Elektro

Next Level: Skodas Weg zur nachhaltigen Mobilität

Der Skoda Enyaq iV ist das erste reine E-Auto der Tschechen auf MEB-Basis. Foto: Skoda

Skoda setzt wie andere Autobauer auf Nachhaltigkeit. Nun stellte die VW-Tochter ihren Fahrplan auf dem Weg zur nachhaltigen Mobilität vor.

Seit in der wundersamen Welt des Automobils die Bedeutung von Vokabeln wie Pferdestärke oder Höchstgeschwindigkeit durch Begriffe wie Nachhaltigkeit und CO2-Bilanz abgelöst wurden, lassen Hersteller keine Gelegenheit aus, sich ihren Kunden als wahre Hüter der Schöpfung zu präsentieren. Dass es dabei um sehr viel mehr als um die Frage des Antriebs von Fahrzeugen geht, ist am Beispiel Škoda gut zu erkennen.


Ein Ziel, etwa „bis zum Jahr 20xx klimaneutral“ werden zu wollen, ist leicht postuliert, umso schwieriger ist die tatsächliche Umsetzung. Es bedeutet nämlich weit mehr, als zum Beispiel ein Modellangebot mit Verbrennungs-Antrieb auf Elektromotoren umzustellen. Eines der Ziele lautet beispielsweise, seine CO2-Flottenemissionen im Rahmen der Next-Level-Strategie bis 2030 im Vergleich zu 2020 um 50 Prozent zu reduzieren.

Wertschöpfungskette umbauen

Nicht weniger als ein kompletter Umbau der Wertschöpfungskette ist notwendig, um dieses Ziel glaubwürdig zu erreichen. Škoda ist für die Herstellung seiner Fahrzeuge auf Vorprodukte und Zulieferungen von rund 6500 Partnerfirmen angewiesen. Im Idealfall müssten sie alle ihren Erzeugnissen ein Nachhaltigkeits-Siegel geben, damit Škoda auch seine Produkte „klimaneutral“ nennen kann.

Spätestens seit 2019 am Stammsitz Mladá Boleslav die erste Produktionslinie für PHEV-Batterien aufgenommen wurde, steht deren Wiederverwendung auf der Agenda. Gemeinsam mit einem Partner hat Škoda ein Verfahren entwickelt, die aus der primären Nutzung herausfallenden Akkus weiter zu verwenden. In einem Würfel von etwa 2,50 Metern Kantenlänge werden die Stromspeicher gebündelt und zu Ladestationen umfunktioniert, die praktisch überall aufgestellt werden können und so den Batterien ein „zweites Leben“ bescheren.

Flaschen-Abfall zentraler Rohstoff

Hunderte von Ingenieuren, Produktentwicklern und Material-Designern fahnden in den Werken der Automobil-Hersteller inzwischen nach Möglichkeiten, Ressourcenverbrauch zu senken, neue Werkstoffe zu kreieren und die Rezyklisierungs-Quoten von Bauteilen zu erhöhen. Dabei ist die Wiederverwertung von Rest- und Abfallstoffen ebenso wichtig wie die Einführung von biologischen und nachwachsenden Substanzen in den Produktionsprozess. Die 1,5-Liter-PET-Flasche, vormals als Behälter für Mineralwasser oder Limonade dienend, ist dabei zu einem zentralen Baustein für die Herstellung von Fahrzeugteilen geworden.

Karsten Schnake ist im Vorstand der tschechischen VW-Tochter seit gut zwei Jahren für den Einkauf verantwortlich. Was wer für welchen Zweck zuliefert, geht über seinen Tisch. Gemeinsam mit Entwicklungsvorstand Johannes Neft hat er sich zum Ziel gesetzt, bei Mitarbeitern und Partnerfirmen das Bewusstsein für eine nachhaltige Herstellung zu verankern. Denn: „Nur zwei Prozent der Wertschöpfung machen so genannte In-House-Produkte aus “, sagt Schnake, heißt übersetzt: Nur zwei von 100 in einem Škoda verbauten Teile stammen von Škoda selbst.

