ZF hat eine Zweigang-Automatik für Elektroautos entwickelt. Sie sorgt für bessere Beschleunigung und eine höhere Reichweite.
Jetzt haben wir uns gerade damit vertraut gemacht, dass in Elektroautos nicht geschaltet werden muss. Und schon heißt es umlernen. Beim Technologie-Konzern ZF steht eine Neuentwicklung kurz vor der Serienreife, die Vertrautes aus der alten Welt zurück in die des E-Autos bringt.
Die Ingenieure kombinierten ein 190 PS starkes Triebwerk mit einem automatischen Zweigang-Getriebe. Bei etwa 70 km/h kommt der zweite Gang zum Einsatz. In Zusammenarbeit mit den elektronischen Bordsystemen sorgt das für einen besseren Wirkungsgrad des Motors, der die Batterie weniger beansprucht und dadurch die Reichweite verlängert. Bert Hellwig, „Elektro-Chef“ bei ZF erklärt: „„Jedes Prozent Effizienz im Wirkungsgrad mündet in zwei Prozent mehr Reichweite. Fahrzeuge mit einem Zweigang-Getriebe haben einen geringeren Energieverbrauch, weil sie die Ressourcen der Batterie besser nutzen.“
Fünf Prozent mehr Reichweite
In Zahlen ausgedrückt: Fünf Prozent mehr Reichweite durch die Zweigang-Automatik und als Nebeneffekt eine um gleich zehn Prozent bessere Beschleunigung. Wobei die Autohersteller als künftige Kunden der ZF-Entwicklung neue Spielräume gewinnen. Bisher müssen die sich nämlich entscheiden, in welcher Disziplin ihr elektrisches Produkt besonders glänzen soll – beim Beschleunigen mit hoher Durchzugskraft oder beim Thema Höchstgeschwindigkeit.
Im Klartext: Ein E-Auto mit viel Power beim Losfahren, muss mit einer geringeren Spitze leben“. Bert Hellwig: „Diesen Konflikt lösen wir jetzt auf, denn unser Antrieb findet jeweils den idealen Gang für beide Ansprüche“. Der Ingenieur verweist darauf, dass das ZF-System auch mit leistungsfähigen und schweren Elektrofahrzeugen bis zu 250 kW/340 PS kompatibel ist, die zum Beispiel als Zugpferd für Anhänger dienen.
Auch höhere Endgeschwindigkeit
Im Zusammenspiel von Motor, Elektronik und Getriebes sind also sowohl bessere Beschleunigungswerte als auch eine höhere Endgeschwindigkeit möglich, da die Elektronik stets berechnet, welcher der beiden Gänge gerade am Wirkungsvollsten die momentane Fahrsituation meistert und dabei am wenigsten Energie verbraucht. Dazu kann diese Technik auch mit den Daten des Navigationssystems gefüttert werden, die vorausschauend den passenden Gang für kommende Kurven oder für Bergauf- oder Abfahrten auswählt.
Bei ersten Fahreindrücken auf dem Lausitzring nahe Dresden erwies sich die in einem elektrifizierten VW Touran eingebaute Schaltung bereits als völlig ausgereift. Bei Stadtverkehr-Tempo passiert zunächst nichts, der Stromer bleibt in dem Gang, in dem auch gestartet wurde. Beim Tritt aufs rechte Pedal und bei Erreichen eben jener 70 km/h dann ein sanfter, wirklich kaum spürbarer Schaltruck. Jetzt übernimmt Gang Nr. 2 und beginnt die Zusammenarbeit mit dem E-System praktisch neu, ohne Kompromisse machen zu müssen. Der Fahrer könnte zwar den Gangwechsel auch per Knopfdruck erzwingen, wird diese Möglichkeit in der Praxis aber kaum nutzen. Denn das bordeigene Elektronengehirn, das jeweils die sparsamste Gangwahl ermittelt, ist menschlichen Rechenkünsten nun mal weit überlegen.
ZF wird jetzt ausloten, welche Hersteller sich für diese nächste Stufe der E-Mobilität und seine Zweigang-Automatik begeistern können und mit den Friedrichshafenern ins Geschäft kommen. Die Chancen stehen gut, denn jeder Kilometer mehr an Batteriereichweite ist immer willkommen. Als besonders geeignet sieht ZF die Nutzung in Modellen der Kompaktklasse. (SP-X)
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