Die Gläserne Manufaktur in Dresden stand bislang nicht für eine Erfolgsgeschichte. Doch das könnte mit der neuen Generation von Elektroautos anders werden.
Der Luxus-Volkswagen Phaeton aus der gläsernen Manufaktur in Dresden ist längst Vergangenheit, und auch der E-Golf ist als umgebauter Verbrenner nicht voll konkurrenzfähig gegen reine Stromer.
Bald jedoch soll die Geschichte glänzen. Denn die Manufaktur ist zur Denkfabrik in Sachen Elektroauto geworden. Dort hat VW jetzt erstmals gezeigt, mit welchen Mitteln die Marken des Konzerns im Batterie-Markt auf- und überholen wollen.
VW bringt 26 Modelle bis 2026
Geheimwaffe eins heißt: Mehr Kasten wagen. Mit dem MEB genannten Baukastenprinzip sollen bis 2026 insgesamt 26 Modelle und zehn Millionen Fahrzeuge auf die Straße kommen. “Die Planung dafür ist abgeschlossen”, sagt E-Mobilitäts-Vorstand Thomas Ulbrich.
Die anderen Geheimwaffen werden modulare Batterien mit mehr Reichweite, neue Ladelösungen und neuartige Software sein. “Keine Kompromisse”, beschwört Ulbrich die Strategie, um als erster Anbieter wirklich den Massenmarkt zu erreichen. Den Anfang machen bis 2022 vier komplett unterschiedliche Elektroautos allein der Marke VW auf dieser Plattform, Audi-, Seat- und Skoda-Ableger kommen hinzu. Allein aus der Fabrik in Zwickau werden dazu bis zu 1.500 Elektroautos am Tag rollen.
Das Maß der Dinge ist der Golf. Beim Kernprodukt haben die Wolfsburger ihre Variabilität ja bereits so auf die Spitze getrieben, dass sich auf dessen Baukasten MQB mehr als ein Dutzend ganz unterschiedlicher Modelle der VW-Marken tummeln können. Zum anderen aber ist der typische Golf-Käufer genau die Klientel, die bewegt werden muss, um Millionen Menschen von den neuen Stromern zu überzeugen. Mit Platz, Power und coolen Elektronik-Ideen.
Nur noch ein Baukasten reicht
Das kann aber mit Elektroautos auf bisheriger Basis nicht gelingen. Die Vorteile der Stromer wie mehr Platz durch einen kürzeren Vorderwagen oder wegfallende Mitteltunnel sind dabei nicht umzusetzen. Zudem waren bisher wegen der Bauart der jeweiligen Verbrenner und ihrer vielen verbundenen Aggregate drei große Baukästen nötig. Beim Elektro-Konzept mit der VW-Submarke ID reicht nun ein Baukasten. Denn gleich ob Passat-, Golf- oder Polo-Größe d:as Grundkonzept ist viel einfacher. Ein Elektroantrieb benötigt schließlich nicht einmal ein Zehntel der Einzelteile, zudem entfallen Abgasanlage oder Getriebe.
Bei einer Sitzprobe im ID, dessen Produktion im kommenden Jahr als erstes MEB-Auto anläuft, zeigen sich die Vorteile: Die Batterie steckt in ihrem Gehäuse unter dem Boden, die Räder rücken an die äußersten Ecken der Karosse, der Vorderwagen ist viel kürzer als im Golf. Auf weniger als dessen Grundfläche bietet sich darum rund 60 Zentimeter mehr Platz für die Passagiere und ein größerer Kofferraum. Auch bei den nächsten MEB-Produkten – ein kompaktes SUV, ein Van und eine Limousine in Passat-Größe – werden sich diese klaren Platzvorteile im Vergleich zu Verbrennern gleicher Außenmaße zeigen.
Batteriekasten in zwei Längen
Geheimwaffe zwei: Zwischen den Achsen sitzt als tragendes Element dabei der Batteriekasten, den es in zwei Längen (bis zu 1,70 Metern) gibt. Er ist zudem mit unterschiedlich vielen Zellmodulen bestückbar. Dadurch kann der reine City-Fahrer für den Preis eines entsprechenden Golf-Diesel bereits einen ID mit rund 330 Kilometern Reichweite (125 kW/170 PS) aus einer schwächeren Batterie bekommen. Der Langstrecken-Lenker kann aber auch das größte Akku-Modul mit mehr als 550 Kilometern ohne Nachladen erhalten. Je nach Kundenwunsch und Modell kann VW auch einen zweiten Motor vorn einsetzen. Allrader mit mehr als 300 PS sind so locker drin. Und alles kann kostensparend in Millionen-Stückzahlen am selben Band produziert werden.
Geheimwaffe drei ist die Ladelösung: Ein Viertel aller Ladevorgänge dürften unterwegs an öffentlichen Schnellladestationen, rund fünf Prozent entlang der Schnellstraßen erfolgen, schätzt VW. Den ID wird der Kunde an einer Schnellladestation mit 125 kW Leistung nachladen können – das schafft in dem Segment kein Konkurrent. Nach rund 30 Minuten kann die Urlaubsreise so weitergehen.
Und für daheim will VW zum Start der neuen MEB-Autos Wallboxen anbieten, die bei rund 300 Euro Kaufpreis losgehen. Bis zu 11 kW werden bei den Heimlösungen zunächst zu zapfen sein (geplant sind bis zu 22 kW (DC)), die auch wieder Energie in das Netz einspeisen können. So könnte der ID als Stromspeicher für Überkapazitäten etwa aus der Photovoltaikanlage fungieren.
Eigene Elektronikarchitektur
Geheimwaffe vier: Zum Staunen – oder Angeben – wird es im ID schließlich auch noch etwas geben. Die neue Plattform bekommt nämlich auch eine eigene Elektronik-Architektur. Damit sind mittelfristig vollautonome Fahrfunktionen machbar. Zum Start weg aber lassen sich Funktionen wie beim Smartphone drahtlos updaten oder Daten mit dem heimischen Netz, Firmen-PC oder Handy austauschen.
Der ID erhält zudem auch neue Head-Up-Displays mit Augmented Reality: Dadurch lassen sich Informationen etwa zur Navigation oder Zielen auf der Strecke virtuell vor dem Fahrer auf die Straße oder in die Landschaft zaubern. Das dürfte besonders die jüngeren Kunden begeistern, die solche Technik schon von VR-Brillen bei Spielen mit der X-Box gewohnt sind.
Jugendliche Autofans dürften nur eins bedauern: Einsteigerautos etwa in Größe des Up wird es nicht auf Basis des MEB-Baukastens geben. Wer da elektrisch VW fahren möchte, muss auch weiter mit Kompromissen leben – dem umgebauten Verbrenner nämlich. (SP-X)
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