Skoda setzt auch auf Erneuerbare Energien. Foto: Skoda

Die Wiederverwendung von PET-Flaschen ist deshalb so wichtig, weil Plastikmüll zu einer ernsten Bedrohung für das ökologische Gleichgewicht der Weltmeere geworden ist, erklärt Schnake. Findige Wissenschaftler haben ausgerechnet, dass, wenn die Entwicklung so wie bisher weitergehe, im Jahr 2050 die Masse des in den Ozeanen treibenden Plastikmülls der Masse aller dort lebenden Fische entsprechen würde. Der Ersatz von Einweg-Material stehe aber unter einer wichtigen Prämisse, so Entwickler Neft: „Die Produkte dürfen sich nicht verteuern“.

Mit Kaffee zum Öko-Leder

Einerseits sind Chromteile bei Kunden sehr beliebt, weil die metallisch glänzenden Oberflächen als Symbole für Wertigkeit und Solidität gelten. Andererseits gehört die Substanz zu den umweltschädlichsten Materialien überhaupt, die im Auto verbaut werden. Auch zum herkömmlichen Gerben von Leder wird Chrom verwendet. Was den wertvollen Glanz angeht, wird an verschiedenen wasserlöslichen Lacken geforscht, die einen vergleichbaren optischen Effekt haben. Für die Lederbehandlung hat eine Firma aus Württemberg eine Lösung gefunden.

Das mittelständische Unternehmen hat eine Methode entwickelt, die Gerbstoffe zu verwenden, die in den Schalen roter Steinfrüchte aus Mexiko enthalten sind. Die Kugeln sind hierzulande besser als Kaffeebohnen bekannt, weshalb der Leder-Produzent unter die Kaffee-Erzeuger gegangen ist. Große Volumina werden mit dem aufbrühbaren Muntermacher nicht erzeugt, aber er liefert kontinuierlich die Schalen, die in der Lederherstellung fürs Gerben gebraucht werden. Die im Zuge der Aufbereitung verwendeten Farben seien ebenfalls unbedenklich, versichert das Unternehmen, so dass niemand mehr aus Öko-Scham auf eine Leder-Ausstattung im Auto verzichten müsse.

Keine Kompromisse bei Sicherheit

In einem Škoda Octavia sind gegenwärtig etwa 262 Kilogramm Plastik verbaut, nur ein geringer Teil stammt bisher aus der Wiederverwertung. Das soll sich ändern. Zwar haben einzelne Teppiche und Bezüge der aktuellen „Lodge“-Ausstattung bereits ihren Ursprung in 340 PET-Flaschen, aber es gibt Potenzial für eine deutliche Erhöhung dieses Anteils. Radläufe, Abdeckungen, Dach-Innenschalen, Stoßfänger – alles steht auf dem Prüfstand. Ersatz für Polyurethan-Schaum hat Priorität, denn auch diese Substanz gilt als sehr bedenklich. Bei jeder Innovation wird das neue Material eingehend geprüft, denn es muss natürlich den einschlägigen Qualitäts-Merkmalen und Zulassungs-Bedingungen entsprechen. Jeder Recycling-Stoßfänger, der den Crashtest passiert, ist ein Erfolg. Zwar muss in geringen Mengen auch frisches Material zugeführt werden, weil das mechanische Reycling Einbußen Stoffgüte mit sich bringt, beim künftigen chemischen Recycling könne die Quote der Wiederverwertbarkeit aber auf 100 Prozent steigen.

Nicht nur die Forschung nach Ersatzstoffen kostet Geld, auch die Integration in die Herstellung des Fahrzeugs. Nicht alle Maschinen und Werkzeuge, die für die Montage eines Škoda-Pkw gebraucht werden, können die neuen Materialien verarbeiten, auch dort braucht es deshalb Investitionen. Neben der vielfältig einsetzbaren Faser aus PET-Flaschen kommt immer wieder biologische Rohware zum Einsatz. Zuckerrüben oder Hanf steuern Ergänzungs-Material für Applikationen und Verkleidungen bei. Selbst vor dem Regeschirm im Türfutter, bei Škoda längst ein Synonym für den „Simply-Clever“-Markenclaim, macht die Entwicklung nicht Halt: Auch sein Gewebe kann der österreichische Schirm-Produzent jetzt als PET-Recycling liefern.

Über den Autor

Axel F. Busse

Axel F. Busse ist gelernter Redakteur, sein kommunikations-wissenschaftliches Studium absolvierte er an der FU Berlin. Nach Tätigkeiten bei Tageszeitungen, wo er sich mit Auto- und Verkehrsthemen beschäftigte, arbeitet er seit 2003 als freier Autor ausschließlich in diesem Bereich. Außer für electrified und die Autogazette schreibt er für verschiedene Online- und Printmedien.

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