Elektro

Mercedes EQE 350+: Entspannung pur

Der Mercedes EQE ist auf Windschnittigkeit ausgelegt. Foto: Mercedes

Der Mercedes EQE sieht nicht nur schick aus, sondern bietet auch technisch etliche Highlights. Wir waren mit der Business-Limousine unterwegs.

Dass ein Mercedes so stark die Blicke auf sich zieht, Autofahrer an der roten Ampel ihre Scheibe herunterdrehen und fragen, um was für ein Modell es sich da handelt, ist schon außergewöhnlich. Vor allem, wenn dies gleich zweimal innerhalb von 20 Minuten passiert. So geschehen auf unserer ersten Testfahrt mit dem EQE.


Ohne Zweifel, diese knapp fünf Meter lange Mercedes-Limousine fällt auf. Die Proportionen der Karosserie wirken nicht nur ungewohnt, sie sind es auch. Ein sehr langer Radstand, kombiniert mit kurzen Überhängen, der bogenförmigen Dachlinie und ein weit nach vorne gerücktes Greenhouse erzeugen Neugier. Ist das noch ein Mercedes?

Einstiegspreis bei 70.000 Euro

Ganz gewiss. Und ab Sommer dieses Jahres dürfte man die vollelektrische Business-Limousine ganz sicher häufiger sehen, selbst wenn ihr Einstiegspreis erst kurz über 70.000 Euro startet. Denn mit dem EQE hat Mercedes ein attraktives Auto auf die Räder gestellt, dem man nur ablehnend gegenüberstehen kann, wenn man mit E-Mobilität nun wirklich gar nichts am Hut hat – oder ein nicht bekehrbarer Tesla-Fan ist. Denn der EQE zielt als erstes Elektroauto direkt auf das Model S von Tesla. Im wichtigen Business-/Dienstwagen-Segment hatte der kalifornische Konkurrent bislang fast eine Monopolstellung inne.

Dass der Stuttgarter Autobauer es überhaupt so schnell schaffte, schon ein Jahr nach dem EQS ein zweites Modell gleicher Bauart – nur etwas kleiner – zu platzieren, hängt mit der eigens dafür konzipierten Plattform zusammen. Sie heißt EVA, was für Electric Vehicle Platform steht. EVA steckt bereits unter dem EQS. Für den EQE musste also nichts extra neu entwickelt, sondern die Architektur „nur“ auf die etwas geringere Größe angepasst werden. So steckt im Boden des EQE eine etwas kleinere Batterie als im EQS. Ihre Kapazität beträgt statt 108 nur noch 90 kWh, aber immer noch genug, um dem Fahrer des EQE 350+ eine WLTP-Reichweite von bis zu 654 Kilometer zu ermöglichen.

Auf dezidierter E-Plattform

Wie bei allen dezidierten Elektroplattformen profitieren die Insassen von einem besseren Platzangebot, da E-Maschinen deutlich kompakter sind als Verbrennungsmotoren und zudem weder Getriebe noch Abgasanlage Raum wegnehmen. Selbst hinten sitzen Erwachsene sehr bequem. Laut Mercedes übertreffen die Innenraumabmessungen sogar jene der derzeitige E-Klasse W 213. Allerdings erkauft sich der EQE die hintere Kopffreiheit mit einem kleinen Package-Nachteil.

Er verfügt nicht wie der EQS über eine große Heckklappe, sondern hat eine feststehende Heckscheibe und einen konventionellen Kofferraumdeckel. Andernfalls hätten die Scharniere im Dach die Kopffreiheit zu sehr eingeschränkt, ganz zu schweigen vom zusätzlichen Gewicht des gesamten Heckbereichs.

Auch als AMG erhältlich

Zum Marktstart bietet Mercedes den EQE zunächst als 350+ mit 215 kW und Hinterradantrieb sowie als AMG 43 4Matic (350 kW) mit Allradantrieb an. In beiden steckt als Basis das Cockpit der S-Klasse mit dem nach vorne geneigten, großen Zentraldisplay. Wer die Konturen des dahinterliegenden Armaturenbretts entlangschaut, weiß sofort: Sie bilden exakt die Form des Hyperscreens ab. Diese größte im Automobilbau existierende Displayfläche bietet Mercedes gegen Aufpreis an. Erstmals kann dann die rechts sitzende Person während der Fahrt sogar Filme schauen oder im Internet surfen.

Doch auch ohne die faszinierende Bildschirm-Landschaft bleibt die Bedienung im EQE ein Genuss. Alles wird sauber dargestellt und wirkt wohldurchdacht. Das gilt auch für die Sprachbedienung, die derzeit die Spitze der Branche einnehmen dürfte. Selbst mehrere Befehle am Stück werden locker umgesetzt. Etwa: „Hey, Mercedes, schalte die Sitzheizung ein und navigiere mich zum Flughafen Frankfurt.“

Ruhe und Geschmeidigkeit

Das Heck des Mercedes EQE mit durchgehender Lichtleiste. Foto. Mercedes

Die Fahrt dorthin verläuft mit einer Ruhe und Geschmeidigkeit, wie sie nicht nur typisch für ein Elektroauto sind, sondern auch typisch für Mercedes. Der EQE ist Entspannung pur, der Komfort in dieser Klasse unerreicht. Der Wagen ist schließlich mit den guten Genen des EQS unterwegs und scheint mehr über den Asphalt zu schweben als zu rollen. Auch die 293 PS der E-Maschine und besonders ihr Drehmoment von 565 Newtonmeter lassen nie Zweifel an zu wenig Souveränität aufkommen.

Und damit selbst auf längeren Touren das Premium-Gefühl nicht auf der Strecke bleibt, haben die Entwickler auch das leidige Thema Laden professionell angepackt. Der EQE kann an CCS-Schnellladesäulen mit bis zu 170 KW nachgeladen werden. Das entspricht „frische“ 250 Kilometer bei 15 Minuten Wartezeit, was allerdings nur klappt, wenn die Ladestation übers Navi angesteuert wird und so die Batteriezellen optimal vorkonditioniert werden können. Steht dann noch „Aral“ oder „Ionity“ an der Ladesäule, braucht der Stecker nur noch mit dem EQE verbunden zu werden, weder App, noch Karte oder QR-Code sind nötig, die Authentifizierung erfolgt automatisch. Ein Komfort, den Tesla seinen Kunden allerdings an seinen Säulen auch anbietet. (SP-X)

Über den Autor

Frank Mertens

Nach dem Sport- und Publizistikstudium hat er sein Handwerk in einer Nachrichtenagentur (ddp/ADN) gelernt. Danach war er jahrelang Sportjournalist und hat drei Olympische Spiele (Sydney, Salt Lake City, Athen) als Berichterstatter begleitet. Bereits damals interessierten ihn mehr die Hintergründe als das bloße Ergebnis. Seit 2005 berichtet er über die Autobranche. Neben der Autogazette verantwortet er auch den redaktionellen Teil des Magazins electrified.

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