E-Mobilität steht und fällt mit schnellem Laden. Der Mercedes ELF testet als rollendes Labor die aktuellen Grenzen des Stromtransports.
Elektrofahrzeuge sind längst im Auto-Alltag angekommen. Der Technik wird gemeinhin vertraut, beim Thema Laden bleiben Kunden allerdings skeptisch. Laut einer aktuellen Shell-Studie sind Ladegeschwindigkeit, Komfort und Verlässlichkeit die zentralen Kriterien bei der Wahl des Ladeorts und beeinflussen Routenplanung und Verweildauer maßgeblich. Fast 60 Prozent der Befragten sind noch nicht von der Zuverlässigkeit des Ladens überzeugt, 84 Prozent würden sogar weitere Entfernungen in Kauf nehmen, wenn der Ladepunkt zuverlässig und komfortabel ist.
Mit einem neuen Projekt versucht Mercedes-Benz jetzt den Herausforderungen des Ladens auf die Spur zu kommen. Das rollende Experimental-Lade-Fahrzeug ELF soll Fahrzeug-Innovationen mit infrastrukturellen Konzepten zu einem möglichst optimalen Ladeerlebnis vereinen. Dafür hat Mercedes-Benz in einer umgebauten V-Klasse gleich fünf Möglichkeiten des Ladens eingebaut. ELF kann ultraschnelles Laden mit über 1000 Watt, dazu solares, bidirektionales, induktives und konduktives Laden.
Was geht technisch?

Beim Megawatt Charging-System (MCS) testet das ELF-Team vor allem die thermische Belastbarkeit. Foto: Mercedes-Benz
Beim Megawatt Charging-System (MCS), das ursprünglich für den Schwerlastverkehr entwickelt wurde, testet das ELF-Team vor allem die thermische Belastbarkeit und die Leistungsgrenzen von Hochvoltbatterien, Leistungselektronik und Ladekabeln aus. Um Ladeverlust zu minimieren, wird mit wassergekühlten Kabeln experimentiert, ebenso mit Laderobotern, die die schweren Kabel automatisch mit der Ladebuchse verbinden.
Standard ist heute das Laden per CCS-Stecker. Auch hier lotet Mercedes-Benz am ELF die technischen Grenzen aus, um die Voraussetzungen für noch höhere Ladeleistungen zu schaffen. Das Laden des ELF-Mobils soll praxisnah entlang der Autobahnen oder im City-Bereich durchgeführt werden. Im ELF sind bereits bis zu 900 kW Ladeleistung möglich, damit können 100 kW in zehn Minuten nachgefüllt werden. Auch hier kommen flüssigkeitsgekühlte Kabel zum Einsatz.
Strom aus dem Boden
Das bidirektionale Laden bezeichnet Mercedes-Benz als den „strategischen Hebel für die Energiewende“. In realen Szenarien wird getestet, wie Elektrofahrzeuge zum aktiven Bestandteil des Energiesystems werden können, in dem sie Strom ins Haus (V2H), ins Netz (V2G) oder direkt an elektrische Geräte (V2L) abgeben.
ELF erprobt zudem das Laden ganz ohne Kabel, also über kontaktlose Ladesysteme, die im Boden integriert sind. Derzeit liegt die Ladeleistung beim induktiven Laden bei überschaubaren 11 kW Wechselstrom (AC), was einer typischen Wallbox entspricht. Beim konduktiven Laden hingegen werden Ladeplatten im Boden genutzt, die mit dem Fahrzeug kommunizieren und über einen sogenannten Connector im Fahrzeugboden direkt verbunden werden. Hierfür ist zielgerichtetes Parken erforderlich, was der Park Assist übernimmt. Auch hier liegt die Ladeleistung aktuell bei 11 kW. (SP-X)