Lifestyle

Brixen: Wo Nachhaltigkeit zum Genuss wird

Mit dem Lucid Air haben wir uns auf die Reise nach Südtirol gemacht. Foto: Stefan Schütz

Brixen steht für spektakuläre Berge und mystische Wälder genauso wie für herrliche Burrata und köstliche Weinsuppen. Nun will die Region alles unternehmen, um ihren ökologischen Fußabdruck noch weiter zu verringern.

Von Andreas Haslauer


„Am Montagmorgen schauen wir immer, was uns der liebe Herrgott vor die Türe gelegt hat“, sagt Johannes Meßner, der auf einer Gletscherterrasse 750 Meter oberhalb von Brixen den „Burgerhof Meßner“ führt. Ganz auf Gott will sich der 35 Jahre alte Koch und Winzer aber nicht verlassen.

Deswegen baut er mit seiner Frau Katrin – die natürlich aus dem Epizentrum des deutschen Weins, der südlichen Weinstraße, kommt – auch alles an. Alles heißt: Gurken und Spinat sowie Kartoffeln und Kohlrabi. Das sind aber nur die Sachen, die im Gemüsebeet wachsen. Dann gedeihen im Garten noch Kräuter und Beeren. Und ganz viele Trauben. Die Weine des Önologen Johannes, die Johanniter und Solaris, schmecken den Gästen, die am Wochenende in sein Restaurant, das er auf seinem Hof betreibt, kommen. Und wie! „Regionaler können wir nicht sein“, sagt Johannes und beißt in den Speck, der wie seine Tomaten und seine Gurken keine 50 Meter hinter sich haben.

Nachhaltigkeit auf die Fahnen geschrieben

Johannes und Katrin vom Berghof Meßner. Foto: Stefan Schütz

Johannes ist einer von vielen in Brixen, die sich das Thema Nachhaltigkeit ganz oben auf ihre Fahne geschrieben haben. Ohnehin steht das Thema in ganz Bressanone über allem. Nachhaltigkeit sei eine Bereicherung, philosophiert Tourismus-Chef Werner Zanotti. Brixen, so Zanotti, stehe für spektakuläre Berge und mystische Wälder.

Und damit das auch für die nächsten Generationen so bleibt, unternimmt er alles. „Unser gesamtes Handeln und Tun wird diesem Thema untergeordnet“, erklärt der Direktor. Das zahlt sich aus. Brixen hat nun mit dem GSTC-Zertifikat (Global Sustainable Tourism Council) die höchste Nachhaltigkeits-Stufe offiziell testiert bekommen. Ausruhen will sich aber dort niemand. „Externe Auditoren werden unsere Fortschritte weiter jährlich überprüfen“, so Zanotti. Italienische Medien sind aus dem Häuschen. Oder wie der römische Journalist Carlo Marino schrieb: Brixen sei das Städtchen, wo „Nachhaltigkeit zum Genuss“ werde. Das ist deswegen so wichtig, weil es den Alpen nicht gut geht. Gar nicht. „Die Alpen liegen auf der Intensivstation“, sagt der weltweit führende Kultur-Geograph Professor Werner Bätzing im Interview.

Unterwegs mit Lucid Air

Seine Leistung beeindruckt: der Lucid Air hat mächtig viel Power. Foto: Stefan Schütz

Stefan Schütz, der electrified-Fotograf und ich, der Journalist, sind zwar keine Prüfer, dennoch machen wir uns mit unserem E-Auto auf, um alles selbst zu begutachten. Und weil das Städtchen im Eisacktal für tolle Restaurants und tolles Essen steht, haben wir uns das passende Auto ausgesucht: Einen Lucid Air. Lucid, das ist ein US-Autobauer. „Unser Ziel ist es“, so Konzernchef Peter Rawlinson, „nachhaltige Mobilität ohne Kompromisse zu schaffen.“ Rawlinson legt dabei viel Wert auf Effizienz. „Unsere Autos müssen die Ressourcen unseres Planeten so gut wie möglich nutzen“, sagt der Mann, der einst als „Chief Engineer“ bei Tesla das „Model S“ entwickelte.

Daher weiß er, was es heißt, seinen Kunden erstklassige E-Reichweite zu bieten, ohne auf hohe Performance oder überragenden Komfort zu verzichten. Stefan und ich haben uns den „Touring“ mit geschmeidigen 628 PS von Rawlinson ausgeborgt. Im Fuhrpark hat der Auto-Manager aber auch noch den „Grand Touring“ (832 PS) und den „Sapphire“ mit stolzen 1251 Pferdestärken. Ehrlich gesagt reicht uns der Touring völlig aus, um über den Brenner zu fahren. Schließlich schießt der schon mit 3,6 Sekunden von 0 auf 100. Beim Sapphire sind es nur zwei. Zwei! Sekunden! Treten da wie im Düsenjet schon Fliehkräfte auf, frage ich mich, als Stefan und ich in unserem Air mit Panorama-Glasdach auf dem Parkplatz des „Historic Guesthouse“ des Adlers in Brixen vorfahren.

