Elektro

Voll auf Akku: Mercedes elektrifiziert sich

Der Mercedes GLC F-Cell. Foto: Daimler

Elektromobilität ist vor allem eines: Ein sehr dickes Brett, was noch zu bohren ist. Das weiß man auch beim Autobauer Mercedes.

98,3 Prozent aller Kunden in Europa, so sagt es Daimler-Chef Dieter Zetsche, haben im zweiten Quartal 2018 alles Mögliche gekauft, nur kein Elektroauto. Dennoch treibt Daimler seine Elektro-Strategie nun massiv voran und überrascht sogar mit einem Auto, an dessen Verwirklichung kaum noch jemand geglaubt hatte.


GLC F-Cell Hybrid heißt der Wagen, und elektrischer könnte er kaum sein. Denn eine Brennstoffzelle produziert an Bord aus getanktem Wasserstoff und dem Sauerstoff der Luft elektrische Energie. Zusätzlich ist im Auto dasselbe Akkupaket untergebracht, mit dem Daimler auch seine anderen Plug-in-Hybridmodelle ausstattet. Wegen dieser zwei Energiequellen trägt auch dieses Modell nun den Beinamen Hybrid – man benötige die aufladbaren Akkus, um dem Auto das Beschleunigungsverhalten vom Start weg zu geben, das der Kunde heute erwarte, heißt es.

GLC F-Cell ohne Emissionen

Auf jeden Fall erfüllt der Wagen selbst die allerschärfsten künftig denkbaren Klimaschutzregeln, denn sein CO2-Ausstoß beträgt null Gramm pro Kilometer, ganz wie bei einem klassischen Elektroauto, das sich ausschließlich auf Batterien verlässt. Das Endprodukt einer Brennstoffzelle ist nämlich nichts als Wasserdampf. „Wir brauchen alternative Antriebsformen“, sagt Daimler-Ingenieur Jochen Strenkert, der im Konzern genau dafür zuständig ist. „Die CO2-Ziele werden immer anspruchsvoller, und mit herkömmlichen Antrieben lassen sie sich nicht mehr erfüllen.“

Das Problem am Brennstoffzellenauto ist jedoch nach wie vor der Brennstoff. Wasserstoff ist zwar das am häufigsten vorkommende Element überhaupt, jedoch liegt er immer nur gebunden vor, etwa in Wasser. Wasserstoff aus Wasser und aus anderen Verbindungen herauszulösen erfordert einen hohen Energieeinsatz, außerdem muss flüssiger Wasserstoff bei extrem tiefen Temperaturen gelagert werden, im gasförmigen Zustand ist er flüchtig. Und hochexplosiv ist er auch.

Problem der Infrastruktur

Und natürlich stellt sich ein enormes Henne-Ei-Problem: Weil es kaum Brennstoffzellenautos gibt (bislang bieten nur Hyundai und Toyota je ein Modell an), gibt es auch nur wenige Wasserstofftankstellen, es sind exakt 51 in Deutschland. Weil es so wenige Tankstellen gibt, ist die Vorstellung, ein Brennstoffzellenauto zu fahren, nicht sehr attraktiv.

Daimler geht trotzdem den Schritt mit dem GLC F-Cell Hybrid, verkauft das Auto seinen Kunden aber nicht, sondern vermietet es über vier Jahre für 800 Euro plus Mehrwertsteuer pro Monat. Wer nicht in den Großstädten Berlin, Hamburg, München, Frankfurt, Düsseldorf oder Stuttgart wohnt, kommt aber nicht zum Zug, der wenigen Tankstellen wegen. Am Ende wird die Stückzahl des GLC F-Cell Hybrid maximal vierstellig sein, und man kann sich auch vorstellen, dass unter diesen Voraussetzungen die exakt 799 Euro pro Monat nicht die Kosten des Herstellers decken – zumal auch noch Wartungs- und Reparaturarbeiten in der Rate enthalten sind.

Traum von der Wasserstoffwirtschaft

Dennoch träumt Daimler den Traum von der Wasserstoff-Wirtschaft weiter, denn mit Wasserdampf als „Abgas“ wären wirklich viele Probleme gelöst. Immerhin: Die aktuelle Brennstoffzelle ist schon viel kleiner als die des früheren Versuchsmodells auf Basis der B-Klasse.

Außerdem haben die Ingenieure es geschafft, die Menge des benötigten Platins um 90 Prozent zu verringern, und das Fahrgefühl des 211 PS starken Elektromotors mit seinen 365 Newtonmetern Drehmoment ist angenehm, wenn auch nicht überbordend temperamentvoll. Die Reichweite beträgt nach Norm 478 Kilometer, wovon 51 Kilometer auf die Plug-in-Akkus entfallen, und man muss so etwa mit einem Realverbrauch von einem Kilogramm Wasserstoff (ca. 10 Euro) auf 100 Kilometer rechnen – die Tankfüllung kostet dann knapp 45 Euro, der Tankvorgang dauert etwas unter drei Minuten.

