Lifestyle

Lamborghini: Ein Hauch von Nachhaltigkeit

Lamborghini in einem Atemzug mit Nachhaltigkeit zu nennen, mag angesichts der Modellpalette des italienischen Autobauers nicht so richtig passen. Doch die Marke schickt sich an, elektrisch zu werden.

Dass es mächtig brummt, gehört bei Lamborghini seit jeher zum guten Ton. Mindestens. Denn da, wo selbst der Zwölfzylinder noch eine Heimstatt hat, ist sogar heißeres Brüllen salonfähig. Und Blubberspratz aus mächtigen Röhr-Röhren sowieso. Gute 700 PS entwickeln sich nun mal nicht lautlos. Jedenfalls nicht in einem Brennraum. Schon gar nicht bei Drehzahlen jenseits von 8.000. Und erst recht nicht, wenn man den Anspruch hat, Supersportwagen zu bauen. Der Name Lamborghini verpflichtet.


Dass es auch gewaltig summt, hat in Sant’Agata Bolognese eine nicht ganz so lange Tradition. Dafür sind die Stückzahlen umso gewaltiger. Rund 600.000 Bienen in 13 Völkern leben nicht weit vom Lamborghini-Stammsitz – am Rande eines Waldes, für den der italienische Autobauer vor gut zehn Jahren um die 10.000 Eichen gepflanzt hat. Geschätzte 330 Tonnen des Treibhausgases CO2 haben deren Blätter seither der Atmosphäre entzogen. Und täglich kommen an die 100 Kilo dazu.

Forschungsprojekt der Universität Bologna

Doch das noch junge Gehölz ist nicht bloß einfacher Luft-Filter, sondern auch komplexes Forschungsprojekt der Universitäten Bologna, Bozen und München. Es soll Aufschluss darüber geben, wieviel Kohlenstoff die Bäume in welchem Alter und unter welchen Wachstumsbedingungen einlagern – und dereinst als Totholz wieder freigeben. Vieles spricht aktuell dafür, dass jüngere Wälder dem Klima deutlich mehr nützen als ältere. Aber gänzlich erwiesen ist das nicht. Die Fachleute sind uneins. Noch.

Die Bienen stört der Streit der Wissenschaftler herzlich wenig. Sie freuen sich an einem wunderbaren Lebensraum mit Feuchtbiotopen und kaum berührter Natur – und ahnen nicht, dass auch sie vorrangig der Forschung dienen. Zu Verhaltensweisen etwa, aber auch zu Belastungen mit Pestiziden. Dass zu all den theoretischen Erkenntnissen noch um die 500 Kilo Honig pro Jahr kommen, ist ein Kollateralnutzen intakter Umwelt.

Genau um die geht es Lamborghini seit vielen Jahren – auch wenn einem Naturschutz und Nachhaltigkeit angesichts der Motorenpalette nicht gleich in den Sinn kommen. Selbstverständlich tun die Italiener Dinge, die in der Branche längst üblich sind – bereiten das Wasser auf, isolieren Gebäude, gewinnen Strom aus riesigen Solaranlagen, verlagern einen Großteil der Transporte von der Straße auf die Schiene und kaufen Umwelt-Zertifikate, wo sich Emissionen nicht vermeiden lassen. Aber da, wo es geht, machen sie eben noch ein bisschen mehr. Und in Sant’Agata Bolognese und Umgebung geht so einiges.

Vierzylinder mit Bio-Methan

Ein Motor – was auch sonst? – spielt dabei eine große Rolle. In Sichtweite des Werkes. Dass es sich gerade mal um einen Vierzylinder handelt, sieht man bei Lamborghini relativ gelassen. Immerhin verfügt er über gewaltigen Hubraum. Befeuert mit Bio-Methan aus Stroh und Getreideresten treibt das Aggregat langsam, aber beständig einen gewaltigen Generator. Rund um die Uhr, 365 Tage im Jahr. Den von dem Biogas-Unternehmen erzeugten Strom nimmt ein regionaler Öko-Anbieter ab, die zweieinhalb Millionen Kilowattstunden Abwärme jedoch landen – als 85 Grad heißes Wasser über eine unterirdische Pipeline – zu 100 Prozent auf dem Betriebsgelände des Autobauers. Das spart 1.800 Tonnen CO2 pro Jahr. Vor allem aber erweist sich die Investition in Zeiten aberwitzig teurer Heizenergie auch ökonomisch als Segen.

Im Werk selbst hält man ebenfalls Maß. Die vollautomatische Lackierstraße für das Geländegeschoss Urus etwa – die Supersportwagen werden noch von Meisterhand gefärbt – kommt dank pfiffigen Umbaus mit einem Trocknungsvorgang weniger aus als früher, künstliche Intelligenz senkt den Einsatz von Farbe an den Robotern, und weil die Karossen in einem rotierenden Zentrallager warten, spart man sich einen zusätzlichen Aufzug – samt Energie.

