Lifestyle

«Esst weniger Fleisch, kauft dafür besseres Fleisch»

Ulrike und Noni Piecha betreiben seit fast 10 Jahren in der Marheineke-Markthalle in Berlin-Kreuzberg das „BioBuffet“. Neben einer Bio-Fleischerei bieten die beiden Schwestern ihren Kunden dort auch einen Imbiss mit regionalen Lebensmitteln. Electrified traf die Piechas in ihrem Kiez zum Gespräch über Slow Food. 

 

„Furchtbar.“ Die Reaktion von Ulrike Piecha ist eindeutig. „Das hat mit gutem Fleisch nichts zu tun“, sagt die 38-Jährige. „Ich könnte so etwas nicht essen.“ Ihr Entsetzen gilt dem Werbeprospekt, den wir zu unserem Gespräch mitgebracht haben. Darin preist eine große Lebensmittelkette ihr aktuelles Fleischangebot an: 100 Gramm Rumpsteak vom deutschen Jungbullen für 1,99 Euro.


„Diesem Fleisch sieht man seine schlechte Qualität sofort an. Es glänzt, es ist labberig.“ Genau solche Angebote und die dahinter stehende Massentierhaltung hätten sie zur Vegetarierin werden lassen, erzählt sie. Erst als Ulrike Piecha ihre Ausbildung zur Köchin im Sternerestaurant Victorian bei Günter Scherrer („Ich war sein letzter Zauberlehrling“) in Düsseldorf absolviert hat, habe sie verstanden, was gutes Fleisch ist. „Das hier jedenfalls nicht.“ Sie legt den Prospekt schnell zur Seite.

Fleisch kommt aus der Region

Wer bei den Piechas Rumpsteak kauft, muss für 100 Gramm 4,99 Euro bezahlen. Dafür kann der Kunde dann aber auch sicher sein, dass das Fleisch aus artgerechter Tierhaltung kommt. Die Piechas beziehen ihr Fleisch von regionalen Produzenten aus Brandenburg. Dazu gehört das Gut Hirschaue und das Gut Ogrosen: die einen liefern Fleisch vom Sattelschwein und Damwild, die anderen vom Rind.

Ulrike Piecha zeigt auf das Fleisch im Prospekt. Foto: Lina Grün

„Wir haben einen Anspruch an die Nachhaltigkeit. Dazu gehört, dass unser Fleisch nicht erst einige 100 Kilometer Transportweg aus Süddeutschland hinter sich gebracht hat.“, erläutert Noni Piecha (34). Auch bei der persönlichen Mobilität legen die beiden Schwestern Wert darauf, ihren CO2-Fußabdruck gering zu halten. So teilt sich Ulrike Piecha ein Auto mit ihrer Schwester, fährt aber auch Taxi und will es jetzt auch mit Carsharing versuchen. Noni Piecha nutzt vor allem ihr Fahrrad. Die Probefahrt mit dem Elektroroller, mit dem der Autor zum Termin am Marheinekeplatz gekommen ist, machte ihr viel Spaß. „Mensch, ist der leise“, stellt Noni Piecha fest.

Wie ihre Schwester hat auch sie in der Spitzengastronomie gelernt und in einem Fünf-Sterne-Hotel ihre Konditorinnenausbildung absolviert. „Wir haben mit super Produkten gelernt und das wollen wir auch im Alltag weiter tun und unseren Kunden entsprechende Qualität bieten, auch wenn wir es bei der Anrichtung etwas runterbrechen.“ Das bedeutet, dass die Piechas auch Wert auf gute Beilagen legen statt den Kunden ein besonders großes Stück Fleisch zu servieren. „Wir sind nicht der Laden, wo drei Rinderrouladen auf dem Teller liegen“, sagt Noni Piecha.

„Nein, das ist Berlin“

Viele Kunden hätten ohnehin ein falsches Gefühl dafür, was Fleisch kosten muss. So hätte man einmal ein sehr gutes Bio-Hähnchen von Bauckhof im Angebot gehabt. „Doch das ist so teuer, dass eine Hähnchenbrust schon schnell mal 7,50 Euro kostet.“

Mit solchen Preisen stoße man indes schnell an die Grenzen der Akzeptanz. Weil sich hohe Preise in einem Kiez wie Kreuzberg nicht durchsetzen lassen? „Nein, das ist Berlin“, so Noni Piecha. „Wir müssen uns schon häufig anhören, wie teuer wird sind, dabei sind wir mit unseren Preisen schon an der untersten Grenze.“ Mit ihren Preisen seien sie derzeit in der Markthalle „sicher der Stand mit den höchsten Foodkosten“. Einige Kunden würden denken, dass sie Bio-Fleisch auch im Supermarkt für 1,99 Euro pro 100 Gramm bekommen. Doch das ist ein Trugschluss. Gutes Fleisch hat seinen Preis.

So koste ein Rind den Produzenten in der dreijährigen Aufzucht 1700 Euro. „Wenn der Produzent viel Glück hat, verdient er pro Rind vielleicht 300 bis 400 Euro.“ Angesichts für die von ihm gelieferte Qualität eine zu geringe Gewinnspanne. Angesichts der Preise im Supermarkt lassen sich höhere Fleischpreise nicht durchsetzen.

Fleischkonsum reduzieren

Lecker: In ihrem Imbiss bieten die Piechas auch kleine Speisen an. Foto: Lina Grün

Doch was sagen die Piechas jenen Kunden, die sich ein Rumpsteak für 4,99 Euro pro 100 Gramm nicht leisten können? Verzichtet auf Fleisch? „Doch, das kann man sich leisten“, sagt Noni Piecha und erzählt eine Geschichte aus ihrer Lehrzeit. Damals hatte sie ein Grundgehalt von 215 Euro und hatte Heißhunger auf Fleisch. Sie ging zum Supermarkt und hat sich dort drei Nackensteaks gekauft. Gegessen hat sie sie nicht. Sie hat beim Braten den Geruch des Fleisches nicht ausgehalten. „Es war einfach ekelhaft. Danach habe ich mir einmal oder zweimal im Monat ein gutes Stück Entrecoute gekauft.“ Angesichts des jährlichen Fleischverbrauchs der Deutschen von 60 Kilogramm pro Kopf rät Ulrike Piecha ohnehin dazu, den Fleischkonsum zu reduzieren. „Esst weniger Fleisch, kauft dafür besseres Fleisch.“

Über den Autor

Frank Mertens

Nach dem Sport- und Publizistikstudium hat er sein Handwerk in einer Nachrichtenagentur (ddp/ADN) gelernt. Danach war er jahrelang Sportjournalist und hat drei Olympische Spiele (Sydney, Salt Lake City, Athen) als Berichterstatter begleitet. Bereits damals interessierten ihn mehr die Hintergründe als das bloße Ergebnis. Seit 2005 berichtet er über die Autobranche. Neben der Autogazette verantwortet er auch den redaktionellen Teil des Magazins electrified.

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