Elektro

Leapmotor C10 REEV: Breit, brav, brilliant

Mit der Familie im Leapmotor C10 REEV unterwegs in den Urlaub. Foto: Sara Magdalena Walz

Hamburgs Kopfsteinpflaster, Küstentouren, Alltagskilometer – der Leapmotor C10 REEV meistert vieles im Elektromodus und ruft erst auf Langstrecke seinen Range-Extender zur Hilfe.

Von Claas Sommer


“Ihr Wagen ist aber breit!” So kommentierte eine Dame meinen chinesischen Boliden, als ich ihr im McDrive unbeabsichtigt den Weg versperrte. Ja, der Leapmotor C10 REEV ist raumgreifend und er fällt auf, ob man will oder nicht. Mit seinen 1,90 Metern Breite und 4,73 Metern Länge spielt er in der Liga der großen SUVs mit.

Bei der Fahrt durch die Hamburger Innenstadt fällt mir auf, wie die Köpfe sich nach uns umdrehen, besonders Männer im besten SUV-Alter werfen uns Blicke zu. Wahrscheinlich, weil sie nicht wissen, was sie da vor sich haben. Die Linienführung erinnert an Zuffenhausener Design – aber eben nicht zu hundert Prozent. Man muss ein zweites Mal hinsehen, um zu begreifen, dass es ein hierzulande neues und unbekanntes Modell ist. Und auch weniger als halb so teuer.

Der Leapmotor C10 REEV ist gepackt, nun kann die Fahrt los gehen. Foto: Sara Magdalena Walz

Da wären wir auch schon bei einem der größten Pluspunkte dieser Familienkutsche: Die ist im Verhältnis zu dem Gebotenen echt günstig. Knapp über 39.000 Euro ruft Leapmotor für die Design-Variante auf – und zwar für eine volle Hütte, wie man in den Autoforen zu sagen pflegt. Panoramadach mit 2,1 Quadratmetern Glasfläche, 840-Watt-Soundanlage mit zwölf Lautsprechern, beheizte und belüftete Sitze, 360-Grad-Kamerasystem – alles Serie.

Zehn Tage Familienleben

Zehn Tage lang gehörte dieser dunkelgrüne Kopfdreher zu unserer Familie. Und ich muss gestehen, ich habe ihn ins Herz geschlossen, so wie er ist, mit seinen Besonderheiten und auch seinen Eigenheiten. Unser gemeinsames Familienfazit: Wow, ein schicker Hobel. Und mehr Rückbank gibt’s nur im Schulbus ganz hinten.

Der Platz auf der Rückbank ist tatsächlich königlich. Man sitzt nicht, man thront. Dazu der Blick aus dem riesengroßen Panoramadach. Normalerweise lesen die Jungs Comics, aber bei unserem Ausflug nach Sankt Peter-Ording schauten sie in die Wolken und träumten vor sich hin – angenehm für alle Mitreisenden und definitiv ein weiterer Familienpluspunkt. Das elektrische Sonnenrollo lässt sich per Knopfdruck öffnen und schließen, was die Kinder natürlich ausgiebig testeten.

Der große technische Sprung

Der Chinese trägt den Anspruch im Namen: Leapmotor, also: der große Sprung. Und für den Sprung in den europäischen Markt stimmt das sicher, denn der französische Konzern Stellantis hält 51% an Leapmotor International. Das heißt, Kunden können auf ein etabliertes Händler- und Werkstattnetz zugreifen.

Gewöhnungsbedürftig allerdings, dass der C10 weder Apple CarPlay noch Android Auto an Bord hat. Dafür sind Spotify und Amazon Music als Apps integriert. Einmal angemeldet und schon kann man wie gewohnt auf die eigene Musikbibliothek zugreifen. Der Spurhalte-Assistent pendelt und ist ein bisschen nervös, besonders auf norddeutschen Landstraßen mit ihren oft weniger perfekten Markierungen. Und die Sprachassistentin hat eher genervt als unterstützt. Mit ChatGPT unterhalten wir uns stundenlang über alle möglichen Fragen des Familienlebens. Aber mit der C10-Assistentin lieber nicht.

