Elektro

Hyundai Ioniq Elektro: Verdutzte Blicke inklusive

Hyundai Ioniq
Der Hyundai Ioniq Elektro macht im Alltag einen guten Eindruck. Foto: Hyundai

Er ist einer für alles. Gemeint ist der Hyundai Ioniq. Die Koreaner bieten ihren Kompakten nicht nur als Hybrid und Plug-in-Hybrid an, sondern auch als reines Elektroauto. Lohnt sich die Anschaffung. Wir haben ihn getestet.

Doch davon sollte man sich nicht abschrecken lassen. Der Kompakte ist besser als gedacht. Großer Pluspunkt des Rumstromerns im Berufsverkehr und auf längeren Überland-Fahrten: die Ruhe im Fahrzeug. Abgesehen vom Windgeräusch und dem sonoren Brummen der schmalen Energiespar-Reifen gibt der Ioniq Elektro lediglich in der Beschleunigungs-Phase ein angenehm leises leicht artifizielles Säuseln von sich.


Der Effekt, dass man sich selbst mit Fond-Passagieren in normaler Lautstärke unterhalten kann, überrascht viele Mitfahrer. Auch das Fehlen von Motor-Vibrationen und Schaltvorgängen dank des einstufigen Getriebes trägt zur entspannten Fortbewegung bei, die man nach kurzer Zeit schon zu schätzen weiß.

Ioniq mit 295 Nm Drehmoment

Das Cockpit des Hyundai Ioniq Elektro. Foto: Hyundai

Neben der Ruhe sind Elektroauto-Neulinge natürlich auch vom ansatzlos anstehenden Drehmoment beeindruckt – beim Ioniq Elektro sind es 295 Newtonmeter bei „nur“ 88 kW/120 PS. Die Höchstgeschwindigkeit von elektronisch abgeregelten 165 km/h erreicht der Hyundai dabei müheloser, als es seine nominell niedrige Leistung erwarten lässt. Besonders innerstädtische Zwischensprints oder die Nutzung des Sportmodus auf kurvigen Landstraßen machen Spaß und lassen Verbrenner-Fahrer nicht selten verdutzt zurück.

Eines unserer persönlichen Lieblings-Features im Innenraum des Ioniq Elektro ist die individuelle Steuerung der Rekuperations-Stufen per „Schaltwippe“ am Lenkrad. Mit zwei solcher Wippen lässt sich die Energierückgewinnung in drei Stufen regeln oder sogar ganz deaktivieren. Während die stärkste Stufe einer ordentlichen Bremsung gleichkommt, gleitet der Ioniq bei abgeschalteter Rekuperation dank geringer Rollwiderstände deutlich besser als ein Verbrenner und benötigt daher schon bei kleinstem Gefälle kein aktives „Gasgeben“ mehr. Hat man sich ein wenig an das Rollverhalten, die Unterschiede der Rückgewinnungs-Stufen und die gefühlt etwas schwache Bremse gewöhnt, lässt sich der Ioniq nahezu bis zum Stillstand nur mit den Schaltwippen verzögern.

Geräumiger Innenraum

Doch der Ioniq ist nicht nur wegen seiner E-Auto-typischen Eigenheiten ein interessantes Fahrzeug, auch die gewöhnlichen Attribute eines Kompaktwagens hat der Stromer an Bord. Optisch tritt er nicht ganz so betont ökologisch auf wie mancher Konkurrent, eine Schönheit ist der Ioniq besonders mit dem breiten Balken über der Heckscheibe trotzdem nicht. Der Innenraum ist dank des fehlenden Getriebetunnels und den clever platzierten Motor-Batterie-Komponenten überraschend geräumig und auch im Fond sitzt man als Erwachsener komfortabel.

Der Kofferraum fasst mindestens 350 Liter, maximal passen 1.410 Liter in den Ioniq. Im Alltagsbetrieb sind besonders die vielen Ablageflächen und Staumöglichkeiten in der ersten Sitzreihe praktisch. Beim Infotainment setzt Hyundai auf Bekanntes und ergänzt das System mit interessanten und nützlichen Unterpunkten zur Elektromobilität. Dort lassen sich nicht nur die nächstgelegenen Ladestationen anzeigen, die letzten Durchschnittsverbräuche pro einzelner Fahrt errechnen oder der Energiefluss anzeigen, auch eine illustrierte Darstellung der Reichweite zeigt, wie man die ansonsten recht emotionslose E-Mobilität mit etwas „Playstation-Feeling“ interessant vermitteln kann.

Auch sonst ist der Innenraum des Ioniq Elektro solide. Anders wäre der schon recht hohe Preis von mindestens 35.500 Euro für die getestete Ausstattung „Style“ mit LED-Scheinwerfern und Sitzheizung auch nicht zu rechtfertigen. Zum Vergleich: Für diese Summe bekommt man auch einen Audi A3 mit 190 Diesel-PS. Wobei der auch wieder nicht so schön leise ist …

28 kW starke Batterie

Das Heck des Hyundai Ioniq polarisiert. Foto: Hyindai

Doch selbst, wenn man sich nach ein paar Tagen an das mühelose Gleiten, die Ruhe und den Elektro-Punch gewöhnt hat, irgendwann holt einen die Realität wieder auf den Boden der Tatsachen zurück. Beim Ioniq ist dieser Boden die 28 kWh große Batterie, die wie bereits erwähnt für etwa 210 Kilometer Reichweite genügt. Fährt man den Ioniq jeden Tag nur zur Arbeit und zurück, mögen diese 210 Kilometer ausreichend sein.

Bei einer Fahrt aus Köln an die Mosel muss man aber schon penibel haushalten, um nicht doch auf das noch dünn gesäte Angebot der vereinzelt aufgestellten öffentlichen Ladesäulen zurückgreifen zu müssen.

Am Zwischenziel ohne Schnelllader, Wallbox oder ähnlichem genehmigt sich der Ioniq dann fast zwölf Stunden, um seine Batterie über eine gewöhnliche Haushaltssteckdose wieder voll zu laden. Hier stimmt einfach das Verhältnis aus Ladedauer und Reichweite nicht. Wenn Hyundai dem Ioniq eine ähnlich große Batterie spendieren würde wie Nissan nun dem Leaf (40 kWh), wäre der Koreaner selbst für eingefleischte Verbrenner-Fans eine echte Alternative. So bleibt es beim spannenden Blick in die Zukunft. (SP-X)

Über den Autor

Frank Mertens

Nach dem Sport- und Publizistikstudium hat er sein Handwerk in einer Nachrichtenagentur (ddp/ADN) gelernt. Danach war er jahrelang Sportjournalist und hat drei Olympische Spiele (Sydney, Salt Lake City, Athen) als Berichterstatter begleitet. Bereits damals interessierten ihn mehr die Hintergründe als das bloße Ergebnis. Seit 2005 berichtet er über die Autobranche. Neben der Autogazette verantwortet er auch den redaktionellen Teil des Magazins electrified.

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