck an Bord, der elektronisch mit seinem Kollegen an der Vorderachse verbandelt ist. Die Räder können paarweise vom Bordrechner angesprochen werden. Dann wird die Kraft des Doppelherzes jeweils an die Achse gelenkt, die gerade die bessere Haftung auf dem Untergrund hat.

Wenig klassische Schalter im Innenraum

Im Cockpit des Ariya würde sich Major Tom sofort heimisch führen. Eine dank zweier aneinander verschachtelten Monitore breite Front beherrscht unter einem gemeinsamen Chromrahmen die ansonsten eher puristische Anmutung. Klassische Schalter, Hebel oder Tasten sind nur noch am oder hinterm Lenkrad und beim zentral mittigen Drehrädchen für die Audio-Lautstärke zu entdecken. Der Fahrer ist Chef über Navi, die Einstellung der zahlreichen Assistenzsysteme oder die Klimaanlage. Ein Kommandostand, der mit dem jahrzehntelangen vertrauten Aussehen der analogen Zeit kaum noch etwas gemein hat.

Zeitgenossen mit Leistungshunger werden sich in Sachen Antrieb wie im siebten Himmel fühlen. Der Allrad-Ariya legt sich dank 306 PS Leistung und 600 Newtonmern Drehmoment gewaltig ins Zeug, meistert dank Allradantrieb sogar spiegelglattes Terrain bei Pyrenäen-Testfahren im noch spärlich vorhandenen Winter von Andorra, lässt sich souverän um Kurven dirigieren. Ein 2,3-Tonnen-Trumm mit unvermuteter Leichtigkeit. Das war aber auch schon beim Schwestermodell erlebbar, dem Renault Megane e-Tech. Schließlich gehören beide zu einer Familie.

Zu fein und teuer

Trotz Allrad ist der Ariya aber kein Geländewagen, auch wenn er mit leichteren Hindernissen auf dem Weg locker zurechtkommt. Er ist dafür eigentlich viel zu fein und viel zu teuer. Das ebenso souveräne wie unaufgeregte Cruisen auf Landstraßen oder Autobahnen ist sein Ding und sorgt für gefühlte Überlegenheit, auch wenn das hohe Gewicht doch zuweilen seinen Tribut fordert. Löcher im Belag holpert der Ariya zwar sicher aber doch auch hörbar weg und schickt deren Stöße auch mal an die Bandscheiben seiner Schutzbefohlenen. Alles aber im Rahmen des Üblichen und doch eine natürliche Bremse für waghalsiges Rumtoben.

Eine Bremse anderer Art dürfte auch die Kaufentscheidung beeinflussen. Fast 66.500 Euro kostet der Japaner, hält in der Preisliste zudem noch weitere teure Schmankerl bereit. Schon der brave Fronttriebler mit 63 kWh-Akku ist mit 47.500 Euro für viele nur schwer erreichbar Wer also will da nochmal fast 20.000 Euro für einen Allradler drauflegen? Bei aller Faszination der Allradtechnik und all dem anderen rund um das elektrische Fahren: Die Chefs der Autokonzerne sollten vielleicht doch endlich auch die Verbrenner-Umsteiger mit Durchschnittseinkommen mit ins Boot holen. (SP-X)

Über den Autor

Frank Mertens

Nach dem Sport- und Publizistikstudium hat er sein Handwerk in einer Nachrichtenagentur (ddp/ADN) gelernt. Danach war er jahrelang Sportjournalist und hat drei Olympische Spiele (Sydney, Salt Lake City, Athen) als Berichterstatter begleitet. Bereits damals interessierten ihn mehr die Hintergründe als das bloße Ergebnis. Seit 2005 berichtet er über die Autobranche. Neben der Autogazette verantwortet er auch den redaktionellen Teil des Magazins electrified.

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