Der Kofferraum fällt im Gegensatz zur Fahrgastzelle kleiner aus als erwartet. Und auch die Ladeleistung spielt nicht in der ersten Liga mit. Macht aber nichts. Für viel Langstrecke mit maximaler Ladepower ist dieser Wagen auch gar nicht konzipiert. Er soll ein ganz anderes Problem lösen: die Reichweitenangst. Und die löst er in Luft auf.

Das REEV-Konzept: Ein Generator an Bord

Mit dem Leapmotor C10 REEV braucht man sich um mangelnde Reichweite nicht sorgen. Foto: Sara Magdalena Walz

Der C10 REEV wartet mit einer ganzen Liste an Besonderheiten auf. Die erste und wichtigste: Er hat einen Verbrennermotor. Rechts tankt man Super, links lädt man feinsten Ökostrom. Aber der Benziner ist nicht mit dem Antriebsstrang verbunden. Er dient nur dazu, den Akku aufzuladen. Es ist also eigentlich der sprichwörtliche Generator, den das Elektroauto mit an Bord hat. Offiziell nennt sich das Range Extender.

Der 1,5-Liter-Motor arbeitet dabei stets im optimalen Wirkungsgradbereich und erreicht beeindruckende 96,5% Systemeffizienz. Man kann zwischen verschiedenen Energiemodi wählen und so festlegen, ab wann der Benziner die Batterie laden soll. Im EV+-Modus springt er erst bei 9% Batteriestand an, im normalen EV-Modus bei 25%.

Aber ganz ehrlich: Das Tolle am C10 REEV ist, dass man überhaupt nicht über Reichweite nachdenkt, sondern einfach fährt. Das klingt wie ein Werbespruch, aber so ging es uns wirklich: Wir haben uns kein einziges Mal die typischen Sorgen eines Elektroauto-Anfängers gemacht, der ständig auf die nächste freie Ladesäule schielt. Die sogenannte Reichweitenangst fällt mit diesem Motorenkonzept völlig weg. 145 Kilometer rein elektrisch, über 950 Kilometer gesamt – das reicht für jeden Familienausflug.

Die Puristen und die Praxis

Jetzt schütteln die Puristen den Kopf und heben den Zeigefinger, weil so ein Doppelsystem total ineffizient sei. Ja, geschenkt. 100% elektrisch ist natürlich die grünere und nachhaltigere Mobilität. Aber der C10 REEV verbraucht im WLTP-Zyklus nur 0,4 Liter auf 100 Kilometer und stößt dabei gerade mal 10 Gramm CO2 pro Kilometer aus. Das ist weniger als manches Hybrid-System.

Und für Familien wie uns, die noch nicht den Mut zum reinen Stromer gefasst haben, ist es der perfekte Einstieg. Man fährt 90% der Zeit elektrisch – der tägliche Arbeitsweg, die Fahrt zum Supermarkt, die Kinder zur Schule bringen. Aber wenn es mal spontan zu Oma nach Süddeutschland geht, muss man nicht nervös auf die Reichweitenanzeige schielen.

Das Fazit meiner Kinder

Der Sechsjährige: “Cooles Auto, aber das Fenster hat mich eingeklemmt.” Etwas dramatisch drückt es unser Sechsjähriger aus, aber er hat nicht ganz unrecht. Die Fensterheber ragen nach oben, so dass man leicht daran stößt und das Fenster ungewollt öffnet oder schließt. Zudem funktionieren sie anders als gewohnt: man muss ziehen um das Fenster zu öffnen. Unser Kleiner hat sich also beim Auto-Erkunden den Kopf eingeklemmt, aber außer einem Schreck ist natürlich nichts passiert. Ich habe das danach ein paar Mal selber nachgestellt, und ja, das ist etwas zu fest, das Fenster sollte sensibler reagieren. Er fand aber die Selbstfahrfähigkeiten mit ACC und LCC total toll (Ich auch).

So macht Reisen Spaß: die Kinder haben die Fahrt genossen. Foto: Sara Magdalena Walz

Der Elfjährige: “Das Auto hat ein riesiges Glasdach! Und die bunten Lichter sind wie in einer Disco!” Die dynamische Ambientebeleuchtung hat es ihm besonders angetan. Sie pulsiert im Rhythmus der Musik und wechselt sanft die Farben. Abends auf der Rückfahrt von der Küste war das wie eine kleine Lightshow – die Kinder waren begeistert.