Recycling von Kohlefasern

Großes Potenzial haben auch kleine Dinge. Schon seit 35 Jahren beschäftigt man sich bei Lamborghini mit Kohlefasern – und schon eine ganze Zeitlang mit deren nicht ganz einfachem Recycling. Die nach ihrem ersten Leben durch Pyrolyse aufgespaltenen Verbundstoffe taugen hintennach zwar nicht mehr für tragende Strukturen, immerhin aber noch für Dämmung, weniger stark belastete Formteile – oder als filigraner Schmuck in Form von Carbon-Armreifen. Die kommen sogar einem modebewussten Menschen wie Lamborghini-Chef Stephan Winkelmann ans Handgelenk.

Selbst mit Leder gehen sie in Bologna deutlich achtsamer um als früher. Aus den einstmals schmählich entsorgten Zuschnitt-Resten edler Bezüge entstehen seit einiger Zeit exklusive Handyhüllen, Kulturbeutel, Schlüsselanhänger oder Laptop-Taschen. In Handarbeit und selbstverständlich mit Logo. Nur was danach noch an Schnipseln übrigbleibt, landet endgültig im Abfall. Irgendwo hat jede Kette ja auch mal ein Ende.

„Direzione Cor Tauri“ nennen sie diese Philosophie der Nachhaltigkeit bei Lamborghini. „Weg zum Herzen des Stiers“. Hellster Himmelskörper im gleichnamigen Sternbild, aber eben auch Sinnbild des Markenzeichens, auf dem seit jeher Murciélago prangt – jener legendäre Stier, der am 5. Oktober 1879 in der Arena „Plaza de Toros de los Tejares“ in Cordoba 24 Lanzenstöße des Matadors überlebte und daraufhin von den begeisterten Zuschauern begnadigt wurde.

Auf diesem Weg will Lamborghini in eine elektrifizierte Zukunft fahren, dem Herzen und der Seele der Marke aber treu bleiben. Ein nicht ganz einfaches Unterfangen. Wissen sie doch in Bologna nur zu gut, dass ihnen ihre Kunden ein aufgepapptes Öko-Siegel niemals abkaufen würde. Auch mit Akku sollen hier schließlich weiterhin Supersportwagen vom Schlage Huracán oder Aventador vom Band rollen. Die werden selbstverständlich über eine Technik verfügen müssen, der nicht nach einem halben Dutzend Kick-Downs schon der sprichwörtliche Saft ausgeht. Den blauen Umwelt-Engel erwartet da vermutlich niemand.

Urus als erstes reines E-Modell der Marke

Noch können sich Fans der Marke auf pure Tradition verlassen. Das fauchende Triebwerk im Rücken und eingefasst von Sitzen Marke „Abrahams Schoß“, fühlt man sich in den Flachflitzern wie vom Katapult geschossen und schnürt mit druckvollem Heck gierig um jede Biegung. Untersteuern, nein danke. Indes muss man schon mit dem Gleichmut eines italienischen Olivenbauern gesegnet sein, um nicht alsbald dem Temporausch zu verfallen. Damit es nicht nur schnell hochgeht, sondern auch fix wieder runter, beißen dicke Zangen in gewaltige Scheiben. Da darf’s dann auch mal eine Verzögerung mehr sein. Und ja, ab Stellung „Sport“ gibt es mächtig was auf die Ohren. Mit Klappen-Steuerung im Abgasstrang und allem Drum und Dran.

Für eine kurze Zeit wird das noch so bleiben. Doch schon vom kommenden Jahr an greift schrittweise elektrische Unterstützung den Lambo-Triebwerken unter die Kolben. Bis 2028 darf man wohl mit dem Urus als erstem reinen E-Modell rechnen. Die Technik liegt bei den Konzern-Schwestern Audi und Porsche schließlich im Regal. Auch eine vierte Baureihe soll mit purem Akku-Antrieb starten. Das Ziel: Bis 2025 will die Marke 50 Prozent unter den Flotten-Emissionen von 2021 liegen, 2030 dann 80 Prozent.

Wobei sich Flotte fast schon zu groß anhört. Exakt 8.405 Autos hat Lamborghini im vergangenen Jahr weltweit abgesetzt, gute 600 davon in Deutschland. Man darf also davon ausgehen, dass zur „Direzione Cor Tauri“ auch weiterhin Exklusivität gehören wird – und ein deutlich sechsstelliger Preis selbstverständlich auch.

Über den Autor

Wolfgang Plank

Wolfgang Plank ist freier Journalist und hat ein Faible für Autos, Politik und Motorsport. Tauscht deshalb den Platz am Schreibtisch gerne mal mit dem Schalensitz des Rallye-Copiloten.

Durch die weitere Nutzung der Seite stimmen Sie der Verwendung von Cookies zu. Weitere Informationen

Die Cookie-Einstellungen auf dieser Website sind auf "Cookies zulassen" eingestellt, um das beste Surferlebnis zu ermöglichen. Wenn Sie diese Website ohne Änderung der Cookie-Einstellungen verwenden oder auf "Akzeptieren" klicken, erklärst Sie sich damit einverstanden.

Schließen