Wenig Ladestopps dank hoher Reichweite

Elegant: das Cockpit des Lucid Air. Foto: Stefan Schütz

An eine E-Ladesäule mussten wir auf der Fahrt von München aus kein einziges Mal, haben doch die Touring-Modelle eine Reichweite von bis zu 700 Kilometern. Ohnehin sind die Zahlen beeindruckend: Der Durchschnittsverbrauch lag gerade einmal bei 17 Wh/km. Und die Rekuperation? Die war am Zirler Berg so stark, dass wir nicht einmal auf die Bremse steigen mussten. Faszinierend.

Was sich mit dem Historic Guesthouse so ein bisschen wie eine Jugendherberge anhört, ist in Wahrheit ein epochales Haus. Oder wie Christoph Mayr, der Eigentümer, dazu sagt: „The uplifting city hotel in Brixen.“ Man muss ja mit der Zeit gehen. Und der Hoteldirektor geht mit der Zeit. „Wir leben in unseren Häusern ökologische, soziale und wirtschaftliche Nachhaltigkeit vor“, so der Hotelier, der auch das Restaurant „Finsterwirt“, bei dem der Seeteufel mit Spinat, Buchweizen, Graukäse und Zitronenthymian eine Empfehlung ist sowie in seiner Vinothek „Vitis“ das „Short Rib vom Rind“, glasiert mit Schalotten-Tarte und weißem Zwiebelpüree.

Was heißt aber Nachhaltigkeit für Mayr? Das heißt: Ladestationen für E-Autos, ökologische Reinigungsmittel, Preisnachlässe („Green Rate“) wenn man mit dem Zug anreist. Ansonsten kommt das Fleisch für seine Häuser aus dem benachbarten Villnöss, der veredelte Käse aus dem benachbarten Varna. Das Brot unter anderem von Benjamin Profanter und das Gemüse von Harald Gasser.

Brot als Super-Food

Benjamin Profanter ist der „Brotschafter“ in der Region. Foto: Stefan Schütz

Und zu ihnen kommen wir auch. Erst aber zum „Brotschafter“ Benjamin Profanter. Der Mann ist ein echter Back-Ultra. Viel Kritik hat das Brot einstecken müssen, wurde oft als Dickmacher verschrien. „Brot ist Super-Food“, entgegnet der Brotschafter aber, weil es wichtige Vitamine und wichtige Aminosäuren enthält. Aber nur dann, wenn man das Brot eben nicht mit chemischen Zusätzen pimpe. Dieses Bio-Gen scheint Benjamin vererbt worden zu sein, stellte doch schon sein Vater die Bäckerei 1982 auf Bio um, als erste in Südtirol. Noch heute ist die Schüttelbrot-Manufaktur Südtirols einziger Bioland-Bäcker. „Gutes Brot“, sagt Brotsommelier Benjamin – Achtung Kalauer – sei 100 Prozent „Ährensache“.

Das ist es auch für Florian Fink, Chef im „Fink Restaurant & Suites“. Pflanzlich muss es sein, sowie geschmacklich herausragend und absolut bekömmlich. Deswegen sagt er zu seinen Gemüsebauern sowie Fisch- und Fleischlieferanten immer nur den einen Satz: „Bringe mir bitte nur das, was Du hast“. Also das, was gerade wächst. Oder das, was gerade erlegt wurde. Empfehlung: Das Gemüse-Tartar aus Wurzeln, Karotten, Sellerie. Ein Traum! Das schmeckt auch der Unternehmensberatung „Earth Check“, die Fink eine Silber-Zertifizierung ausgestellt haben. Sie testieren damit, dass die Finks eine Führungsposition bei nachhaltigen Maßnahmen einnehmen.

Ohne chemische Zusätze

Ein etwas anderer Landwirt als alle anderen ist auch Harald Gasser. Der Mann baut auf seinem Aspinger Hof Obst- und Gemüsesorten an, die es seit Jahrhunderten nicht mehr gibt: Erdbeerspinat, Senfkohl, japanischer Wasserpfeffer. Ähnlich wie Profanter verzichtet auch er, der ein bisschen wie die Südtiroler Version von Huckleberry Finn aussieht, auf chemische Hilfsmittel. „Ich bin davon überzeugt, dass ein natürliches Ökosystem geschmackvoller, gesünder und produktiver ist als jedes andere“, sagt der 47-Jährige, der die Spitzengastronomie mit Senfblumen und Glückskleerübchen versorgt. Er sagt selbst, dass er wie ein Drogendealer sei. „Meine Kunden wollen das Obst und Gemüse von mir immer wieder haben. „Sie kommen davon gar nicht mehr los“, sagt Gasser. Und lacht.

