Elektro

VW ID. Buzz: Sympathieträger aus Hannover

Unterwegs in Kopenhagen mit dem neuen ID.Buzz von VW. Foto: Ingo Barenschee

Der ID. Buzz von VW kommt bei den Kunden an. Doch leider muss man sich auf lange Wartezeiten einstellen. Doch das Warten lohnt sich.

Fast sechs Jahre sind vergangen, seit Volkswagen auf der Messe in Detroit einen ID.Buzz vorstellte. Die Begeisterung war schon damals groß und daher ist es gut, dass es VW gelungen ist, den grundlegenden Charme der Studie auch im Serienfahrzeug zu bewahren. Der jetzt bestellbare, aber mit langen Wartezeiten versehene Elektro-Bus schafft es, modern zu wirken und gleichzeitig optisch gleich an den ersten Bulli der 50er-Jahre (T1) zu erinnern.


Unser Testwagen unterstreicht dies durch eine schöne, fröhliche Zweifarblackierung in Mintgrün/weiß zum Aufpreis von schlappen 2.642 Euro – wer sich über die aktuellen Grund- und Aufpreise für Neuwagen so richtig aufregen kann, sollte an dieser Stelle vielleicht lieber zu einem guten Buch greifen. Also, der Buzz sieht einfach „gut“ aus, wahlweise auch „süß“ wie uns während des Tests zahlreiche Menschen an Tankstellen, Parkplätzen, im Stadtverkehr oder beim nachbarschaftlichen Gespräch immer wieder mitteilten.

Überraschend wendig

Weitere Pluspunkte sammelt der bei VW Nutzfahrzeuge in Hannover gebaute ID.Buzz mit seinem hohen Fahrkomfort und seiner überraschenden Wendigkeit, die auf dem Niveau eines Golf liegt. Leise und kraftvoll im Antritt ist er dank des Elektroantriebs sowieso. Wobei die Entwickler diesen nicht auf unnötige Dynamik ausgelegt haben. Gut so.

Für moderne Autos moderate 10,2 Sekunden benötigt der auf der Konzern-Elektroplattform MEB aufgebaute Bus bis auf 100 km/h. Und bei 145 km/h ist schon Schluss, was in diesem Fahrzeug überhaupt nicht stört. Vielmehr erfreuen wir uns an seinem bauartbedingt kräftigen Antritt, 310 Newtonmeter sofort anliegendes Drehmoment erweisen sich in der Praxis als völlig ausreichend.

Gute Sitzposition

Im ID.Buzz sitzt man auf qualitativ so mittelprächtigem Gestühl, aber sehr entspannt, weil die zwischen dem Verbrenner-Bus und einem Pkw angesiedelte Sitzposition gut passt. Auch der lichte Innenraum mit vielen Ablagen und cleveren Details fügt sich ins Bild eines praktischen und familienfreundlichen Fahrzeugs. Dass der vorne im Tunnel angebrachte Doppel-Becherhalter beim Ausfahren mehrmals klemmte, nehmen wir nicht persönlich und schieben es einfach auf frühe Kinderkrankheiten.

Natürlich nimmt man bei der Beurteilung des Fahrzeugs nicht etwa einen ID.4 zum Maßstab, obwohl hier ja eine Baukasten-Verwandtschaft besteht, sondern automatisch den technisch schon ziemlich alten, aber noch aktuellen T 7. Der spielt quasi die automobile Rolle des alten weißen Mannes, und ihm hat der ID.Buzz einiges voraus, vor allem natürlich den umweltfreundlicheren Antrieb. Bei der Variabilität muss der modernere dem älteren Bus allerdings den Vortritt lassen. Der Elektriker hat nicht viel mehr zu bieten als eine um 15 Zentimeter verschiebbare Rückbank, die sich zudem wie bei jedem x-beliebigen Kleinwagen noch im Verhältnis 60:40 umlegen lässt. Sitzschiene? Fehlanzeige. Das ist enttäuschend.

Navi braucht seine Zeit

Das Cockpit des ID. Buzz. Foto: VW

Und wenn wir gerade dabei sind: Das Navigationssystem ist nun wirklich kein Schnellrechner – und hat es sich dann einmal auf eine Route festgelegt, führt es uns auf dieser blindlings und trotz Alternativen gerne selbst in lange Staus.

Die Fahrt selbst macht im ID.Buzz stets Spaß, nicht nur wegen der vielen lächelnden Gesichter und erhobenen Daumen am Straßenrand und beim Nachbarn an der Ampel. Neben Antritt und Wendekreis überzeugt – jedenfalls für einen Bus – auch der hohe Fahrkomfort. Bodenwellen und Schlaglöcher nimmt der Fünfsitzer gelassener als ein Verbrenner-Bulli. Apropos Fünftürer. Im Laufe des kommenden Jahres wird Volkswagen auch eine siebensitzige Version mit verlängertem Radstand bringen und den ID.Buzz somit zum handballteamtauglichen Familien-Linienbus machen.

Preis bei rund 65.000 Euro

Der ID. Buzz soll das Marken-Image von VW aufpolieren. Foto: Ingo Barenschee

So, letzte Chance hier mit dem Lesen aufzuhören und zu einem Buch zu greifen. Wir kommen zu den Preisen. Schon die Basisversion kommt mit knapp 64.600 Euro (Ausstattung Pro) happig. Die Aufpreise sind es nicht minder. Über die Zweifarblackierung sprachen wir schon. Noch andere Beispiele? Wer das lahme Navi will, findet dies zusammen mit einem Sprachassistenten, induktivem Laden und einigen anderen Kleinigkeiten für 1.517 Euro als Infotainment-Paket Plus in der Aufpreisliste. Matrix-LED-Scheinwerfer sind komischerweise im Design-Paket versteckt und kosten dort zusammen mit einer Edelstahl-Pedalerie und weiteren Lichtspielen 1.726 Euro. Empfehlenswert ist auf jeden Fall das Assistenz-Plus-Paket. Es beinhaltet für stolze 2.374 Euro Dinge wie die automatische Distanzregelung ACC Stop&Go, den Travel-Assist, einen schlüssellosen Zugriff, einen Spurwechselassistenten, ein Multifunktionslenkrad, eine Diebstahlwarnanlage und noch einiges mehr.

Schnell kommen hier über 70.000 Euro zusammen, von denen dann im neuen Jahr 4.785 Euro an staatlichem Bonus (3.000 Euro) und Händlerbonus (1.785 Euro brutto) abgezogen werden können. Trotzdem dürfte das die meisten Familienbudgets sprengen. Was schade ist, weil der ID.Buzz damit seinem natürlichsten Umfeld bestehend aus Eltern/Kindern entzogen wird. Käufer, die sich den ersten elektrischen Bulli leisen wollen, wird Volkswagen dennoch mehr als genug finden. (SP-X)

Über den Autor

Frank Mertens

Nach dem Sport- und Publizistikstudium hat er sein Handwerk in einer Nachrichtenagentur (ddp/ADN) gelernt. Danach war er jahrelang Sportjournalist und hat drei Olympische Spiele (Sydney, Salt Lake City, Athen) als Berichterstatter begleitet. Bereits damals interessierten ihn mehr die Hintergründe als das bloße Ergebnis. Seit 2005 berichtet er über die Autobranche. Neben der Autogazette verantwortet er auch den redaktionellen Teil des Magazins electrified.

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