Und aus der Perspektive des Erziehungsberechtigten? Der Wagen hat eine tolle Beschleunigung – aber nicht übertrieben. Niemand in der Familie möchte sich bei jedem Alltagstrip wie in der Achterbahn fühlen. Im Normalmodus beschleunigt man sehr entspannt. Im Sport-Modus wird’s dann schon flotter, aber immer noch familienfreundlich.

Der Wagen hat noch kein Apple CarPlay – das soll mit einem Over-The-Air-Update demnächst kommen. Er hat sich aber problemlos mit meinem Bluetooth verbunden. Der Musiksound ist gut. Die 840 Watt verteilen sich auf zwölf Lautsprecher und sorgen für einen satten Klang. Der Wagen macht sich dabei auch den wirklich riesengroßen Innenraum zunutze. Man hat das Gefühl, in einem Saal zu sitzen.

Dazu die optionale dynamische Innenraumbeleuchtung, die rhythmisch blinkt und die Farben ändert. Nachts kann das etwas irritieren, weil plötzlich alles im Innenraum unvorhersehbar leuchtet und man es nicht von Lichtern auf der Straße unterscheiden kann. Aber daran gewöhnt man sich schnell. Und sorry liebe Kinder, ich muss gestehen: der Leap C10 ist so entspannt und bequem, dass ich damit abends noch die ein oder andere Runde ohne euch gefahren bin, einfach um in Ruhe Musik hören zu können. Für die Ökobilanz macht das keinen Sinn. Für gestresste Familienväter schon.

Praktische Qualitäten

Der Kofferraum bietet mit 400 Litern genug Platz für SUP-Boards, Blumen, Rucksäcke und Einkäufe. Mein Kombi, den wir sonst fahren, hat noch ein paar Liter mehr – doch im direkten Vergleich kam der C10 für Familienzwecke keineswegs zu kurz. Klappt man die Rückbank um, entsteht eine ebene Fläche mit 1.410 Litern Volumen, die wir einmal kurz zum Ausruhen nutzten: Ein kleines Nickerchen auf einer Decke, bevor es weiterging. Der komplett ebene Ladeboden ohne störende Stufe macht das Be- und Entladen kinderleicht.

Nach zehn Tagen hieß es dann: Ciao C10. Natürlich hatten die Kinder plötzlich überhaupt nicht die geringste Lust, in unseren Kombi zu steigen, der einen langweiligen Diesel unter der Haube hat. Sie wollten den C10 REEV noch ein letztes Mal von innen betrachten, das Panoramadach öffnen, die bunten Lichter anschalten.
Aber wir hatten den Alltag mit ihm durchlebt: Vom schnellen Drive-Through-Stopp bis zur langen Fahrt ans Meer. Nur

selten zückten wir das Ladekabel, weil der Generator leise dafür sorgte, dass der Akku nachgeladen wurde, sobald wir ihn brauchten. Den Supercharger haben wir dreimal benutzt – der Rest erledigte sich von per Verbrenner.

Das Gesamtfazit

Nach entspannter Fahrt anngekommen am Strand. Foto: Sara Magdalena Walz

In diesen zehn Tagen habe ich verstanden, dass Elektromobilität nicht allein an Prozentangaben aufgehängt werden darf. Der C10 REEV löst unsere Reichweitengedanken, ohne dafür ständig an der Ladesäule zu stehen. Er ist nicht laut, nicht protzig, dafür aber berechenbar – sowohl in der Stadt als auch auf langen Strecken. Die Kinder haben sich nie unwohl gefühlt, fanden den Platz groß und das Licht “supercool”. Uns Eltern gefiel, dass wir nie das Gefühl hatten, irgendwo stranden zu können.

Der REEV ist ein kluger Kompromiss für alle, die noch nicht bereit sind für den großen Sprung zum reinen Elektroauto. Man gewöhnt sich an die elektrische Fahrweise, verliert die Reichweitenangst und wird irgendwann vielleicht doch zum Vollzeit-Stromer. Ein Kompromiss? Ja. Aber ein richtig guter.

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