Am Abend gehen Stefan und ich auf das „Water Light Festival“. Ohnehin ist das Thema Wasser in Brixen omnipräsent. Und zwar immer. Nicht nur, dass an 21 Brunnen die Menschen ihre Trinkwasserflaschen auffüllen können. Das blaue Gold hat sogar eigene Festwochen: beim Water Light Festival präsentieren Künstler und Künstlerinnen in der ganzen Stadt inspirierende Installationen aus Licht und geben so Einblick in die Welt des Wassers, so Georg Ladurner, ein Südtiroler Architekt. Ladurner veranstaltet das Licht- -Spektakel zusammen mit Moritz Brunner. In diesen Tagen zeigte das Künstler-Duo „Selbstleuchtende Kreaturen“, also Tiere, die ein Lichtsignal erzeugen. Stefan und ich sind begeistert. Brixen funkelt, glitzert und strahlt in allen psychedelischen Farben.

Prima Ausgangspunkt für Wanderer

Begeistert sind wir auch von unserem Lucid, als wir auf die Plose hochfahren. Die Plose ist ein Gebirgsstock, auf dem sich gleich mehrere Gipfel befinden. Insgesamt, so schreibt die „Plose Ski AG“, kann man auf mehr als vier Dutzend 3.000-er blicken. Wir machen an den „Anders Mountain Suites“ erstmal Zwischenstopp. Selten haben wir so eine Location gesehen, warum es auch kein Wunder ist, dass Mode-Giganten wie Burberry das alpin-puristische Architektur-Highlight als Shooting-Destination ständig buchen. Dann geht es weiter, weiter mit unserer amerikanischen Rakete zum Wandern.

Für Wanderer und Bergsteiger ist Brixen ein prima Ausgangspunkt“ schreibt die gleichnamige Kraxel-Postille. In Tagestouren eröffne sich ein Wander-Areal mit spektakulären Gipfeln. Das Besondere: Dolomitenblick pur! „Aufladen pur“ war die Nacht-Aktivität unseres Lucids. An dem 300KW-Schnelllader war unser Auto binnen 20 Minuten von 20 auf 80 Prozent geladen. Fast so schnell wie das Raketen-Auto bei „Zurück in die Zukunft“. Grüße an McFly!

Zu Besuch bei der Laab-Frau

Industriedesignerin Jasmin Castagnaro schafft aus Laub einzigartige Lampen. Foto: Stefan Schütz

Natur pur verbaut Jasmin Castagnaro, eine Industrie-Designerin. Es war im Herbst 2015, als sie sich fragte, was man mit dem ganzen Laub machen könnte. Für Jasmin, die heute nur Laab-Frau (Laab bedeutet im Dialekt „Blätter“) genannt wird, bedeutete das Laub aber nicht das Ende, sondern der Beginn neuen Lebens. Seitdem fertigt sie wunderschöne Lampen aus mehr als einem Dutzend Blattsorten an.

Nachdem die Blätter zu Boden fallen werden diese zerkleinert und dann mit Bio-Harzen in Form gegossen. Ähnlich wie bei Bio-Bauer Harald will auch jedes Hotel und jedes Restaurant die Kunstwerke von Jasmin haben. Glücklich kann sich die Vinothek Pillhof schätzen, die wie das Hotel Haller die Leuchten schon bekommen hat. Denn: Die Warteliste für Lampen in „Blutpflaume mit Kupfer“ und „Schwarzpappel mit Gold“ ist lang. Wirklich sehr lang.

Keine Sorgen vor der Zukunft

Für die Zukunft braucht sich der kleine Hanno, der gerade mal ein Jahr alt ist, keine Sorgen machen. Hanno ist wie Moritz (4), der Sohn von Johannes und Katrin vom „Burgerhof Meßner“. Sie wachsen mit den Kühen Lisa, Alma, Hanni, Alexandra und Luna auf. Zwar werden sie eines Tages auch mal als Gulasch und Ossobuco enden, dafür bekommen die Jungs schon von Kindesbeinen an mit, was ein natürlicher Kreislauf ist.

Denn das einzige, was Johannes und Katrin wollen, ist, dass etliche Generationen auch nach ihnen noch die schönste Region auf dieser Welt genießen können. Diesen Gedanken hatten übrigens auch schon Franz und Anneliese Meßner 1982, die Eltern von Johannes, als sie damals schon den ganzen Hof auf Bio umstellten. Und so werden eines Montagmorgens auch mal Hanno und Moritz schauen, was der liebe Herrgott ihnen vor die Türe gelegt hat.

Durch die weitere Nutzung der Seite stimmen Sie der Verwendung von Cookies zu. Weitere Informationen

Die Cookie-Einstellungen auf dieser Website sind auf "Cookies zulassen" eingestellt, um das beste Surferlebnis zu ermöglichen. Wenn Sie diese Website ohne Änderung der Cookie-Einstellungen verwenden oder auf "Akzeptieren" klicken, erklärst Sie sich damit einverstanden.

Schließen