Ein Viertel E-Autos bis 2025

Der Mercedes EQC kommt Anfang 2019 auf den Markt. Foto: Daimler

Das wäre der ganz große Fortschritt, der vielleicht erst erreicht wird, wenn das erste Ziel abgehakt werden kann. „Bis 2025 wollen wir 15 bis 25 Prozent der verkauften Pkw rein elektrisch antreiben“, sagt Jochen Strenkert. Die große Bandbreite von 15 bis 25 Prozent rührt daher, dass das Ganze nicht nur abhängig ist von der Kundenakzeptanz und den Preisen, sondern auch vom Ausbau der Lade-Infrastruktur. Beim Probefahr-Termin für die Presse hatte Daimler extra zehn Ladesäulen auf einem einzigen Parkplatz aufgestellt – das ist ein Service, den heutige Elektroautofahrer oft vermissen. Die paar Alibisäulen am Flughafen (vor denen dann gern mal ein Diesel steht) oder in der Tiefgarage des Arbeitgebers motivieren jedenfalls noch keinen, aufs Elektroauto umzusteigen.

Daher bringt Mercedes nicht nur im Mai 2019 den EQC als erstes Elektro-SUV auf den Markt, sondern baut Batterien in praktisch jedes Auto ein. So werden die Pkw zum Beispiel zu sogenannten Mild-Hybriden, die nicht elektrisch fahren können, aber durch einen sogenannten integrierten Startergenerator beim Beschleunigen elektrische Energie hinzufügen und beim Abbremsen einen Teil der verloren gehenden Bewegungsenergie in Akkus zwischenspeichern. Das wird nach und nach die Basis aller Mercedes-Motoren sein.

Mercedes baut Hybridflotte aus

Gleichzeitig wird die Plug-in-Hybridflotte von Mercedes ausgebaut, und das interessanteste Fahrzeug ist hier zweifellos der C 300 de, ein Plug-in-Hybrid mit Dieselmotor. Elektro und Diesel sind auch schon bei Volvo und Peugeot/Citroen zusammengeführt worden, große Erfolge wurden damit bislang aber nicht erzielt. Daimler setzt nun auf eine leichte Anhebung der Elektroreichweite (57 Kilometer) und vor allem auf einen optimierten Komfort beim Zuschalten des Dieselmotors. In der Tat setzt der 194 PS starke Diesel eher leise ein und schüttelt dabei auch nicht das ganze Auto durch, obwohl er nur vier Zylinder hat und nicht sechs. Dennoch ist man anfangs überrascht über die unglaubliche Kraft, die nun zur Verfügung steht.

Der 122 PS starke Elektromotor kann das Auto bis etwa 130 km/h allein antreiben, in der Stadt ruht der Diesel eigentlich immer. Es sei denn, man tritt kräftiger aufs Gas – dann werden aus den rund 300 Newtonmetern, die der E-Motor zur Verfügung stellt, plötzlich bis zu 700. Je nach Gaspedalstellung spürt man das dann schon deutlich. Für Chauffeure (den Antrieb wird es auch in der E-Klasse geben) ist der Umgang mit dem neuen Auto jedenfalls eine neue Herausforderung, sie müssen sich mehr Feinfühligkeit im rechten Fuß antrainieren, um die Fahrgäste nicht zu verwirren.

Das Beste aus zwei Welten

Der Smart EQ gibt auch in Skandinavien eine gute Figur ab. Foto: Blumenstein

Insgesamt vereint ein Diesel-Plug-in natürlich das Beste aus beiden Welten, schließlich ist der Diesel, allem Abgasärger zum Trotz, ein hocheffizienter und dazu noch sehr kräftiger Antrieb. Der zusätzliche Druck aus den Akkus hebt diese Eigenschaften nur noch mehr hervor. Man sollte die neuen „de“-Modelle von Mercedes jedenfalls genau beobachten – auch natürlich ihre Preisgestaltung. Heute steht ihr Preis noch genauso wenig fest wie der des EQC, teurer als herkömmliche Modelle aber müssen die elektrifizierten Mercedes werden.

Das zeigt schon ein Blick auf den Preis des neuen S 560 e, einer S-Klasse mit Benzin-Sechszylinder und Plug-in-Hybrid. Während der normale S 500, der auch einen drei Liter großen Sechszylinder hat, an den aber nur ein Mild-Hybridsystem angedockt ist, 103.690 Euro kostet, wird es den S 560 e erst ab knapp 114.320 Euro geben. Damit übertrifft er sogar leicht den Preis des herkömmlichen S 560, der immerhin einen V8 unter der Haube trägt.

Smart nur noch elektrisch

Richtig dramatisch wird der Preisaufschlag, wenn man sich einen rein elektrischen Smart zulegen will: Das herkömmliche Basismodell kostet 11.165 Euro, für einen Smart EQ fortwo mit 160 Kilometer Reichweite muss man aber 21.940 Euro investieren, also fast das Doppelte. Dennoch will Daimler ab 2020 europaweit nur noch elektrisch angetriebene Smart verkaufen.

So lautet das Fazit: Elektro-Fortschritt ist auf allen Ebenen möglich, aber er kostet auf allen Ebenen auch (viel) Geld. (SP-X)

Über den Autor

Frank Mertens

Nach dem Sport- und Publizistikstudium hat er sein Handwerk in einer Nachrichtenagentur (ddp/ADN) gelernt. Danach war er jahrelang Sportjournalist und hat drei Olympische Spiele (Sydney, Salt Lake City, Athen) als Berichterstatter begleitet. Bereits damals interessierten ihn mehr die Hintergründe als das bloße Ergebnis. Seit 2005 berichtet er über die Autobranche. Neben der Autogazette verantwortet er auch den redaktionellen Teil des Magazins electrified.

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