Wer dem reinen E-Auto nicht traut, hat beim Leapmotor C10 REEV einen Range-Extender an Bord. In Kombination sind dann fast 1000 Kilometer drin.
Womöglich waren sie in Politik wie Wirtschaft einfach zu euphorisch. Weithin herrschte der Glaube, nach ein paar Startschwierigkeiten vollziehe sich der Umstieg Richtung E-Mobilität in Windeseile. Doch aktuell läuft die Wende kein bisschen und schon gar nicht glatt, Hybride und sogar Verbrenner steigen in der Käufergunst. Voll im Trend: Elektroautos mit Range-Extender. In China hat sich die Zahl derer, die ihren Strom auch an Bord produzieren können, seit 2021 auf aktuell 1,2 Millionen fast verzehnfacht.
Da wundert es nicht, dass das aus dem Reich der Mitte stammende Unternehmen Leapmotor der Elektro-Variante seines C10 genau ein solches Doppelherz an die Seite stellt. Die Batterie ist mit 28,4 kWh kleiner als beim BEV (69,9 kWh), schafft aber im reinen Strombetrieb immer noch 145 WLTP-Kilometer (BEV: 424). Für alles darüber hinaus sorgt ein 1,5-Liter-Vierzylinder ebenfalls chinesischer Provenienz mit 68 PS Dauer- und 102 PS Spitzenleistung. Diese Sprit-Versicherung könnte auch die als besonders reichweitenängstlich geltenden Deutschen locken. Immerhin sind in Kombination knapp 1000 Kilometer Radius drin.
Länge von 4,74 Meter
Das Chassis erinnert vorne an den Smart#3, hinten an den Porsche Cayenne und wirkt nicht wirklich stimmig. Andererseits sind Geniestreiche zwischen Crashtest-Vorgaben, Aerodynamik-Ansprüchen und globalem Geschmacksempfinden verdammt schwer geworden. Fernöstlich zurückhaltend auch die Lackierungen: Weiß, Dunkelgrün, Schwarz und zweimal Grau finden sich im Farbfächer.
So kann das Design nicht wirklich verbergen, dass da schon ein ordentliches Trumm steht: 4,74 Meter lang, 1,90 Meter breit, 1,68 Meter hoch. Kollateralnutzen dieser Abmessungen: Vorne thront man auf beheiz- und belüftbarem Gestühl erhaben wie ehedem der chinesische Kaiser. Auch in zweiter Reihe hat’s reichlich Raum und bequemen Zugang. Freunde der Fracht sind ebenfalls gut bedient: Das Gepäckabteil steckt ordentliche 400 Liter weg, ohne Hintersassen lassen sich 1375 verladen. Das sind jeweils 35 Liter weniger als beim E-Modell – aber irgendwo muss halt auch der 50-Liter-Tank unterkommen.
Fahrerisch überzeugend
Innen haben sie versucht, den C10 jenseits von Hartplastik schön angreifbar zu machen, auch nach unsauberen Spaltmaßen sucht man vergebens. Ganz heimelig fühlt man sich inmitten der Silikon-Bespannung dann aber doch nicht. Rund um das digitale Cockpit (10,25 Zoll) und den Bildschirm (14,6 Zoll) geht es minimalistisch zu. Sogar die Lüftungsdüsen hat Leapmotor versteckt. Was alles sensationell aussieht, bei Drang nach Verstellung aber den Touchscreen erfordert. Das kann man mögen – muss man aber nicht. Luftströme dort per Finger zu dirigieren, verleiht einem vielleicht die Erhabenheit des Windgottes Aiolos – ganz irdisch verschiebbare Gitter und ein kleiner Drehgriff fürs Gebläse täten es aber womöglich schneller. Hoffentlich noch ein Manko der frühen Exemplare: Erkannte Tempolimits spiegeln oft nicht den Aufdruck der Schilder wider – und gefühlt sorgt die Klimaanlage bei egal welcher Einstellung ausschließlich für Eiseskälte.
Fahrerisch überzeugt der C10 REEV mit spritzigem Vortrieb, aus dem Stand bis zur dreistelligen Tachoanzeige dauert es 8,5 Sekunden, und in der Spitze sind 170 Sachen drin – mehr braucht nicht wirklich jemand. Und am Ende kommt man selbst bei zügiger Fahrt im „Power+“-Betrieb nicht über sieben Liter. Da dürfen sich sogar Sparfüchse freuen. Auch in Sachen Fahrwerk haben die Chinesen ordentlich was auf die Federbeine gestellt: ausreichend straff und dennoch nicht unkomfortabel. Allerdings dürfte die Lenkung durchaus stärker das Gefühl vermitteln, dass Vorderräder und Volant in enger Beziehung stehen. Immerhin bewahrt der C10 REEV Haltung und geht erst spät in gut kontrollierbares Untersteuern über. Zwei Tonnen Gewicht drängen bei zügiger Bogenfahrt selbst auf 20-Zöllern unwiderstehlich Richtung Tangente. Besser man genießt die Reise entspannt und gut gedämmt gegen all den Lärm von draußen.
Identischer Stromerpreis
Leider nicht gegen den von innen. Die geballte Assistenz nämlich sorgt für ordentlich Akustik. Aus allen Richtungen piepst, bimmelt und warnt es, sobald man irgendeiner Linie auch nur einen Hauch zu nahekommt. Vieles, wie etwa die heftigen Lenkkorrekturen, bekommt man nur bei stehendem Auto stillgelegt – und auch dann nur unter reichlich Menü-Aufwand. Fünf Sterne beim NCAP-Test können manchmal auch ein Fluch sein. Aber das geht anderen Herstellern wegen der EU-Regularien nicht anders.
Die kleinen Schwächen relativieren sich allerdings beim Preis. Gerade mal 37.600 Euro ruft Leapmotor für den C10 REEV auf. Das ist identisch mit dem reinen Stromer und eine echte Ansage an etablierte Marken. Hoffen dürfen auch alle, denen der C10 ein wenig zu ausladend daherkommt: Nächstes Modell wird der B10, ein reines E-Auto im C-Segment. Der dürfte preislich dann noch ein Stück attraktiver liegen.
Der C10 stammt noch aus der Zeit vor der Kooperation mit dem Stellantis-Konzern. Die Zusammenarbeit wollen die Chinesen künftig nutzen, um das Chassis fit zu machen, die Elektro-Kompetenz hingegen will Leapmotor auch weiterhin bei sich behalten. „Eingebunden in eine schlagkräftige Struktur“, nennt das Deutschland-Chef Martin Resch. Genau richtig, um „schnell, nachhaltig und geräuschlos“ zu agieren. Im Händlernetz finden sich aktuell 87 Partner – vorrangig aus dem Stellantis-Kreis, bis Dezember sollen es 120 sein, das Gesamtziel liegt bei 150. Gut übers Land verteilt, verspricht Resch. Auch auf dem für Start-ups eher schwierigen Terrain der Ersatzteilversorgung will sich Leapmotor mit 20 Logistikzentren im Stellantis-Verbund stark aufstellen. Resch: „Für eine unbekannte chinesische Marke ist Vertrauen entscheidend.“ Und wer bei China und Qualität immer noch ein bisschen Bedenken trägt: Leapmotor gewährt vier Jahre Garantie (maximal 100.000 Kilometer) auf das Auto und acht Jahre (maximal 160.000 Kilometer auf die Batterie.